Bild: Alvaro Serrano – unsplash

Unser Geist hat die Eigenschaft, den Beginn eines Satzes, wie immer er lauten mag, zu Ende bringen zu wollen:

„Ich geniesse es, wenn…“

Und du kannst den Satz jetzt fortführen. Dabei wirst du unbewusst dein ganzes Wesen einsetzen, wenn du dich dabei nicht stören lässt. Nimm dir einen Moment Zeit: „Ich geniesse es, wenn….“

Wer bist du eigentlich und wie gut kennst du dich? Was sind deine heimliche Wünsche, Träume, Ängste und Befürchtungen? Was treibt dich an, was bremst dich? Was lässt dich aufstehen, wenn du gefallen bist? Was hindert dich, deine Ziele zu verfolgen und für deine Wahrheit einzustehen?

Wenn es nur eine einfache Methode gäbe, um in sich hinein zu horchen, sich selbst zu beobachten, sich besser kennenzulernen und seinen Horizont zu erweitern…

Die gibt es. Neudeutsch ist sie bekannt unter dem Begriff „Journaling“. Eine Methode, die dich als 5-Minuten-Übung glücklicher machen kann. Tagebuchschreiben ist nicht dein Ding? Das könnte daran liegen, dass du es unnötig kompliziert machst – eine Eins-zu-eins Wiedergabe von Ereignissen niederzuschreiben mag als Grundlage für deine Memoiren hilfreich sein, bringt dich aber kaum dazu, zielgerichtete Einträge zu verfassen, die dich heute zum Reflektieren anregen.

Was ist Journaling?

Es ist eine Art des Tagebuchaufzeichnens. Heutzutage erscheint das mehr als altmodisch, wird das meiste doch am Laptop oder Computer geschrieben. Das ist schade. Mit der Hand schreiben ist ein Prozess, der die Kreativität fördert. Warum? Weil wir uns konzentrieren, andere Dinge ausblenden, zur Ruhe kommen. Das hilft, Gedanken schweifen zu lassen und zu reflektieren. Andere Sinne werden direkt angesprochen. Wir werden visuell angeregt, die Schrift verfeinert sich. Man kann edles Papier benutzen und/oder das Papier mit Kritzeleien verzieren.

Darüber hinaus werden beide Gehirnhälften aktiviert und arbeiten zusammen. Das fördert die Kreativität. Das Folgende passiert beim Schreiben: Während die linke Gehirnhälfte sich mit der technischen Ausführung beschäftigt, kann sich die rechte dem Kreativsein und dem Fühlen widmen.

Das 5-Minuten-Journal

Es gibt mehrere gängige Journaling-Praktiken. Letztendlich geht es darum, eine Art und Weise für sich zu finden, die einem Spass macht. Es bietet sich an, sich für ein kurzes Morgen- und Abendritual zu entscheiden. Ich kann dir versprechen, wenn du das einmal für zwei Wochen durchgezogen hast, dann willst du es nicht mehr vermissen. Es erhöht nachhaltig deine Aufmerksamkeit. Das Journal führen – und du kannst da alles notieren, was dir in den Kopf kommt – gibt dir Raum zur Selbstreflexion und du wirst das Leben mehr schätzen. Es wird deine Zufriedenheit steigern, zu mehr Optimismus und zu besseren Beziehungen führen. Und so kannst du anfangen:

Fragen am Morgen

Wofür bin ich dankbar (im Sinne von Wertschätzung)? Finde drei Beispiele.

Was würde den Tag heute grossartig machen? Beachte auch die kleinen positiven Dinge.

Was ist die Sache, auf die ich mich heute jetzt schon freuen kann?

Fragen am Abend

Nenne drei schöne Dinge, die heute passiert sind oder die du beobachtet hast. Schätze auch die Kleinigkeiten.

Wie hättest du den Tag besser gestalten können? Finde eventuell Kleinigkeiten, die dein Leben verbessern würden.

Durch die Fragen am Morgen machst du dir gezielt Gedanken über jene Dinge, die dich tagsüber beschäftigen. Abends ist es ein Moment der Selbstreflexion. Du erkennst, welchen Anteil du an deinem Tagesablauf hast. Journaling führt im Laufe der Zeit (nebenbei) zu einem positiveren Denken und zu einer bewussteren Lebenseinstellung.

Da du nicht jeden Abend das Gleiche niederschreiben willst, trainierst du deinen Freund auf der anderen Seite (dein Unbewusstsein), bewusster auf die positiven Dinge im Tagesverlauf zu achten. Dabei können das Lächeln der Verkäuferin, eine humorvolle Äusserung beim Mittagessen, die Freude über den Frühlingsbeginn oder der kurze Spaziergang in der Natur Dinge sein, die sonst so gerne im Tages-Hamsterrad untergehen.

Mit dem Tagebuchschreiben (Journaling) bist du nicht alleine. Goethe und Remarque taten es. Sir Richard Branson und auch Warren Buffet schwören darauf.

Üblicherweise, wenn du etwas schriftlich mitteilst, hast du den Empfänger vor Augen. Du transportierst eine Vorstellung (von dir für andere) und verteidigst deine Identität. Du achtest, bewusst oder unbewusst, auf den Ton, die Form und Korrektheit dessen, was du schreibst. Du willst verstanden werden.

Das ist anders beim Journaling. Da richtest du dich nach innen, um dich selbst besser zu verstehen. Du wirst erfahren, wie befreiend es sein kann, ganz bei dir zu sein und dabei weder deinen Ruf, noch eine Rolle verteidigen zu müssen. Du schreibst, was immer dir ins Hirn springt, nur für dich. Da kannst du uneingeschränkt ehrlich sein und dich als Mensch annehmen.

Journaling = Achtsamkeitspraxis

Mit regelmässigem Journaling verbesserst du die eigene Selbstwahrnehmung und Selbsteinschätzung. Die feine und akkurate Selbstwahrnehmung ist stark mit Gewahrsein und Achtsamkeit verbunden. Es geht darum, was du in jedem Moment fühlst, denkst und ausdrückst. Das Wahrnehmen deines Körpers, deiner Gedanken und deiner Emotionen erfordert ein Mass an Aufmerksamkeit, die beim Journaling nebenbei trainiert wird. Du schulst dein Bewusstsein und es entwickelt sich eine Gewohnheit – eine mentale Praxis – deren Früchte dich im hektischen Alltag stärken.

Journaling für Fortgeschritten

WortWerk

Gabriele Andler beschreibt in ihrem Buch, WortWerk: Das Journaling-Buch für mehr Klarheit, Gelassenheit und Lebensfreude, wie man der eigenen Innenwelt näher kommt. Und, wie man freilegt, was wir schon immer in uns tragen: Klarheit, Gelassenheit und Lebensfreude. Dazu findest du in ihrem Buch eine Liste von Satzanfängen und Zitaten. Hier eine Auswahl:

Still sitzen
Nichts tun
Der Frühling kommt
Das Gras wächst von allein.

ShinJin Mei

Dinge, die ich loslassen möchte, sind …

Eine Sache, die ich heute für mich selbst tun möchte, ist…

Ich fühle mich erfüllt, wenn…

Freiheit bedeutet für mich…

Mich inspiriert am meisten, …

Ein perfekter Tag ist, wenn …

Persönliche Entwicklung bedeutet für mich…

Im Buch findest du noch weitere 53 Satzanfänge….

ZSWR

Ein ZSWR (Zwei-Stunden-Wochen-Ritual) planen, um nichts zu tun als zu denken und Tagträume wirken zu lassen. Dazu braucht es nicht viel. Einen ruhigen Ort, ungestört, einen Lieblingsstift und ein Notizbuch oder Journal und schon kann es losgehen: Über meine Arbeit und meinen Lebensstil reflektieren und meinen Gedanken freien Lauf lassen.

Einmal in der Woche, meistens montags, früh am Morgen, plane ich zwei Stunden ein, um nichts anderes zu tun, als zu denken, die Gedanken kommen zu lassen. Alle Ablenkungen werden eliminiert, gerade die elektronischen Störenfriede, mein Telefon also auf Flugmodus und PC abschalten.

Zwei Stunden sind eine lange Zeit und sehr wertvoll. Herrlich, 120 Minuten nur für mich! Manches in diesem Zeitfenster mag sich als unproduktiv anfühlen, nicht alles wird perfekt strukturiert sein. Es gilt anzufangen. Ich fange mit ein paar Aufwärm-Fragen an (finde für dich jene Fragen, die dir als richtig erscheinen und die Qualität der Fragen bestimmt die Qualität der Antworten), der Rest ergibt sich dann von selbst:

⇒ 1. Bin ich begeistert von dem, was ich aktuell seit meinem letzten ZSWR unternommen habe oder war es mehr ein Schlendern, oder zu viel und ziellos im Hamsterrad?

⇒ 2. Wofür bin ich letzte Woche dankbar, im Sinne von Wertschätzung und Würdigung?

⇒ 3. War mein Oszillieren zwischen Arbeit und Privat ausgewogen?

⇒4. Wie beschleunige ich den Prozess, von wo ich bin zu wo ich sein will?

⇒ 5. Welche grösseren Opportunitäten lasse ich aussen vor, oder schiebe ich, die ich möglicherweise tun könnte und diese Woche endlich anpacke?

⇒ 6. Welche kleine(n) Aktion(en) könnte(n) grosse Wirkung zeigen?

⇒ 7. Was könnte in den nächsten sechs Monaten schief laufen?

Jetzt zurücklehnen und warten: D.h., in der verbleibenden Zeit notiere ich nach der Beantwortung der 7 Fragen einfach alles in meinem Journal, was mir in den Sinn kommt. Die Gedanken schweifen lassen, genauso wie bei einem Spaziergang, alleine, in der Natur, am Berg, im Wald oder am Strand – und sogleich notieren. Da kommen tolle Einsichten raus.

Fazit

Gabriele Anders bringt es auf den Punkt. Gründe und Einsatzmöglichkeiten für das Gedanken niederschreiben, für das Journaling gibt es viele. Hier ein paar der wichtigsten:

Gedanken „abladen“, sich etwas-von-der-Seele-schreiben

Klärung diffuser Gefühle

Denkprozesse verlangsamen, um Klarheit zu gewinnen

Sich seiner Fähigkeiten bewusst zu werden

Sich Klarheit über Wünsche und Bedürfnisse zu verschaffen

Erforschen, was motiviert, antreibt und bremst

Journaling lädt ein, sich der eigenen Sichtweisen, Haltungen und Überzeugungen bewusst zu werden. Denkweisen, die du dir zu eigen gemacht hast und die durch deine Erfahrungen, andere Menschen und die Gesellschaft geprägt wurden.

Ein gutes Beispiel dafür sind unsere Werte. Es kann interessant sein, über die Werte zu schreiben, dies in regelmäßigen Abständen immer wieder zu tun und zu vergleichen. Dabei werden wir feststellen, dass sich unsere Werte im Laufe der Zeit verändern, dass manche wichtiger werden und andere an Bedeutung verlieren, dass neue dazukommen und manche ganz in Frage gestellt werden und verschwinden.

Es kann auch erhellend sein, über einen bestimmten Wert zu forschen. Wenn uns zum Beispiel Freiheit besonders wichtig ist, dann wäre ein guter Satzanfang: „Freiheit bedeutet…“ oder „Freiheit ist mir wichtig, weil…“.

Alles Fertige, Vollkommene
wird angestaunt,
alles Werdende unterschätzt.

Friedrich Nietzsche

Aktiv werden

Hat Ihnen der Artikel gefallen?

Abonnieren Sie meinen sonntäglichen Newsletter und erhalten Gedanken und Ideen, die Ihr Leben bereichern können und downloaden Sie „Besser Zuhören – Besser Kommunizieren“.

Sind Sie pro-aktiv? Wenn ja, dann prüfen Sie meine 4-seitige Checkliste wie man Ziele setzt und erreicht.

Hier klicken um die Checkliste jetzt downzuloaden. (p.s. Viel Spass mit dem Autopiloten) und den sonntäglichen Newsletter zu erhalten.