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Heute kennt man von allem den Preis, von nichts den Wert.

Oscar Wilde, Lady Windermeres Fächer III

Zu Beginn einer Coaching-Beziehung taucht immer die Frage auf: “Was und welches Ergebnis willst du mit dem Coaching erreichen?” Coaching ist ziel- und lösungsorientiert. Die kürzeste Variante dieser Frage ist: „Was willst du von mir?“

„Ach, ich möchte einfach glücklich(er) sein“, ist eine Antwort, auf die ich normalerweise mit einem Lächeln antworte: „Tatsächlich, habe ich noch nie gehört!“.

Glücklich sein wollen wir alle – und doch, wenige sind wirklich richtig glücklich. Wir jammern, streiten uns und ärgern uns. Meist über andere. Wir bezeichnen den Verkehrsrowdy als Idioten und bewerten und verurteilen Menschen, die uns zufällig begegnen.

Themen können sein: Diesel, Brexit, Trump oder nur bedingt bereite Regierungsflugzeuge. Der Wirtschaftskrimi Gorch Fock und eventuelle Absprachen in der Automobilindustrie, keine Partikelfilter in Otto-Motoren einzubauen, kommen noch hinzu.

„Der Kapitalismus ist ein funktionierendes System“, sagt der Dalai-Lama, „aber was ihm fehlt, ist Mitgefühl.“ Der weise Mann hat Recht. In der berühmten Maslowschen Bedürfnispyramide nehmen die materiellen Bedürfnisse auf der untersten Pyramidenstufe den grössten Raum ein. In die höheren Etagen, zur Befriedigung immaterieller Bedürfnisse, dringen die meisten Menschen auch und gerade in den Wohlstandsregionen kaum jeweils vor, da das gegenwärtige System sie auf die materielle Ebene fixiert. Dabei hat die Wissenschaft längst nachgewiesen, dass wir durch immer mehr materiellen Besitz und Konsum nicht glücklicher werden – im Gegenteil. Zweitwohnung, Drittwagen und die jeweils allerneuesten Digitalfetische steigern nicht unsere Zufriedenheit, sondern nur unsere Abhängigkeit von materiellem Konsum.[1]

Losgelöst von den gesellschaftlichen und Umweltproblemen, die wir in Angriff nehmen müssen, können wir unser persönliches Glück in die eigene Hand nehmen. Letztendlich ist die Formel für mehr glücklich sein bekannt. Glücklich sein ist eine Einstellungssache und unterliegt deiner Kontrolle. Bin ich jeden Tag superglücklich? Nicht immer, aber immer häufiger.

Manchmal unterliegen wir dem Fehlschluss, dass es X braucht, um glücklich zu sein. Kann sein. Oft sind es einfache Dinge, denen man hinterherjagt. Lass mich raten:

Neues Haus oder Wohnung ?

Anderen Job oder Beförderung?

Eigenes Geschäft aufziehen und Freiheit erlangen?

Oder das Geschäft soll mehr Umsatz generieren?

Mehr „Friends“ oder „Likes“ in den sozialen Netzwerken?

Ein neues Auto?

Partnerschaft, Heiraten, Familie, Kinder?

Ein bestimmtes Restaurant besuchen?

Urlaub in X?

Die Liste der menschlichen Bedürfnisse ist nicht so lang. Wir sind einfache Wesen, zumindest was die Wünsche angeht. Da sind wir alle mehr oder weniger gleich – ziemlich berechenbar. Jeder deiner Webbrowser weiss genau, was dich im Moment interessiert – und die entsprechende Konsumverführung popped auf. Und wir sind undankbar. Wir schätzen viele Werte falsch ein, und/oder wir lassen es bleiben, die wichtigen Dinge zu würdigen – wir nehmen vieles als Selbstverständlichkeit hin.

Wir wollen glücklich sein. Glücklich zur Arbeit gehen (und tagsüber glücklich bleiben), glücklich nach Hause kommen und uns freuen, dass unsere Freundin, Freund, Partner glücklich sind und uns wertschätzen.

Das erreichst du am einfachsten, wenn du wertschätzend durch dein Leben gehst und dein Umfeld zu würdigen weisst.

Vielleicht hast du von A.J. Jacobs und seinem Buch „Thanks A Thousand: A Gratitude Journey“ gehört. Er entschied, nach einer Tasse Kaffee in einer Espressobar, jedem Einzelnen persönlich zu danken, der selbst die kleinste Rolle bei der Zubereitung des morgendlichen Kaffees hatte. Das ergab eine Liste von mehr als 1.000 Menschen, weil er in die Tiefe ging. Also dankte er dem Bauern für die Kaffeebohnen und natürlich auch beim Barista. Und er dankte dem Designer für das Logo, dem LKW-Fahrer, der die Kaffeebohnen fuhr, dem Kerl, der die gelben Linien auf die Strasse gemalt hat, damit der LKW sicher im Verkehr unterwegs war. Er dankte dem Erfinder der Kartonhülle um den Becher, die hilft, damit man sich nicht die Finger verbrennt. Diese Ärmel haben übrigens einen Namen. Sie werden „Zarfs“ genannt – und die gibt es seit Jahrhunderten. Damals wurden sie meist aus Silber, Gold oder Kupfer hergestellt.

Seine Idee war es, aufzuzeigen, dass an jedem kleinen Teil unseres Lebens Tausende von Menschen beteiligt sind – und wir dies für selbstverständlich halten. Dankbar, wertschätzend zu sein und zu würdigen ist eine Disziplin. Für die meisten von uns ist sie nicht selbstverständlich.

Zu lernen, dankbar zu sein, ist eines der wichtigsten Dinge, die ich in meinem Leben gelernt habe. Denn, wie die Psychologie dir sagt: „Dankbarkeit ist ein Schlüssel zum Glück, wenn nicht der Schlüssel zum Glück.“

Nicht das Glücklichsein führt zur Dankbarkeit, sondern das Dankbarsein zum Glücklichsein.

David Steind-Rast

Was, wenn dein Umfeld undankbar ist? Teile ihnen mit, warum Dankbarkeit sinnvoll ist – aber versuche nicht, sie zu überzeugen. Erstens hören die meisten nicht wirklich zu und zweitens, verändern wir uns nur, wenn wir wirklich den Wunsch haben, uns zu verändern.

Das Leben ist wunderbar. Geniesse jedes Essen so, als ob es dein bestes ist. Für die Hartgesottenen die harte Version: Geniesse jedes Mahl, wie dein Abendmahl. Wertschätze die Menschen um dich herum. Sage danke. Denke daran, sie könnten die Dinge, die sie tun, auch nicht tun. Egal wie viel andere für dich tun, gib grossartige Wertschätzung zurück.

Schätze den Taxifahrer, der dich von X nach Y fährt oder den Flugbegleiter, der dir deine Cola oder den Tomatensaft reicht. Sage danke zu deinem Boss.

Und, geniesse und wertschätze, wo du im Leben gerade stehst. Du lebst – das ist an sich schon was Gutes. Du bist gesund und hast die Freiheit zu tun, was du für richtig hältst. Danke deinen Eltern, ohne sie wärst du nicht hier.

Wie ein kleines Geheimnis –  und es liegt in der Hand jedes Einzelnen: Für manche Menschen ist es nie genug – egal wie sie leben und was sie haben. Auf der anderen Seite gibt es Menschen, die geizen mit Erwartungen und wertschätzen und würdigen alles, was auf sie zukommt. Vermeide das erstere und wertschätze das zweite.

Weniger werten und mehr wertschätzen
führt zum Mehrwert für alle.

Peter F. Keller


[1] Auszug Intro in Anders Indsets Buch: Quantenwirtschaft: Was kommt nach der Digitalisierung?

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