Wie kriegt man den Schuh in den Kühlschrank? Genauso wie den Elefanten: Tür auf, Schuh rein und Tür zu. Ich nehme an, Sie wie ich, haben selten Schuhe im Kühlschrank verlegt, obwohl es Gründe gibt, dies zu tun. Zum Beispiel, schwören manche darauf, dass unangenehm riechende Turnschuhe ihren Geruch verlieren, wenn man sie einige Stunden ins Tiefkühlfach legt. Im Hochsommer vielleicht eine gute Idee. Andere Dinge kann man schon verlegen. Wo ist denn der Schlüssel schon wieder? Warum ist der nicht an seinem Platz? Da verbrechen wir so manche Details im Laufe des Tages, die uns ärgern, uns ein schlechtes Gefühl geben oder uns denken lassen, dass wir beinahe schon reif für die Klapsmühle sind.

Genauso beeinflussen uns vielleicht die Dinge, die erledigt werden sollen, wir aber schon tagelang vor uns herschieben. Wir tun oder unterlassen oftmals nur Kleinigkeiten und wir fühlen uns nicht wirklich gut dabei. Andere Aufgaben werden schlicht und einfach vergessen. Wie gehen wir eigentlich mit uns selbst um? Ist der Umgang mit sich selbst vielleicht eine Indikation, wie man mit anderen umgeht, respektive andere beurteilt?

„Die Pflichten gegen uns selbst sind die wichtigsten und ersten, und also ist der Umgang mit unsrer eignen Person gewiss weder der unnützeste, noch uninteressanteste. Es ist daher nicht zu verzeihen, wenn man sich immer unter anderen Menschen umhertreibt, über den Umgang mit Menschen seine eigne Gesellschaft vernachlässigt, gleichsam vor sich selber zu fliehen scheint, sein eigenes Ich nicht kultiviert, und sich doch stets um fremde Händel bekümmert.“

Adolph Freiherr Knigge

Da hat man Konflikte, beurteilt sich, hat diese nicht stoppenden inneren Dialoge und scheint, sich im Kreis mit sich selbst zu drehen, als ob man nicht besseres zu tun hätte.

Umgang mit sich und anderen ist eine Frage der Etikette und beinhaltet Kommunikation. Klar ist Kommunikation ein Phänomen, wenn man anfängt, darüber nachzudenken. Sie ist ein Austausch oder eine Übertragung von Information und Information lässt sich unterteilen in Wissen, Erkenntnis, Erfahrung und Empathie. Austausch meint Senden und Empfangen. Es geht darum, dass Gedanken, Vorstellungen und Meinungen ein Individuum verlassen und in ein anderes „hineingelangen“. Das ist alltäglich und verläuft meist automatisch und scheint nicht problematisch. Dabei gibt es zwei Fragen, die einen beschäftigen können. Was geschieht genau, wenn wir die Verbindung zu unserer einfühlsamen Natur verlieren und uns schliesslich gewalttätig und ausbeuterisch verhalten? Und umgekehrt, was macht es manchen Menschen möglich, selbst unter widrigsten Umständen cool mit ihrem einfühlsamen Wesen in Kontakt zu bleiben? Unsere Sprache und unsere Wortwahl spielen dabei eine relevante Rolle. Ob man sich mit sich selbst oder mit anderen unterhält (umgeht), unterliegt den gleichen Kommunikationsmodellen.

Eines dieser Modelle, „Gewaltfreie Kommunikation“ (GFK) nach Marshall Rosenberg (1934-2015), bietet sich an, genauer untersucht zu werden, da GFK hilft, Konflikte mit anderen und auch mit sich selbst zu vermeiden, gerade in den Momenten, wenn man sich selbst auf die Nerven geht. Unternehmen, Geisel-Verhandlungsführer, Mediatoren, Therapeuten und Coaches bedienen sich der vier Schritte der Rosenbergschen GFK-Methode. Wenn es denen hilft, dann lässt sich das auch für einen selbst einsetzen. Die Theorie (im Gegensatz zu einer Hypothese) findet ihre Wurzeln in dem Glauben, dass alle Menschen die gleichen Grundbedürfnisse haben, inklusive die Verlangen, gehört, verstanden, wertgeschätzt und respektiert zu werden. Konflikte entstehen, wenn Worte als Attacke oder als Bedrohung empfangen werden und zum Machtkampf führen. Das Ziel der GFK ist es, einen sinnvollen Dialog zu führen, um die Bedürfnisse der Beteiligten zu bedienen, nicht um zu gewinnen, sondern um menschlich zu bleiben. Aus gewohnheitsmässigen, automatischen Reaktionen werden bewusste Antworten, die fest auf dem Boden unseres Bewusstseins dessen stehen, was wir wahrnehmen, fühlen und brauchen. Die Methode besteht aus vier Schritten:

Beobachten (1), Gefühl (2) und Bedürfnis (3) erkennen und eine Bitte aussprechen (4).

1. Beobachten, ohne zu bewerten

Der GFK-Prozess beginnt mit einer neutralen Beobachtung. Im Gespräch geschieht das am einfachsten, indem man dem anderen zu verstehen gibt, dass man ihn verstanden hat – rekapitulieren ohne emotionale Interpretationen oder Beurteilungen, die sowieso nur in unserem Hirn entstehen und unsere Story ins Spiel bringen. Kommentare die mit „ich“ beginnen, „ich höre du sagst“ sind besser, als „du hast gerade gesagt“.

Beispiel:

A: „Wir müssen etwas mit den illegalen Immigranten unternehmen, die nehmen Arbeitsplätze weg, und Menschen wie Dir, denen ist das Schnuppe.“

B: „Ich höre Du sagst, dass Du Dir um deine Job-Sicherheit Sorgen machst und andere Menschen im Land dieses Problem ignorieren.“

Mit diesem Tool verlangsamt sich die Unterhaltung, zwingt beide Parteien zu mehr Klarheit und zur Reflexion. Einfacher gesagt als getan, das bedingt Übung. Wenn wir eine andere Meinung haben, uns gestört oder beunruhigt fühlen, dann tendieren wir dazu, zu widersprechen und fangen an zu streiten und zu diskutieren (lat: „discutere“, dis = „auseinander“ und „cutere“ = „schlagen, stossen, stampfen“).

Eine Mutter: „Felix, wenn ich zwei Paar Socken unterm Kaffeetisch finde und nochmal drei neben dem Fernseher (1), dann fühle ich mich irritiert (2), weil ich mehr Ordnung haben möchte (3), in den Räumen, die wir gemeinsam benutzen.“ Danach folgt sie dieser Aussage mit einer konkreten Bitte: „Wärst du bereit, deine Socken entweder in deinem Zimmer zu verwahren oder in die Waschmaschine zu packen?“ (4)

Das Beurteilen geht uns so schnell von der Hand. Wenn Sie möchten, kennzeichnen Sie jene Aussagen, die nur Beobachtung ohne Bewertung darstellen.*

1. „John war gestern grundlos ärgerlich mit mir.“

2. „Gestern Abend kaute Nancy an ihren Fingernägeln, während sie vor dem TV sass.“

3. Während des Meetings fragte Sam nicht um meine Meinung.“

4. „Mein Vater ist ein guter Mensch.“

5. „Janice arbeitet zu viel.“

6. „Henry ist aggressiv.“

7. „Pam war jeden Tag die Woche als erste da.“

8. „Mein Sohn putzt manchmal seine Zähne nicht.“

9. „Luke sagte mir, dass mir Gelb nicht steht.“

10. „Meine Tante beklagt sich, wenn ich mit ihr spreche.“

Bewertend: 1, 4, 5, 6, 8, 10
Neutral: 2, 3, 7, 9

2. Gefühle wahrnehmen und ausdrücken

Über seine Emotionen sprechen. Wenn man gehört werden will, bringt das Mitteilen der Gefühle mehr als ein politisches Statement. Im Beispiel oben könnte B sagen: „Fühlst du Dich bedroht und nicht respektiert?“ anstatt zu referieren und zu argumentieren, dass auch Immigranten Rechte haben.

Das kann schwierig werden, geht es doch nur darum, die eigenen Gefühle auszudrücken, anstatt vorzuwerfen oder zu tadeln. „Ich fühle als…“ wird normalerweise benutzt, um eine Meinung abzugeben und ist ein Synonym für „denken“. „Ich fühle mich missverstanden“ bedeutet, „Du verstehst mich nicht“ und beinhaltet subtil Tadel. „Ich fühle mich verletzt“ impliziert, dass der andere etwas falsch gemacht hat. Es ist hilfreich, zu unterscheiden zwischen Wörtern, die beschreiben, wenn wir andere beurteilen und Wörter, die tatsächlich unser Gefühl ausdrücken. Nachfolgend ein paar Beispiele, die leicht als Gefühlsäusserungen missverstanden werden, obwohl sie nur ausdrücken, was wir von den anderen denken.

„Meine Arbeitskollegen halten mich für nicht wichtig.“

„Ich fühle mich missverstanden.“

„Ich fühle mich vernachlässigt.“

„Ich fühle mich angegriffen.“

„Ich fühle mich ungeeignet, Gitarre zu spielen.“

Im letzten Beispiel beschreibe und beurteile ich meine Fähigkeit, Gitarre zu spielen. Das ist kein Gefühl. Gefühle ausdrücken wäre: „Ich bin enttäuscht über mein Gitarrespielen, ich bin ungeduldig mit mir als Gitarren-Spieler, ich bin frustriert über mein Gitarrenspiel.“ Haben Sie Lust nochmal anzukreuzen, welches wirklich Gefühle sind?

1. „Ich fühle, du liebst mich nicht mehr.“

2. „Ich bin traurig, dass du gehst.“

3. „Ich habe Angst, wenn du das sagst

4. „Wenn du mich nicht begrüsst, dann fühle ich mich vernachlässigt.“

5. „Ich bin glücklich, dass du da bist.“

6. „Du bist abscheulich.“

7. „Ich fühle, als ob ich dich schlagen möchte.“

8. „Ich fühle mich missverstanden.“

9. „Ich fühle mich gut mit dem, was du für mich erledigt hast.“

10. „Ich bin nutzlos.“

(kein Gefühl: 1, 4, 6, 7, 8, 10)

3. Bedürfnisse: Die Verantwortung für die eigenen Bedürfnisse übernehmen

Hinter unseren Gefühlen stehen die Bedürfnisse. Jegliche negative Emotion, die wir empfinden, hat ihren Ursprung in mindestens einem nicht befriedigten Bedürfnis. Unbefriedigte Bedürfnisse führen nicht zu Zufriedenheit. Was andere sagen oder tun, mag zwar als Stimulanz wirken, ist aber niemals die Ursache dessen, was wir fühlen. Jemand anderes kann uns nicht zur Weissglut bringen, nur wir selbst. Wenn jemand negativ mit uns kommuniziert, haben wir vier Optionen zur Auswahl: (1) uns selbst die Schuld geben, (2) den anderen die Schuld geben, (3) unsere Gefühle und Bedürfnisse erkunden oder (4) die Gefühle und Bedürfnisse (die in der negativen Aussage versteckt sind) des anderen erkunden. Beurteilungen, Kritik, Diagnosen und Interpretationen sind meist zweckentfremdetes Ausdrücken unser eigenen Gefühle, Werte und Bedürfnisse. Nochmal Lust, die Statements auszuwählen, die eigenverantwortliche Bedürfnisse ausdrücken?

1. „Du irritierst mich, wenn du die Geschäftsunterlagen auf dem Boden verteilst.“

2. „Ich werde ärgerlich, wenn du das sagst, weil ich möchte Respekt erfahren und empfinde deine Worte als beleidigend.“

3. „Es frustriert mich, wenn du zu spät kommst.“

4. „Es macht mich traurig, dass du nicht zum Abendessen kommst, weil ich gehofft hatte, dass wir den Abend miteinander verbringen würden.“

5. „Ich bin enttäuscht, weil du gesagt hast, du würdest es erledigen und es nicht getan hast.“

6. „Ich bin entmutigt, weil ich dachte, ich wäre schon viel weiter.“

7. „Es sind manchmal die Kleinigkeiten, die die andere sagen, die mich verletzen.

8. „Ich bin glücklich, dass du den Preis gewonnen hast.“

9. „Ich fühle mich eingeschüchtert, wenn du laut wirst.“

10. „Ich bin dir dankbar, dass du mich nach Hause fährst, will ich doch vor meinen Kindern da sein.“

(eigenverantwortliche Gefühle: 2, 4, 6, 10)

4. Um das bitten, was unser Leben bereichert

Bitten werden zu Forderungen, wenn der andere glaubt, dass das Nichterfüllen Konsequenzen, wie Bestrafung oder Tadel, nach sich zieht. Bei Forderungen sehen die Menschen zwei Optionen: Unterwerfung oder Rebellion. In jedem Fall wird eine Forderung als Zwang verstanden und reduziert die Fähigkeit des Beziehers, mitfühlend zu reagieren. Es ist dann eine Bitte, wenn der Fragende Empathie mit dem Empfänger hat und dieser „Nein“ sagen kann, ohne das Gesicht zu verlieren.

Was möchten wir vom anderen, um unser beider Leben zu bereichern? Wir versuchen, vage, abstrakte, oder mehrdeutige Formulierungen zu vermeiden. Je klarer wir kommunizieren, was wir wollen, umso häufiger kommen wir voran. Wir verwenden positive Aktions-Sprache, um mitzuteilen, was wir möchten und nicht, was wir vermeiden möchten. Zum Beispiel in inneren Dialog: Ich will nicht weniger essen (etwas vermeiden), sondern ich werde mehr Sport treiben (auf etwas zugehen). Da die Nachrichten, die wir senden, missverstanden werden können, gilt es, präzise zu formulieren, worum es denn eigentlich geht. Um zu sehen, ob Sie mit Herrn Rosenberg übereinstimmen, hier nochmals zehn Aussagen und Sie können jene kennzeichnen, die Klarheit ausdrücken:

1. „Ich möchte, dass du mich verstehst.“

2. „Ich will, dass du mir eine Sache mitteilst, die ich gut gemacht habe und die du schätzt.

3. „Ich möchte, dass du mehr Selbstvertrauen hast.“

4. „Ich möchte, dass du aufhörst zu trinken.“

5. „Ich will, dass du mich mich sein lässt.“

6. „Ich möchte, dass du mir ehrlich über das Treffen gestern berichtest.“

7. „Fahre bitte nicht schneller als die erlaubte Geschwindigkeit.“

8. „Ich möchte dich besser kennen lernen.“

9. „Ich will dass du meine Privatsphäre respektierst.“

10. „Ich möchte, dass du häufiger das Abendbrot zubereitest.“

(klarer Ausdruck einer spezifischen Bitte: 2, 7,)

 

Die vier Schritte in der GFK können auch benutzt werden, um die eigenen Bedürfnisse und inneren Konflikte besser zu managen. Dies bedeutet, zu erkennen, was in einem abläuft. Erkennt man die Bewertung, die man mit sich selbst vornimmt, die Gefühle, die man in sich auslöst und die Bedürfnisse, die man eigentlich wirklich hat – oder läuft man auf Autopilot? In der Ruhe liegt die Kraft, will sagen, man nimmt sich Zeit, um über sich achtsam zu reflektieren. Was fühle ich, was hat es ausgelöst, welches meiner Bedürfnisse verletze ich und wie entscheide ich jetzt, wie ich damit umgehe? Laut einer Harvard-Studie rennen wir zu mehr als 46% im Autopilot-Modus durch unseren Tag. Über sich reflektieren benötigt Zeit die man sich nimmt und bedeutet, das Steuer in die Hand zu nehmen.

Rosenberg im Buch:

„Auf einer tieferen Ebene ist GFK (mit anderen und sich selbst) eine ständige Mahnung, unsere Aufmerksamkeit in eine Richtung zu lenken, in der die Wahrscheinlichkeit steigt, dass wir das bekommen, wonach wir suchen.

Es gibt da die Geschichte von einem Mann, der unter einer Strassenlaterne auf allen vieren etwas sucht. Ein Polizist, der gerade vorbeikommt, fragt ihn, was er da macht. „Ich suche nach meinen Autoschlüsseln“, erwidert der Mann, der scheinbar beschwipst ist. „Haben Sie die hier verloren?“ erkundigt sich der Beamte. „Nein“. Antwortet der Mann, „ich habe sie auf dem Weg verloren.“ Als er den verblüfften Gesichtsausdruck des Polizisten sieht, fügt er schnell hinzu: „Aber das Licht ist hier viel besser.“

Die eigene Wahrnehmung trainieren, damit das Licht der Bewusstheit in eine Richtung scheint, die das Potenzial hat, mir das zu geben, wonach ich suche. Was ich in meinem Leben möchte, ist Einfühlsamkeit, ein Fluss zwischen mir und anderen, der auf gegenseitigem Geben von Herzen beruht.“

Nonviolent Communication, Marshall Rosenberg (alle Fragen frei aus der englischen Ausgabe übersetzt)

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