Mitte Siebzigerjahre, Würzburg. Ich war schon beinahe zwanzig, als ich, was ich schon immer gerne tat und heute noch gerne tue, einen Buchladen in meiner Geburtsstadt durchstöberte. Der Buchtitel „Spiele der Erwachsenen“ weckte sofort mein Interesse und als ich im Buch nach Bildern suchte, war ich bitter enttäuscht. Von wegen Bilder von Männern und Frauen, die miteinander „spielten“; ich fand nur trockenen Text. Vom Autor Eric Berne hatte ich noch nie gehört und dass er ein Psychiater war, der die Transaktionsanalyse ins Leben gerufen hatte, wusste ich ebenso wenig, wie dass er sich bereits vom Planeten verabschiedet hatte. Das Überfliegen der Seiten und das Lesen von ein, zwei Absätzen liessen mich damals das Buch kaufen. Das war der Beginn meines Interesses besser zu verstehen, warum wir Menschen so ticken, wie wir ticken und vor allem warum wir so unterschiedlich ticken. Viele Bücher kamen in der Zwischenzeit hinzu und letzte Woche, animiert im Gespräch beim Apèro mit einem Freund, fragte ich mich, was denn die zehn, mich am meisten beeinflussten Bücher bisher waren. Gar nicht so einfach.

Lesen gefährdet die Dummheit.

Ich beschloss, weit in die Vergangenheit zu reisen und in der Tat, da tauchte plötzlich der Name Thomas Gordon und sein Buch Familienkonferenz auf. Es war damals ein Erziehungsklassiker, eventuell ist es auch noch heute so, und ich habe viel aus dem Buch gelernt. Kinder hatte ich damals noch lange nicht und trotzdem, es war alles so klar was Thomas Gordon erklärte und für mich einfach aufs Erwachsenen-Leben umsetzbar. Am meisten haben mich seine Fragen „Wer hat denn das Problem?[i]“ und: „Was ist das eigentliche Problem?“ beeinflusst.

Das Kind, wenn es sein Zimmer nicht aufräumt, hat kein Problem. Die Eltern, die das Zimmer aufgeräumt sehen wollen, haben das Problem. Der Kellner, der sich unfreundlich und so service-fremd verhält, dass ich ihm gerne eine bayerische Watschen geben möchte, hat kein Problem mit seinem Verhalten. Ich habe das Problem.

Thomas Gordon († 2002) erkannte die grosse Bedeutung der Kommunikation und der gewaltfreien Konfliktlösung für die zwischenmenschlichen Beziehungen. Ich-Botschaften im Gegensatz zu Killerphrasen, K.O.-Sätzen und Kommunikationssperren stammen von Thomas Gordon.

Gordons zwölf Killerphrasen:

1.Befehlen, Anordnen, Auffordern

Sie müssen das tun. Hören Sie auf damit.

2. Warnen, Mahnen, Drohen

Wenn Sie das nicht tun (getan hätten), dann…

3. Moralisieren, Predigen, Beschwören

Sie haben die Pflicht, das zu tun.

4. Beraten, Vorschläge machen, Lösungen anbieten

Also, ich würde das so machen.

5. Kritisieren, (Ver-)Urteilen, Vorwürfe machen, Schuld zuweisen, Kritisieren

Sie sind auf dem Holzweg.

6. Belehren, durch Logik begründen

Ich zeige Ihnen mal die Fakten.

7. Loben, Zustimmen, Schmeicheln

In der Regel treffen Sie gute Entscheidungen.

8. Beschämen, Beschimpfen, Lächerlich machen

Sie reden so, als hätten Sie noch nie was davon gehört.

9. Interpretieren, Analysieren, Diagnostizieren

Das sagen Sie, weil Sie ärgerlich (ängstlich etc.) sind.

10. Beruhigen, Sympathie äussern, Trösten, Aufrichten

Nehmen Sie sich das doch nicht so zu Herzen.

11. Nachforschen, Fragen, Verhören

Was haben Sie getan, um eine Lösung zu finden?

12. Ablenken, Ausweichen, Aufziehen

Das hat doch auch sein Gutes.

Killerphrasen lassen das Gegenüber verstummen, beenden den Kommunikations-Tanz abrupt, animieren zum Verteidigen und führen den Gesprächspartner in die Einbahnstrassen-Sackgasse. Besser, sich bewusst zu fragen: Was sage ich eigentlich und warum? Was meine ich? Was will ich bewirken? Wie kann der andere das Verstehen? Innehalten und nicht gleich losplappern.

Gewaltfreie Kommunikation ist eine Kunst. Die Fähigkeit, sich auf den anderen einzulassen hat nicht nur mit Intuition zu tun, sondern bedingt die PR-Abteilung im Hirn, zu kontrollieren und zu reflektieren. Wir bewerten fast immer, was um uns herum passiert – und zwar mit einer Schwarz-Weiss Brille. Entweder gut oder schlecht. Objektivität ist nicht unsere Stärke, sind wir doch immer subjektiv, weil wir aufgrund unserer Realität, die in unserem Hirn so einmalig wie unser Fingerabdruck ist, bewerten.

Das fängt mit uns selbst an, der Art und Weise, wie wir unsere internen Dialoge führen. „Oh, du Idiot, warum hast du das falsch gemacht? Wie konntest du nur?“ Mit uns selbst sind wir per Du und doch: auch da tauchen Killerphrasen auf und die bringen uns nicht weiter. Wir sind nun mal nicht perfekt und werden es hoffentlich auch nie sein, denn das würde bedeuten, dass wir uns weder verändern noch verbessern würden.

Unsere Schwächen umarmen, analysieren und reflektieren und Killerphrasen vermeiden, ist der erste Schritt, sich selbst zu lieben und besser kennen zu lernen.

„To love oneself is the beginning of a lifelong romance.“

Oscar Wilde

 

[i] Schon klar, in meiner Welt gibt es keine Probleme, sondern nur Herausforderungen. Im Zusammenhang mit dem Thema erschient mir das Wort Problem jedoch passender.


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