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Achtsamkeit im Dialog

Achtsamkeit im Dialog 

Für manche Menschen bedeutet zuhören, darauf zu warten, dass der andere Luft holt, um dann mit „das erinnert mich an…“ zur Unterhaltung „beizutragen“.

„Mehr zu hören, als zu reden – solches lehrt uns die Natur:
Sie versah uns mit zwei Ohren, doch mit einer Zunge nur.“

Gottfried Keller

„Wenn Menschen reden, höre ihnen zu. Da habe ich viel gelernt. Die meisten Menschen hören niemals zu.“

Ernest Hemingway

Dialog:

SIE:

“Gestern Abend war ich in der Tonhalle für Mozart’s Violin Konzert Nr 5, bekannt als the Turkish.“

ER:

“Welch‘ ein Zufall. Ich genoss gestern Beethoven’s Neunte Sinfonie …“

SIE:

“Mozart ist so beides, romantisch und voller Lebenslust. Ich war begeistert und ein bisschen traurig zugleich…” „

ER:

„Die ersten drei Sätze der Neunten sind nicht so bekannt, aber der vierte Satz…“

SIE (zögernd):

“…und meine Ehe und meine Zukunft ging mir während dem Konzert durch den Kopf…”

ER:

„Ja, lass uns mal darüber sprechen. Beethoven ist grossartig…”

 

Kommentar:

Dieser Dialog kann noch Stunden weitergehen und zu nichts führen, da keiner der beiden auch nur im Ansatz Interesse am anderen hat.

Ähnlich frustrierend sind Dialoge in denen spontan geantwortet wird (Kahneman’s System I), anstatt kurz zu überlegen, was wurde gesagt und was ist gemeint?

Sie kennen solche Beispiele?

 

Wenn man anderen wirklich zuhört, dann lernt man von deren Erfahrungen, Schmerz, Freuden und man erkennt, wie sie denken und fühlen.

Die Kunst des Zuhörens  ist ein Geschenk an den anderen, ein Zeichen von Respekt und Anerkennung und eine der Grundlagen für starke Freundschaften.

Warum dann sollten wir nicht alle achtsame Zuhörer werden?

Natürlich glauben wir alle, dass wir gute Zuhörer sind. Sind wir doch Freunde von guten Diskussionen*, argumentieren gerne, teilen unser Wissen mit – eventuell nur mit dem Ziel, den anderen zu zeigen, wie smart wir (Autor mit eingeschlossen) sind?

*Diskutieren, aus lat. „discutere“, dis = „auseinander“ und „cutere“ = „schlagen, stossen, stampfen.“

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Je älter ich werde, desto mehr glaube ich, dass zwischenmenschliche Probleme vor allem eine Folge von Missverständnissen und misslungener Kommunikation sind.

Das Problem ist, dass wir alle unterschiedliche Kommunikationsmuster haben, aber fatalerweise denken, dass der andere genauso denkt und kommuniziert wie wir.

Nun, so einfach ist das nicht. Es gibt keine zwei Menschen, die genau gleich denken oder gleich kommunizieren.

Wenn jemand etwas sagt, dann will er auch verstanden werden. Doch die meisten Menschen hören nicht zu, um zu verstehen –

sie hören zu, um zu antworten.

Und hier liegt der Hund begraben.

„Ich verstehe genau was du fühlst.“

Das nächste Mal wenn Sie diese Aussage auf der Zunge haben, könnten Sie einen kleinen Test machen:

Freund:

„Das hat mich richtig geärgert“

SIE:

Nun nicht „ich verstehe…..“, sondern:

„Was genau hat dich auf die Palme gebracht und warum eigentlich?“

 

Ich behaupte, wir werden häufiger als wir denken von den neuen Antworten überrascht sein. Probieren Sie es aus.

Wir projizieren unsere Lebenserfahrung auf den anderen Menschen, immer klar in der Annahme, dass alle so ticken wie wir – weil unser Denken für uns ja in der Tat das einzig Wahre ist.

Richtiges Zuhören bedeutet, die eigene Landkarte (unser Gegenüber lebt in seinem Land, mit seiner Lebenserfahrung und seinem Wissen) auf die Seite zu legen, GPS auf Ausland zu stellen, Karten auf den neuesten und neutralen Stand zu bringen und den Sender und seine Welt fühlen…

Dr. Ralph Roughten  hat dieses Thema besser als ich es jemals beschreiben könnte, auf seine Art zusammengefasst:

Wenn ich Sie bitte, mir zuzuhören und Sie fangen an mir Ratschläge zu geben, haben Sie nicht das gemacht, worum ich Sie gebeten habe. Wenn ich Sie bitte, mir zuzuhören und Sie fangen an mir zu sagen, weshalb ich mich nicht so fühlen sollte, trampeln Sie auf meinen Gefühlen herum. Wenn ich Sie bitte, mir zuzuhören und Sie haben das Gefühl, Sie müssen etwas tun, um mein Problem zu lösen, haben Sie mich, so seltsam das auch klingen mag, im Stich gelassen.

Hören Sie mir zu! Nur darum habe ich Sie gebeten: mir zuzuhören. Nicht zu sprechen oder irgendetwas zu machen – mich einfach nur anzuhören. Etwas tun kann ich selbst. Ich bin nicht hilflos. Wenn Sie etwas für mich tun, was ich selbst für mich tun kann und muss, tragen Sie zu meiner Angst und meinem Gefühl der Unzulänglichkeit bei. Wenn Sie es aber als eine Tatsache akzeptieren, dass ich mich so fühle, wie ich mich fühle, so komisch es auch wirken mag, brauche ich nicht mehr zu versuchen, Sie zu überzeugen und kann darangehen, zu verstehen, was hinter diesem komischen Gefühl steckt. Und wenn das klar ist, sind die Antworten offensichtlich und ich brauche keine Ratschläge.

 

Wenn Sie ein Gespräch nicht interessiert, dann lassen Sie es. Ohne Interesse kann man nicht richtig zuhören. Man tappt höchstens in die Falle, dass man nur so tut als ob, oder man hört nur teilweise hin und beides ist schlecht.

Ihr Gegenüber wird das erkennen und wertet es im schlimmsten Fall als herablassend und arrogant. Da sollte man lieber gleich ehrlich sein und ein Gespräch ablehnen.

Ich würde allerdings raten, sich Zeit zu nehmen. Neue Informationen können nur von Vorteil sein. Manche Gespräche wirken zu Beginn vielleicht langweilig oder unwichtig, können Ihnen aber im Laufe des Gesprächs zu einer völlig neuen Sichtweise verhelfen.

Selbst wenn das nicht geschehen sollte, können Sie durch interessierte Fragen das Gespräch in eine aufschlussreiche Richtung steuern.

 

Die Voraussetzung ist jedoch immer, dass Sie die Meinung des Sprechers respektieren.

Auf den ersten Blick sieht das so aus, als würde ich zur Leichtgläubigkeit raten.

Glaube alles, was dir erzählt wird.

Natürlich nicht. Der Punkt, um den es hier geht, ist das Vermeiden von Bewerten und Urteilen während dem Zuhören, vor allem bevor wir alle Einzelheiten und Hintergründe erfahren haben.

Versuchen Sie, das Gesagte so zu akzeptieren „wie es ist“ und richten Sie nicht über wahr oder unwahr. Denn, wenn Sie das machen, versäumen Sie oft kleine Hinweise oder eine versteckte Botschaft. Wenn Sie Ihren Sensor aber auf 100% Empfang und Akzeptanz einstellen, dann sind Sie im Hier und Jetzt und bereit, die gesamte Nachricht zu verstehen.

Was Sie dann damit machen ist Ihre Sache.

Es gibt Verhalten, Meinungen und Ansichten, die für uns richtig erscheinen, aber allein deshalb noch lange nicht relevant für jemanden anderen sein müssen.

Achtsamkeit funktioniert im Dialog  dann am besten, wenn wir unser eigenes Ego kennen und uns selbst mit Achtsamkeit beobachten.

„Jeder Fehler erscheint unglaublich dumm, wenn andere ihn begehen.“

(Georg Christoph Lichtenberg (1742-1799)