Früher war es anders. Ich meine ganz früher. Wie bereitete man einen Bacalhau zu oder wie gelangen thailändische Gerichte und schon brauchte man verschiedene Kochbücher. Manche Rezepte waren einfach und andere nur für fortgeschrittene Hobby-Köche gedacht.

Da ich leidenschaftlich gerne koche, interessieren mich Rezepte, um mich zu inspirieren, manche übernehme ich grammgenau und andere werden modifiziert. Und Rezepte sind heute nur noch einen Klick entfernt. So hat man die Wahl der Qual.

Das ist wie bei den Lebens-Rezepten. Ich meine das mit der Wahl und Qual. Um ein bisschen mehr Licht auf Lebensphilosophien und deren Rezepte zu werfen, werde ich vier Philosophien beschreiben, die oft überlappen und eines gemeinsam haben: Sie haben eine lange und erprobte Geschichte und auch wenn alt, das eine oder andere kann man auch heute noch für sich mitnehmen. Ich habe jene Passagen gewählt, die mich ganz persönlich ansprechen. Heute beginnen wir mit der Stoa, im Teil 2 nächste Woche dem Buddhismus und schließlich Existenzialismus und Konstruktivismus im dritten Teil.

Die Stoiker glaubten an Rationalität als den Weg zur Tugend und damit zum Glück. Sie betrachteten Emotionen als potenziell gefährliche Ablenkungen von den eigenen Zielen. Die Stoiker glaubten, dass man seine Leidenschaften minimieren und Entscheidungen so weit wie möglich auf der Grundlage von Fakten treffen sollte.

In den letzten zehn Jahren hat der Stoizismus eine Art Comeback erlebt, was vor allem auf eine Reihe von populären Büchern von Ryan Holiday und William Irvine zurückzuführen ist. Nachfolgend eine Zusammenfassung und vielleicht inspiriert dich das eine oder andere. Könnte ja sein:

Konzentriere dich auf Dinge, die du kontrollieren kannst, ignoriere den Rest.

Epiktet war ein Sklave, der zu einer der wichtigsten stoischen Stimmen des Römischen Reiches aufstieg. Seine vielleicht berühmteste und wichtigste Idee war die, sich nur auf das zu konzentrieren, was man kontrollieren kann.

„Die Hauptaufgabe im Leben besteht einfach darin, die Dinge zu erkennen und zu trennen, so dass ich mir klar sagen kann, was Äußerlichkeiten sind, die nicht unter meiner Kontrolle stehen, und was mit den Entscheidungen zu tun hat, die ich tatsächlich kontrollieren kann. Wo soll ich also nach Gut und Böse suchen? Nicht in unkontrollierbaren Äußerlichkeiten, sondern in mir selbst, in den Entscheidungen, die ich selbst treffe … „

Dieser Gedanke hat sich über die Jahrtausende hinweg in verschiedenen Formen gehalten. Vielleicht kennst du ihn besser als Reinhold Neibuhrs „Gelassenheitsgebet“:

Gott, gib mir die Gelassenheit, die Dinge zu akzeptieren, die ich nicht ändern kann,
den Mut, die Dinge zu ändern, die ich ändern kann,
und die Weisheit, den Unterschied zu erkennen.

Psychologen unterscheiden zwischen einem sogenannten „internen Kontrollzentrum“ und einem „externen Kontrollzentrum“. Menschen mit einem internen Kontrollzentrum neigen dazu zu glauben, dass sie für das meiste, was in ihrem Leben geschieht, verantwortlich sind. Sie konzentrieren sich darauf, was sie besser machen oder was sie bei der Verfolgung ihrer Ziele beeinflussen können.

Menschen mit einem externen Kontrollzentrum sind das Gegenteil: Sie geben anderen die Schuld für ihre Probleme, finden Ausreden, um ihre Ziele nicht zu verfolgen und meckern im Allgemeinen so lange über die Welt, bis man es nicht mehr hören kann.

Entdecke deine persönlichen Werte

Es gibt unzählige Belege dafür, dass Menschen mit einem internen Kontrollzentrum in der Regel glücklicher sind, weniger Angst haben, bessere Entscheidungen treffen, ihre Ziele erreichen usw.

Dieses Kontrollzentrum beinhaltet die eigenen Grundwerte. Man handelt bewusst oder unbewusst auf der Basis der eigenen Grundwerte (Werte).

Erkennt man seine eigenen Werte oder jene von anderen Menschen, dann sieht man die Identität einer Person. Werte entstehen alle von außen. Babys haben keine Werte, übrigens genauso wie sie auch keine Glaubenssätze haben. Werte entstehen durch Erfahrungen, recht früh durch das soziale Umfeld – positive und negative – Kindheitserlebnisse, Familie, Freunde, TV, Politiker, Kultur, Bücher, dem Heimatland, durch Gespräche und vieles mehr.

Wenn man sich seines eigenen Wertebildes tatsächlich bewusst ist, werden wir unsere Denkweise und unser Handeln besser verstehen und dadurch gezielter beeinflussen können. Es wird uns leichter fallen, die für uns richtigen und stimmigen Entscheidungen zu treffen.

Akzeptiere den Schmerz und jage nicht dem Vergnügen nach.

Die Stoiker haben zu Recht festgestellt, dass die meisten Dummheiten, die Menschen begehen, ein Ziel haben. Dinge werden getan, weil die Menschen glauben, dass sie sich dadurch gut fühlen werden. Viele Menschen neigen dazu, die Vorteile von etwas, das sich kurzfristig gut anfühlt, zu überschätzen und die damit verbundenen langfristigen Kosten (=Nachteile) zu unterschätzen. Das Streben nach Dingen wie Status, Reichtum und Aufregung kann nach hinten losgehen und zu Leere führen.

Die Stoiker stellten auch richtig fest, dass die meisten guten Dinge im Leben schmerzhaft (außerhalb der Komfortzone) sind und ein gewisses Maß an Opfern erfordern (=Aufwand – von nichts kommt nichts – oder nur sehr selten). Deshalb formulierten sie ihre Vorstellung von Tugend so, dass man in der Lage sein sollte, kurzfristigen Vergnügungen für einen langfristigen Gewinn zu widerstehen.

Dies ist ein praktischer Lebensratschlag, der in der ganzen Welt allgegenwärtig geworden ist. Die Stoiker waren nur einige der Ersten, die dies klar und deutlich erklärten.

Lebe ein tugendhaftes Leben

Ein zentrales Thema der stoischen Philosophie sind die Tugenden und Werte sowie die Tugendhaftigkeit als Charaktereigenschaft. Für den Stoiker bedeuten die Tugenden bzw. Tugendhaftigkeit die “Exzellenz des Charakters”. Er sieht die Tugenden als das Einzige im Leben mit wahrem Wert. An den Tugenden richtet sich das Handeln aus.

Alles andere sei dann entweder wertlos oder gleichgültig.

Nach Zenon, überliefert durch Diogenes Laertios, sei Klugheit die Fähigkeit, zwischen dem Guten, Schlechten und Neutralen unterscheiden zu können.

Großmut sei die Fähigkeit, die den Menschen über das Gute und Schlechte, was allen Menschen passieren kann, erhaben sein lässt.

Selbstbeherrschung sei unerschütterliche Orientierung an den Resultaten der rechten Vernunft oder ein von Lustregungen unbezwingbares Vermögen;

Standhaftigkeit sei das Wissen zu erkennen, woran man festhalten kann und woran nicht bzw. was neutral ist.

Scharfsinn ist die Fähigkeit, das Richtige zu erkennen.

Urteilskraft ist die Fähigkeit, seine Handlungen zweckmäßig auszurichten.

www.stoiker.net/tugenden-der-stoa-exzellenz-des-charakters/

Was real ist, kann berechnet und gemessen werden.

Eine von Platons Grundüberzeugungen war, dass die physische Welt nur ein unvollkommenes Abbild einer tieferen, metaphysischen Welt der Ideen ist. Platons Ideen wurden später in die christlichen Vorstellungen von einer permanenten „Seele“ und dem Geist übernommen.

Die Stoiker und Epikureer verfolgten bekanntlich eine andere Taktik. Sie glaubten, dass es nichts anderes gibt als das, was wir sehen und selbst erfahren können. Es gibt keine Seele, keinen Himmel, keine Geisterwelt, die dich rettet.

Für diese Überzeugungen ging die frühe christliche Kirche auf die Barrikaden und verbrannte Tausende von Büchern, Bibliotheken und Menschen. Während Platons Vorstellungen von einer parallelen Welt der Ideen und der Seele in die christliche Theologie integriert und bewahrt wurden, dauerte es mehr als 1.500 Jahre, bis die stoischen und epikureischen Ideen wiederentdeckt wurden, oft durch Zufall.

The swerve: How the world became Modern

Schließlich gelangten diese (realistischen) Ideen im 15. Jahrhundert wieder nach Europa, wo sie bald von den hungrigen Geistern der Reformation verschlungen wurden. Diese Texte inspirierten die wissenschaftliche Revolution und die Aufklärung.

Memento mori

Memento mori bedeutet etwa „Denke daran, dass du sterben wirst“. Das klingt zwar düster, wenn man über seinen eigenen Tod nachdenkt, beinhaltet jedoch eine praktische Anwendung:

Lebe so, als müsstest du sofort Abschied vom Leben nehmen, als sei die Zeit, die dir geblieben ist, ein unerwartetes Geschenk

Marcus Aurelius

Das Nachdenken über den eigenen Tod kann dazu führen, darüber nachzudenken, was im eigenen Leben wirklich (wirklich) wichtig ist. Nur wenn man sich vorstellt, nicht mehr am Leben zu sein, kann man all dem, was man zu Lebzeiten tut, die richtigen Prioritäten zuordnen.

Dies ist ein weiterer Gedanke, der in einer Reihe traditioneller Religionen auftaucht. Ich bin in „Das tibetischen Buch vom Leben und Sterben“ darauf gestoßen, in dem die Meditation als Mittel zur Vorbereitung auf den Tod beschrieben wird. Memento mori hat seinen Weg in die moderne Zeit gefunden: von Philosophen wie Nietzsche und Camus bis hin zu dem (gerne verdrängten) Gedanken, dass man endlich ist und es an der Zeit ist, sein Leben zu leben und nicht jenes, das die anderen von einem erwarten.

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