… aber es geht nicht! Wer genau in diesem Zusammenhang ist das „Ich“ und wer ist das „Es“? Und, wenn ich etwas will und es nicht geht, dann ist das wohl ein Problem für mich.

Heute eine Zusammenfassung, ein Ausflug in die Welt der Selbsthypnose und dem hypnosystemisches Selbstmanagement mit großem Dank an Gunther Schmidt, bei dem ich diese Ausbildung genießen durfte:

Nun ja, wir könnten uns darauf einigen, anzunehmen, dass das „Ich“ all jenes in unserer Erlebniswelt ist, was wir bewusst wahrnehmen. Erlebt jemand etwas als Teil seiner üblichen Alltagswahrnehmungsprozesse (bewusst), dann erlebt er dies als von ihm selbst willkürlich gemacht, beeinflusst, als selbst verantwortete Wahrnehmung und zu ihm in seinem üblichen Selbstverständnis gehörend.

Für diese üblichen Alltagswahrnehmungsprozesse hat B. Schmid (persönliche Mitteilung, 1988) den Ausdruck „Gewohnheitswirklichkeit“ vorgeschlagen. In dieser „Gewohnheitswirklichkeit“ ist das Denken auch gekennzeichnet durch mehr strukturiertes, analytisches, schärfer ordnendes Denken, ebenso durch das, was Sigmund Freud als „Sekundärprozess“ bezeichnet hat, in dem vor allem gedacht wird in „Entweder-oder-Logik“ („Ein Drittes gibt es nicht“).

(vgl. Schmidt, Gunther. Einführung in die hypnosystemische Therapie und Beratung (Carl-Auer Compact) (German Edition) (S. 19-20)

Also könnten wir vielleicht das „Es“ im Gegensatz zum „Ich“ als das „Unbewusste“ und „Unwillkürliche“ betrachten. Wobei nicht jeder unwillkürliche Prozess auch unbewusst sein muss. Du kannst zum Beispiel bewusst wahrnehmen, wie du vielleicht heftig zu schwitzen beginnst oder dein Herz so stark klopft, dass du meinst, andere würden es hören, oder du errötest, obwohl du das gar nicht willst.

In diesem „Es“ verstecken sich viele Kompetenzen und Ressourcen, die zwar schon vorhanden sind, auf die wir jedoch nicht immer zugreifen können. Gelingt es, solche unwillkürlichen Prozesse zu nutzen, also vorhandene Kompetenzen und Ressourcen zieldienlich und im Zusammenspiel mit willkürlichen „Ich“-Prozessen (ichsyntones Er-leben) zu koordinieren, hat dies deutlich mehr Erfolgschancen und Wirksamkeit, als wenn man versucht, sie willkürlich zu aktivieren. (ebd.: 22)

Prozesse, die üblicherweise außerhalb der bewussten Wahrnehmung ablaufen, also von ihr dissoziiert waren, äußern sich meist durch unwillkürliche Impulse, z. B. über unwillkürliche Körpersignale, Empfindungen, Änderung der Atmung, Verspannungen, Gefühle etc. (die oft auch als dominierende Einschränkungen erlebt werden), die in den bewussten Wahrnehmungs- und Kommunikationszusammenhang drängen. Will man ihren Wert verstehen und sie nutzen, setzt dies einen wertschätzenden Umgang mit ihnen voraus. Sie können optimal genutzt werden als kompetente Instrumente des Feedbacks an das bewusste, willkürliche Erleben für stimmige Entwicklungen und als Warnsignale bei Unstimmigkeiten (Konzept der „somatischen Marker“, Damasio 1997)

Es stellt sich die Aufgabe, eine wertschätzende Kooperationsbeziehung zwischen den willkürlichen („Ich“-) und unwillkürlichen („Es“-)Seiten menschlicher Kompetenz aktiv herzustellen und zu nutzen. Dies erfordert den Aufbau und die systematische Beachtung einer Art innerer Moderatorenfunktion im Menschen für diese unterschiedlichen Kulturprozesse in uns, die immer gleichzeitig ablaufen. „Ich“ und „Es“ (also dieser unwillkürliche, intuitive Bereich) sollten, metaphorisch gesagt, gestaltet werden wie ein kooperatives Team. (ebd.: S 33).

Unser Universum

Das Erleben in der Gegenwart (und nur hier wird erlebt: im Hier & Jetzt) entsteht durch das Wechselspiel der inneren Welt mit Reizen von außen. Unser Gehirn observiert unaufhörlich die äußere Welt und googelet (nur wesentlich schneller) alle vergangenen Erfahrungen mit Ähnlichkeitswert und „rechnet“ eine emotionale Bewertung der aktuellen Situation hoch. Anders ausgedrückt könnte man sagen, aufgrund des Vergleichs der aktuellen Situation mit der Summe der Hochrechnungen vergangener, ähnlicher Situationen entscheidet sich (Es) ganz unwillkürlich, welches Erlebnisnetzwerk aktiviert wird.

Diese Hochrechnung erfolgt vorbewusst und ist immer auf die gewünschte Zukunft und deren Wahrscheinlichkeit ausgerichtet. Sie liefert uns eine sehr schnelle, unwillkürliche, emotionale Bewertung der aktuellen Situation, die das Erleben im Hier & Jetzt entscheidend beeinflusst.

Damasio bezeichnet dieses Signalsystem des Unbewussten als „Somatische Marker“. Die Bewertung erfolgt nach dem Schema: 1. War gut, wieder aufsuchen oder dem Schema 2. War schlecht, nach Möglichkeit lieber meiden. Gunther Schmidt und Maya Storch (zitiert nach Gross (2016)) greifen das Konzept der „Somatischen Marker“ auf als Feedback des eigenen Organismus und Referenz zur Prüfung, ob etwas als stimmig erlebt wird.

Im Optimalfall kooperieren das bewusste „Ich“ und das unwillkürliche „Es“ miteinander in zieldienlicher Weise. Dies führt zu einem Erleben von Stimmigkeit und Balance und dem Gefühl, genau im richtigen Zustand zu sein für die gerade vorhandenen und angestrebten Erfahrungen. (Gross (2016), Schmidt (2014, 2017))

Er-leben

Erleben wird aus hypnosystemischer Sicht in jeder Sekunde immer autonom durch Aufmerksamkeitsfokussierung auf allen Sinnesebenen erzeugt. Basierend auf dem Hebb´schen Gesetz (cells that fire together wire together and when they wire together they fire together = Zellen, die miteinander feuern, vernetzen sich und wenn sie miteinander vernetzt sind, dann feuern sich auch wieder miteinander) wird in der Hirnforschung davon ausgegangen, dass die einzelnen Elemente einer emotional geladenen Erfahrung sich zu einem neurophysiologischen Erlebnisnetzwerk verbinden.

Elemente eines solchen Erlebnisnetzwerks sind unter anderen: Ort, Zeit, Beteiligte, Beschreibung, Benennung, Erklärung, Bewertung, Schlussfolgerung, Empfindungen, Emotionen, Atmung, Gestik, Mimik, Körperkoordination, Alters-, Größen- und Raumerleben, Innere Dialoge, Erwartungen, Umgang mit sich selbst, Metaphorik, innere Filme, und vieles mehr.

Erlebnisnetzwerke umfassen neben Elementen, die uns bewusst sind und die wir willkürlich steuern können, vor allem auch Elemente, die unwillkürlich und dem Bewusstsein oft (noch) nicht zugänglich sind.

Als unwillkürlich wird in unserem Denken alles bezeichnet, was nicht direkt willkürlich gesteuert werden kann, dabei kann es sich um bewusste oder unbewusste Prozesse oder Elemente handeln. Unwillkürliche Prozesse finden vor allem in den entwicklungsgeschichtlich älteren Teilen unseres Gehirns (Stamm- und Zwischenhirn) statt, laufen autonom ab und sind immer schneller und stärker als alles Willentliche.

Dabei ist zu beachten, dass das willentlich Bewusste vor allem kognitiv ist und auf Sprache beruht. Unwillkürliches wird jedoch vor allem von Prozessen des Stamm- und Zwischenhirns gesteuert, welches, wenn man so möchte, keine Sprache versteht, sondern in Bildern und Metaphern funktioniert.

Ich und Es

Selbsthypnose, was ist das? Wer hypnotisiert dabei wen? Was versteht man aus hypnosystemischer Sicht unter Hypnose?

Selbsthypnose bedeutet, dass jemand für bestimmte Ziele so mit systematischer Fokussierung von Aufmerksamkeit arbeitet, dass dadurch auf unwillkürlicher Ebene gewünschte, zieldienlich wirkende Erlebnis-Prozesse aus dem

  • „schlummernden“, großen unbewussten Erlebnis-Repertoire aktiviert werden und so
  • mit den bewusst-willentlichen Prozessen in optimale Kooperation und Synergie gebracht werden können,
  • dass dieses optimale Synergie-Erleben dann passend für die Kontexte eingesetzt werden kann, in denen sie gebraucht werden.

Das „Ich“ braucht dafür das „Es“, ohne das „Es“ oder gar gegen das „Es“ wird es nicht zu seinen Zielen kommen.

Hypnosystemische Selbstmanagement

Wenn das „Es“ der Kooperationspartner des „Ichs“ werden soll, sollten wir alle wichtigen Aspekte beachten, die für eine gelingende Kooperation auch sonst im „wirklichen Leben“ hilfreich und sogar notwendig sind:

  • Welche „Sprache“ spricht das „Es“ an?
  • Welche Beziehungen bestehen zwischen dem „Ich“ und „Es“ und können wie besser aktiviert werden?
  • Welche Ziele hat das „Es“, welche das „Ich“?
  • Gibt es Feedbackschleifen?
  • Und, welche Erlebnisposition bräuchte das „Ich“, um sich als optimaler Kooperationspartner für das „Es“ stimmig verhalten zu können?

Je nachdem, was durch Fokussierung gerade am meisten von uns assoziiert wird, erleben wir in uns, den anderen und die Welt entsprechend anders. Bist du zum Beispiel genervt, reagierst du anders als wenn du gut drauf bist. Andere Teile in dir sind aktiviviert.

Wir sind (sozusagen) multiple Persönlichkeiten (dies ist durchaus als wertvolles Potenzial gemeint).

Im hypnosystemischem Selbstmanagement ist u.a. eine zentrale Aufgabe, eine optimal koordinierende Steuerungsfunktion (ein steuerndes „Ich“) in uns aufzubauen und zu aktivieren, welche die diversen „Teilpersönlichkeiten/Potentiale“ zu einer optimalen „Synergie/ Orchestrierung“ führen kann.

Fazit:

Für mich ist der hypnosystemische Ansatz (maßgeschneidert auf die Ziele und Kontexte des Einzelnen) eine Möglichkeit, um in relativ einfacher Weise, wesentliche Aspekte von hilfreichen Interaktionen (Einflussnahmen) in Eigenregie selbst im Alltag zu aktivieren und zu wiederholen.

Funktionen könnten u.a. dabei sein:

  • Unterbrechung von bisher schnell und autonom ablaufenden ungewünschten Erlebnis- und Verhaltens- Mustern.
  • Um-fokussierung auf mehr gewünschte Erlebnis- und Verhaltens- Muster, deren Aktivierung und deren Integration in die Kontexte, in denen sie gewünscht sind.

Dies alles kann man lernen und wenn es dich interessiert, dann könnte das zweitägige Seminar „Selbsthypnose und hypnosystemisches Selbstmanagement“ etwas für dich sein.

Es braucht keine Vorbildung, und auch wenn es sich kompliziert anhört, so ist es in der Praxis leicht umzusetzen und mit ein bisschen Übung wird es (rituell) zu einem Teil deiner Alltagsabläufe. Warum einfach? Weil all die Ressourcen bereits in dir schlummern. Im Seminar „entschlummern“ wir diese schon vorhandenen Potenziale.

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