Ein unzertrennliches Paar
Manchmal erwarten wir einfach zu viel. Von anderen, von uns selbst, vom Leben. Der Job, der die hundertprozentige Erfüllung bringen soll, eine Partnerschaft, die ohne Konflikte auskommt, eine Karriere, die immer steil nach oben führt, ein Körper, der nicht altert und niemals krank wird …
Wunsch und Wirklichkeit liegen bei diesen Beispielen oft so weit auseinander, dass eine derart extreme Anspruchshaltung unweigerlich zu Enttäuschung führt, die nicht selten in Motivationsverlust, pessimistischem Denken und Verringerung des Selbstwertes münden.
Wenn Erwartungen nicht erfüllt werden, dann sind wir enttäuscht, frustriert und verärgert.
Aber hier, wie überhaupt, kommt es anders als man glaubt.
Wilhelm Busch
Die meisten Erwartungen sind Vorstellungen, Annahmen oder Wünsche, wie etwas oder jemand zu sein hat, ein in Stein gemeißeltes Bild der Zukunft auf Basis der eigenen Auffassungen von richtig und falsch. Es sind meistens einseitige Gefühlsregungen und Hypothesen.
Wir erwarten etwas von anderen. Und hier ist der Hund bereits begraben. Erwartungen haben kein wirkliches Glückspotenzial:
Es gibt keinen Grund zur Freude, wenn die Erwartung erfüllt wird. Denn das haben wir ja so erwartet. Wird die Erwartung nicht erfüllt, dann sind wir unzufrieden und enttäuscht. Also, das beste Ergebnis ist neutral und Enttäuschungen sind im Zusammenhang mit Erwartungen vorprogrammiert
In der Erwartung kreieren wir uns eine Welt, wie wir sie gerne hätten. Die Welt ist jedoch, wie sie ist und richtet sich nicht nach unseren Erwartungen. Deshalb sind Erwartung und Enttäuschung ein unzertrennliches Paar.
In der Erwartung machen wir uns die Welt ein Stück „sicherer“. Wir beruhigen damit unsere Unsicherheiten und Ängste in der Zukunft. Nicht alle Erwartungen sind per se „schlecht“, aber es gibt bessere Alternativen:
Vereinbarungen
Mit einer Vereinbarung gewinnen wir die Verantwortung für unser Leben und unseren Geist zurück. Vereinbarungen sind ein gegenseitiges Übereinkommen zwischen den Parteien.
Vereinbarungen funktionieren, weil sie mit Respekt und nicht mit Zwang geschaffene Versprechen sind. Falls notwendig, können Abweichungen vom „was, wenn, wo und wie“ gemeinsam erörtert und entschieden werden.
Vereinbarungen können neu verhandelt werden
Wenn eine Erwartung nicht erfüllt wird, dann sind wir betrübt. Wenn sich eine Abmachung als ungenügend erweist, können wir die Mängel in einer neuen Vereinbarung beheben.
Wie können wir mit Erwartungen besser umgehen?
Indem wir unsere Achtsamkeit erhöhen und unseren Erwartungshorizont hinterfragen. Achtsamkeit ist zwar nicht alles, aber sie erhöht – nicht nur in meiner Welt – die Lebensqualität. Der Begriff Achtsamkeit hat seine Wurzeln im Buddhismus als eine Funktion des „Reinen Beobachtens“. Jeder Mensch hat die Fähigkeit, seine Aufmerksamkeit bewusst und mit Absicht zu lenken. Worauf du deine Aufmerksamkeit richtest, bestimmt, wie du dich selbst und die Welt erlebst. Ein paar Anregungen findest du hier.
Eingeladen zur Stehparty, bekämpfe ich mit dem Gedanken „die wissen ja, dass ich nicht gut sehen kann, die werden mir gleich ein Glas bringen und mich ins Gespräch miteinbeziehen,“ meine Angst und mache mir meine Welt ein bisschen sicherer und werde damit zum Opfer und Spielball der anderen.
Erwartungen reduzieren die Lebensqualität
Sie machen uns klein, unverantwortlich, einsam und in unserem Gefühlsleben abhängig von anderen. Erwartungen reduzieren das, was ist, auf das, was wir erwarten. In Erwartungshaltungen vergessen wir offen und neugierig auf Neues zu sein.
Oft vergessen wir auch, uns die Fragen um den Sinn zu stellen und damit die volle Verantwortung für eine Situation zu übernehmen:
„Ich bin einmal gespannt, wie ich mich in die Party einbringen kann. Mal sehen, vielleicht lerne ich interessante neue Leute kennen.“
Wir alle haben Erwartungen. Werden wir uns jedoch darüber klar, dass Erwartungen nur in unserer Vorstellung leben und wir damit überheblich glauben zu wissen, was der andere tun sollte, dann beginnen wir bewusster und mit mehr Lebensqualität zu leben.
Erwartungen an andere zu haben und damit unbewusst den anderen zu beeinflussen, ist nicht unser Job. Denn damit limitieren wir die Freiheit des anderen ebenso wie unsere eigene.
Erwartungen in Partnerschaft und Familie
Ich bin so enttäuscht von meinem Ko-Direktor, Abteilungsleiter, meiner Sekretärin, meinem Ehemann, meiner Ex-Ehefrau…
Wenn Menschen über Partner, Kollegen oder Familie schlecht sprechen, dann sind meistens Erwartungen im Spiel.
„Ja, er hat meine Erwartungen bisher erfüllt, aber was morgen ist, weiss ich nicht.“ Da ist latente Unsicherheit und Angst in mir. Damit gilt es umzugehen.
Warum sollten meine Werte, mein Leben, mein Tun und Lassen abhängig sein von meinen Erwartungen an das Verhalten von anderen?
Leben ohne Erwartungen
Erwartungen erfüllen keinen Zweck. Es ist möglich, vollständig ohne Erwartungen zu leben und wenn notwendig, dann ist es Zeit für eine Vereinbarung.
Wenn man keine Erwartung an den Partner hat und er etwas Unerwartetes tut, dann gibt es eine freudige Überraschung.
Das Verhalten des Partners, der Sarkasmus und die versteckten Andeutungen machen keinen Spaß. Also, wenn ich dann, wenn ich mit ihm eine gute Zeit habe, vorschlage, eine Vereinbarung zu treffen, kann ich erleben, wie sich das Ganze entwickelt.
Mit unseren Bekannten gehen wir freundlich um, unser Ton ist angepasst und wir brüllen nicht unsere Meinung heraus. Wollen wir nicht eine Vereinbarung treffen, dass wir mit unserem Partner und auch mit uns selbst genauso umgehen?
In Partnerschaften ist oft der fehlende Dialog das Problem. Basiert dieser dann noch auf Erwartungshaltungen und Beurteilungen, dann ist das ganze Paket die Anleitung zum Unglücklichsein.
Fazit:
Erwartungen sind Zeitreisen in die Zukunft und machen bei näherer Betrachtung keinen Sinn und sie engen uns ein.
Erwartungen über Nacht abzubauen kann schwierig sein, ist aber möglich – zumindest, wenn wir uns immer wieder bewusst werden, was Erwartungen in uns selbst und in jenen, die unsere Erwartungen spüren, auslösen und welche Auswirkungen sie haben können.
Null Erwartungen, null Enttäuschungen.
Romana Prinoth
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