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Wohin will ich gehen?

Alice:  „Würdest du mir bitte sagen, welchen Weg ich einschlagen muss?“
Grinsekatze:  „Das hängt in beträchtlichem Maße davon ab, wohin du gehen willst.“
Alice:  „Oh, das ist mir ziemlich gleichgültig.“
Grinsekatze:  „Dann ist es auch einerlei, welchen Weg du einschlägst.“
Alice:  „Hauptsache, ich komme irgendwohin.“
Grinsekatze:  „Das wirst du sicher, wenn du lange genug gehst.“

Lewis Carroll, “Alice im Wunderland”

Alle Jahre wieder kommt nicht nur das Christkind mit den üblichen Geschenken und den Familientreffen, sondern auch das Ende des Jahres und für viele ist dieses mit Vorsätzen für das neue Jahr verknüpft. Meine letztjährige Anleitung war zwar für einige eine humorvolle Variante, aber wahrscheinlich ebenso erfolglos, wie alle anderen guten Ratschläge, die uns um diese Zeit ins Haus flattern.

Wenn Sie Michael Phelps (23 Goldmedaillen) kennen, dann ist Ihnen vielleicht Katie Ledecky keine Unbekannte (oben im Bild). Sie ist 19 Jahre alt. Während Michael Phelps einen Körper hat, der wie fürs Schwimmen gemacht scheint, hat Katie in dieser Kategorie nichts Aussergewöhnliches aufzuweisen. Das Aussergewöhnlichste, das Katie vorweist, ist, dass sie nicht aussergewöhnlich ist – und trotzdem kassiert sie Rekorde links und rechts. Sie schlug 13 Weltrekorde und hat bereits fünf Goldmedaillen gewonnen. Sie nahm als jüngste Teilnehmerin der USA an den Olympischen Sommerspielen 2012 teil und gewann über 800 Meter Freistil die Goldmedaille. 2013 und 2015 wurde sie Weltmeisterin im Freistil über 400, 800 und 1.500 Meter. 2015 ausserdem noch über 200 Meter und in der 4×200-m-Staffel.

Wie hat sie das geschafft?

Bestimmt nicht absichtslos, das ist sicher. Harte Arbeit, eine Strategie (Plan) und Umsetzungs-fähigkeit, die allen Top-Performern gemein ist. Burn-out gibt es im nassen Element auch nicht – und Erfolg ist eben selten zufällig.

Wir alle wissen, Ziele erreichen ist nicht so einfach wie Ziele setzen. Drei Jahre vor ihrer 2016er Medaillen-Einsammel-Aktion hatte sich Katie mit ihrem Coach auf ein paar Ziele geeinigt. Laut Washington Post waren diese Ziele „Big Fat Hairy Goals“ und haben sie dazu gebracht, abzusahnen. Im Sport sind Coaches selbstverständlich, sie helfen und unterstützen um Ziele zu erreichen und den Schwung beizubehalten. Wir alle könnten uns „Big Fat Hairy Goals“ setzen und was passiert, wenn das neue Jahr heranrollt oder heranfliegt? Wir haben unsere Vorsätze:

– Ab Dreikönig fange ich mit der Diät an und – dann schummeln wir mit uns.

Wir sagen, dieses Jahr werde ich weniger Geld für Unsinn ausgeben und – wir finden uns trotzdem über Budget wieder.

Ich werde mehr gute Bücher lesen und – sie verstauben doch weiterhin im Bücherregal.

Ich nehme mir Zeit für meine persönliche Weiterentwicklung und – gehe unter im Tagesgeschäft und vergesse, meine Passion zu leben oder zumindest einmal zu definieren.

Liegt es am Mangel unserer Wunschumsetzungsfähigkeit, wenn wir scheitern? Ich glaube nein. Wir alle haben eigentlich unsere Wünsche und Ziele und wir sind motiviert. Es ist uns klar, dass wir uns ernst nehmen sollen und Vorsätze haben immer auch etwas Positives an sich. Wir wollen, aber es kann sein, dass wir unsere Umsetzungsfähigkeit überschätzen, obwohl wir uns ernst nehmen. Wenn wir, anstatt Zeit mit Vorsätzen zu verschwenden, uns bewusst Zeit nehmen, um unser Jahr ernsthaft zu planen, dann erkennen wir, dass sich hinter den Vorsätzen Wichtigeres versteckt: nämlich die Regie für sein Leben übernehmen.

Wohin will ich gehen? Eine Kardinalfrage, die nicht im Vorbeigehen beantwortet werden sollte. Auch eine Frage, die sich eventuell erst über Jahre herauskristallisiert und die einem Wandel unterliegt. Deshalb könnte ein Anfang sein, sich zu fragen:

„Was werde ich tun und unternehmen, damit 2017 für mich besser wird, als 2016?“

Das bedeutet nicht, dass 2016 schlecht war, sondern vielmehr befriedigt diese Frage unser Streben nach Wachstum und eliminiert Zufriedenheit, was – für mich in meiner Welt – ein anderes Wort für Stillstand ist. Wenn man Erfolgreiche beobachtet, ihren Werdegang hinterfragt, erhält man Antworten, die häufig deckungsgleich sind. Sie mögen für den Einzelnen nicht unbedingt Nutzen bringen, können jedoch als Denkanstoss dienen. Hier nun sieben Gedanken, die helfen, seinen Weg zu gehen:

1Zurückblicken

Es ist es wert, über das vergangene Jahr zu reflektieren. Was hat man in 2016 gelernt, was sich in 2017 anwenden lässt? Was waren die Erfolge und magischen Momente in 2016? Sich über die Finanzen, Beziehungen und Familie Gedanken machen und von allen Seiten betrachten:

„Was waren die drei Dinge, die fantastisch waren, die zwei Dinge, die zwar gut waren und verbessert werden können und was war die eine Sache, die es auf jeden Fall zu vermeiden gilt?“ [1]

Auf was bin stolz, was habe ich gelernt und welche Erfahrungen, positiv und negativ, habe ich gesammelt? Durch die Journale, den Kalender und Notizen gehen, den Jahresrückblick geniessen, mit der Vision, die man letztes Jahr hatte, vergleichen und dann das nächste Jahr planen.

2. Letztjährige Misserfolge und Niederlagen umarmen

Das alte Jahr ist vorbei. Nichts lässt sich rückwirkend ändern (ausser Steuergesetze). Jede Niederlage – und es wird auch in 2017 welche geben – entwickelt uns als Mensch weiter. Wir liegen einfach oft falsch, weil wir uns so gerne ab und an überschätzen. Die Fehler positiv sehen meint nicht, wie bei der Diagnose für Leukämie des eigenes Kindes zu denken: Prima, spare ich mir die Schulausbildungskosten, sondern meint, Fehler und Erfahrungen mit allem Schmerz zu akzeptieren und das Beste daraus zu machen. Kreieren, anstatt als Opfer zu reagieren. Alle Ergebnisse sind das Resultat eines Prozesses. Prozesse sind nie falsch, Prozesse führen zum richtigen Ergebnis. Ist dieses Ergebnis nicht, was ich will, dann gilt es, den Prozess zu ändern. Das liegt einzig und allein in meiner Verantwortung. Dies ist der positive Umgang mit Niederlagen. Man darf sich selbst für seine Unzulänglichkeiten vergeben und Absolution erteilen. Wir vergeben anderen, also warum nicht auch der Person, die uns am nächsten steht: uns selbst.

3. Wertschätzen und ausdrücken

Erntedankfest ist das Fest nach der Ernte im Herbst, bei dem wir uns für die Gaben der Ernte bedanken. Wertschätzung hilft, eine positive Weltanschauung zu unterstützen, besonders im Hinblick auf all das Negative, das uns die Medien um die Ohren hauen. Die Wissenschaft bestätigt, wertschätzen zu können, hat nur positive Nebenwirkungen. Warum nicht alles Gute, was einem im letzten Jahr beschert wurde, auf einem Blatt Papier oder besser im Journal notieren. Welche Personen (habe ich vergessen, meine Wertschätzung mitzuteilen?), welche Opportunitäten und welche Erlebnisse waren wichtig für mich? Auf was bin ich stolz, was habe ich besonders gut gemeistert und was will ich wiederholen? In dieser Wertschätzungsstunde darf man angeben, ist sie doch nur für einen selbst. So mindestens 50 Notizen sollten da rückwirkend zusammenkommen. Als ob man im E-Mail Ordner eine Untergruppe „Das Gute – mir passiert oder von mir kreiert“ eingerichtet hätte. Erinnert man sich täglich jeden Abend der drei Dinge, für die man heute dankbar ist, dann wären das 1.095 per anno. Wofür will ich Ende nächsten Jahres, wenn ich dann diese Übung für 2017 durchführe, besonders dankbar sein?

4. Big Fat Hairy Goals

Nicht zu wissen, wohin es gehen soll, mag für Alice im Wunderland funktioniert haben. Für uns, obwohl Ziele oft überbewertet und manchmal nicht konsequent durchdacht sind, ist es erstrebenswert, zu reflektieren, was man denn will. Eine klare Vorstellung/Vision von dem, was man im nächsten Jahr erreichen will und warum, hilft, Kontrolle und Autonomie zu erreichen. Der kritische Faktor in dieser Frage ist das „Warum“. Wer bin ich, was will ich erreichen, was ist es, was mir dieses tief befreiende Lächeln in mein Gesicht zaubert, auch wenn ich ganz alleine bin? Was wir wirklich wollen (wenn realistisch), erreichen wir auch – doch wenn unsere Ziele nicht wirklich unsere Ziele sind, warum sollten wir sie dann erreichen? Also nicht anderen gefallen wollen, sondern ehrlich und echt sich selbst wertschätzen. Welcher Traum wartet auf seine Erfüllung? Big Fat Hairy Goals definieren und diese mit ganz kleinen Schritten, so klein wie möglich, angehen. Bei jeder Zielvereinbarung mit sich selbst hilft die Frage: „Wenn ich dieses Ziel erreicht habe, was gibt es mir dann, was ich heute noch nicht habe?“ Wenn man alle seine Ziele erreicht, dann waren sie vielleicht nicht hoch genug……?

5. In verdauliche Häppchen zerlegen

Genug ist geschrieben darüber, wie man Ziele formuliert (SMARTER). Natürlich hilft es dem Unterbewusstsein, wenn die Ziele so klar definiert sind, dass sie ein Vierjähriger versteht. Ziele können als erstes in Kategorien eingeteilt werden: „Geben und Beitragen, Familie, persönliche Entwicklung und Job.“ Das Big Fat Hairy Ziel mag zum Beispiel vier Quartalsunterziele und diese, vier Wochenunterziele, haben. Das grosse Ziel im Auge behalten und im Hier und Jetzt an verdaubaren Monats-, Wochen- und Tageszielen arbeiten, damit man Teilerfolge feiern kann. Nichts beflügelt und motiviert mehr, wie Unterziele oder Etappen erfolgreich abzuschliessen. Auch die Tour de France wird über Etappensiege gewonnen. Der Tag ist unsere Woche, ist unser Monat und wird unser Jahr.

6. Planen, um umzusetzen

Ziele allein bringen gar nichts. Ziele sind nicht mehr als Willenserklärungen, Träume und ansonsten zu gar nichts zu gebrauchen. Ziele festlegen ist so viel einfacher, als Ziele zu erreichen. Wenn wir den neuen Jahreskalender vor uns haben, dann tragen wir den Urlaub ein – und oft: fertig. Jeder um uns herum hat seine eigene Agenda und wenn wir unsere für uns selbst nicht festlegen, dann rauscht das Jahr an einem vorbei und nichts war mit den eigenen Zielen, weil andere den Platz im Kalender schon reserviert haben. Das Planen im Kalender macht den gesamten Zielprozess taktisch und praktisch. Vom Endziel rückwärts über Quartal, Monat und Woche auf den Tag. Das kann sich überwältigend anfühlen, wird aber einfacher mit der Frage: „Was ist die eine Sache, die ich unternehmen kann, die alles andere einfacher macht?“

7. Zeit für sich nehmen

Es war Kostolany, der sagte: „Es ist besser eine Stunde über mein Geld nachzudenken, als eine Woche dafür zu arbeiten.“ Das gleiche gilt für das Leben. Über sich reflektieren, erhöht nicht nur die eigene Achtsamkeit, sondern auch die für andere. Es sind genau 1.440 Minuten, die man täglich auf seinem Zeitkonto gutgeschrieben bekommt. Man kann keine einzige Minute sparen, sie vergeht wie in der Eieruhr, ein Sandkorn nach dem anderen. Zeit hat man nicht, die nimmt man sich. Eine wöchentliche „Persönliche Strategie Session“ (PSS) mit sich selbst, um seinen Fortschritt zu beobachten und zu planen, um eventuell die Torpfosten zu verschieben oder um seine Prozesse, die zu einem nicht erwarteten Ergebnis geführt haben, zu revidieren, sollte man erübrigen können, weil man es sich wert ist. Vielleicht, wenn Sie wirklich nichts am Hut haben mit Vorsätzen oder mit Zielen, wäre es vorteilhaft, diese Aus-Zeit pro Woche durchzuführen und damit eine Möglichkeit, alle Ihre Vorsätze, Visionen, Träume, Ideen, Pläne, Etappenziele……, Schritt für Schritt zu erreichen.

[1] Gelernt im innovation.tank

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