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Grenzenlos

„Es ist so schwer, ich fühle mich überfordert, sagte mein Kunde.

Das höre ich, insbesondere in den letzten 12 Monaten, öfter als früher. Überwältigt sein, ich bin lustlos, mir fehlt die Motivation, ich bin müde und weiß nicht genau warum, sind einige Varianten dazu.

Um fair zu bleiben: das Leben im 21. Jahrhundert, so könnte man denken, hat es in sich. Es gibt eine Menge Zeug zu tun – und die erste Pandemie, die man erlebt – damit will man erst mal klarkommen.

Wenn Menschen, wie mein Klient, mit Überforderung kämpfen, beginnen wir Schritt für Schritt damit, einen Blick auf die weiteren Kontexte seines Lebens zu werfen; mit anderen Worten, auf alles, was für ihn da vor sich geht.

Kann schon sein, dass wir dann feststellen, dass er versucht, es allen recht zu machen. Dem Chef, seinen Kunden, den Kollegen, seinem Partner und seinen Kindern, den Eltern, seinen Freunden, den Freunden der Freunde, dem (anspruchsvollen) wem auch immer, dem, der den Bratwurststand am Schulfest betreut – und sich selbst.

Und dabei verschwinden die Grenzen – falls er welche hatte – unter den großen, nicht endend wollenden Ansprüchen des Lebens. Was tun?

Grenzen sind die Treppe zum psychologischen, sich wohl fühlendem Himmel. Eine Grenze ist die imaginäre Linie zwischen dem, wo deine Freiheit aufhört und die der nächsten Person beginnt. Sie trennt dich physisch und auch deine Bedürfnisse und Gefühle von den anderen.

Ich liebe Grenzen. Ich liebe sie, weil ich glaube, dass sie funktionieren. Wir wissen doch, dass sie Stress und Überforderung reduzieren. Wir wissen, dass sie den Menschen helfen, ein Stück von sich selbst zurückzugewinnen – für sich selbst.

Aber, Grenzen zu setzen und (zudem) einzuhalten, kann eine Herausforderung sein. Besonders für jene, die danach streben, es allen recht machen zu wollen – und sich ängstlich, verärgert oder schuldig fühlen, wenn sie es nicht schaffen. Ich möchte dir anbieten und zurufen: „Man kann es nicht allen recht machen!“

Meine Gedanken, wie man die Kunst der Abgrenzung meistern könnte.

Erstens, hier ist das WOFÜR:

Grenzen geben Sicherheit

Wenn den Menschen klar ist, was du gibst und was sie bekommen, gibst du ihnen ein sicheres Gefühl. Am Anfang werden sie vielleicht protestieren, aber sie werden sich daran gewöhnen, wenn du ruhig und bestimmt bist.

Menschen, und auch du, brauchen ihren eigenen Raum, sie brauchen nicht ALLE deine Hilfe. Die Schriftstellerin Anne Lamott drückt es so aus: „Unsere Hilfe ist normalerweise nicht sehr hilfreich. Unsere Hilfe ist oft giftig. Und Hilfe ist die Sonnenseite der Kontrolle. Höre auf, so viel zu helfen. Nimm deine Hilfe und deine Güte nicht überall hin mit.“

Zweitens, hier ist das WIE:

In den Spiegel schauen

Und zwar in aller Ruhe und mit Gelassenheit. Sieh es als Weckruf, den wir vielleicht alle ab und zu brauchen. Frage dich: „Wie sehe ich aus? Ausgelaugt? Hat mir in letzter Zeit jemand gesagt, dass ich müde aussehe, dass ich gestresst sei, dass ich mal eine Auszeit brauchen könnte?“ Habe ich diese Fragen für mich im inneren Dialog gedacht? Wenn Ja, dann ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass du zu viel machst. Das könnte man ändern, und zwar gleich, denn immer haben wir die Wahl.

Ziehe deine erste Grenze um dich selbst

Plane Zeit für dich selbst ein, auch wenn das bedeutet (und das wird es wahrscheinlich), dass du damit zu etwas anderem Nein sagen wirst, also eine andere Sache aus deinem Zeitplan gestrichen werden will. Nutze diese Zeit, um nur das zu tun, was du tun willst. Sport treiben, spazieren gehen. Zur Massage gehen. Lesen, oder allein einen Kaffee, oder was auch immer, genießen. Wenn du eine Verabredung mit dir selbst planst, dann halte sie ein. Wenn du keine Grenze für dich selbst aufrechterhalten kannst, wirst du für den einen oder anderen vielleicht zum Trottel, dem man alles aufbürden kann.

Das Universum ist groß

Ich weiß, das klingt seltsam. Aber wenn wir viel zu tun haben, neigen wir dazu, unsere eigene Bedeutung für alle und alles über zu bewerten. Andere Menschen können die meisten Dinge tun, die du tust. Vielleicht in manchen Fällen nicht so gut, aber können tun sie es trotzdem. Wenn du morgen verschwinden würdest, würde jemand anderes für dich einspringen. Lass es zu – bevor der Stress dich überwältigt. Nimm dich ernst, aber nicht zu ernst.

Ja oder Nein

Früher hatte ich da meine Schwierigkeiten. Gerne habe ich gesagt: „Ich kann es jetzt nicht für dich tun, aber wenn ich etwas Zeit habe, werde ich …“ Und doch, Zeit hat man nicht, die nimmt man sich oder eben nicht. Und dann verspürte ich weiterhin den Druck zu liefern – und er oder sie würden es immer noch von mir erwarten. Menschen lieben Klarheit, auch wenn sie zu diesem Zeitpunkt (innerlich) protestieren. Das Netteste und Fairste, was du tun kannst, ist zu sagen: „Tut mir leid, ich kann nicht. Ich bin nicht verfügbar.“ Damit gibst du ihnen die beste Chance, andere Pläne zu machen.

Gefühle der anderen

Ein People Pleaser gilt als „Jedermanns Freund“ oder wird ein „es allen recht machend wollender Saboteur seines eigenen Glücks“ genannt.

Natürlich ist es wichtig, zu beobachten, wie das eigene Verhalten andere beeinflusst und, wenn nötig, Rücksicht zu nehmen. Aber zu glauben (oder zu hoffen), du allein hättest die Macht (und Kraft) einen anderen Menschen glücklich zu machen, ist ein Problem.

Denn jeder ist für sich selbst verantwortlich und sollte sich um sein eigenes Wohlbefinden selbst kümmern. Wie sich andere fühlen, liegt nicht in deiner Verantwortung. Was in deiner Verantwortung liegt, ist dein Denken und dein Verhalten, dein wohlwollender, wertschätzender Umgang mit deinem Gegenüber – und dir.

Vielleicht gefällt es dir ja, von Menschen gebraucht zu werden und dass du dafür bekannt bist, dass sie immer auf dich zählen können. Vielleicht bist du auch stolz darauf, ihre erste Anlaufstelle bei Problemen zu sein und dass du derjenige bist, der „es wieder in Ordnung bringt“. Vielleicht bist du einfach ein guter Freund.

Aber wenn du zu viel Anteil nimmst und zu emphatisch bist, dann leidest du darunter und lädst dir selbst zu viel Gewicht auf deine Schultern. People Pleaser geben die Kontrolle an andere ab. Nicht selten fühlen sie sich dabei hilflos und missverstanden. Aufgrund dieser wachsenden Ohnmacht basteln sie sich einen zerstörerischen Selbsthass, der sich im Körper immer weiter ausbreitet und irgendwann Besitz von ihnen ergreift. People Pleaser opfern sich für andere auf und investieren beinahe ihre gesamte Energie in deren Leben. Deswegen vergiss‘ eines nicht: Auch du brauchst jemanden, der sich um dich kümmert – und das bist im besten Fall du selbst.

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