«Eine der traditionell typischen Fragen, mit denen wir uns täglich herumschlagen ist: «Was ist das Problem?»

So vertraut ist dieser Sprachfigur, und so flüssig geht sie den Fragestellern von den Lippen, dass sie selbstverständlich klingt wie etwas Naturgesetzliches:

«Wenn Alkohol Probleme macht, ist Alkohol das Problem!» Also erscheint es ganz folgerichtig, wenn in Beratungen, zum Beispiel mit einem Coach, intensiv darum gerungen und danach gesucht wird, was nun jeweils das eigentliche, echte, wirklich echte Problem ist.

Und aus vielen öffentlichen Diskussionen, solchen mit Politikern ohnehin, kennen wir Kommunikationsformen wie: «Aber das ist doch gar nicht das eigentliche Problem! Sie müssen sich endlich einmal der Tatsache stellen, dass das eigentliche Problem doch vielmehr XX ist!» (Wobei oft mit gleichem Wortlaut der oder die so Angesprochene eine Retourkutsche erfährt.)

Wenn wir so intensiv danach suchen, was denn das Problem nun ist, an dem wir arbeiten sollen, hätten wir es doch gewiss verdient, dass wir es auch endlich finden. Aber das Leben ist hart und ungerecht, auch für Berater und Coaches. Sosehr sie auch danach suchen, sie finden «ES» meist nicht. Denn: Je mehr Beteiligte sie fragen, desto unterschiedlichere Beschreibungen bekommen sie, oft sogar heftig umstrittene.

Was ist das Problem?

Diese Formulierung suggeriert, es gibt das sogenannte Problem an sich, es wird als eigenständige Wesenheit, als in sich und aus sich selbst heraus existent behauptet.

Aus der Sicht der systemischen und hypnotherapeutischen Konzepte gibt es keinerlei Problem an sich und in sich selbst, so genannte Probleme werden jeweils konstruiert, und zwar von Beteiligten eines Systems, das sowohl ein individuelles System als auch ein soziales, interaktionelles System sein kann, eine Familie, eine Institution, eine Firma und anderes.

Wenn aber etwas so beschrieben wird, als ob es das Problem an sich gäbe, das Problem also wie eine feststehende Realität erscheint, wird es schnell als völlig ausserhalb der Erlebenden liegend wahrgenommen, sozusagen als fremde, jedoch sehr starke Macht.

Da üblicherweise aber nur etwas als «Problem» definiert wird, was man als unerwünscht bewertet, worunter man leidet (oft sogar sehr massiv), entsteht dann das Erleben von «etwas Fremdes, ja Böses, bedrängt mich». Daraus resultieren neben vielen anderen besonders zwei gravierende Nachteile:

Sprachfiguren wie «Was ist das Problem?» unterstützen suggestiv eine Opfer- und Inkompetenz-Wahrnehmung, sie stärken ungünstige Realitätskonstruktionen, die dann als noch sozusagen naturwüchsiger erlebt werden. Somit werden die eigenen Kompetenzen der «Problemopfer» noch mehr aus ihrer Wahrnehmung hinausdissoziiert und, sozusagen von ihnen vergessen.

Damit verbunden wird «das Problem» nur als schlecht, böse und so weiter erlebt. Dies führt fast immer zu Lösungsversuchen in der Art, dass man «das Problem» ganz wegmachen, eliminieren, sozusagen töten will. Da in das Problem immer eigene Beiträge (internal und interaktionell) einfliessen, bewirkt dies a) oft massive Kämpfe der Personen auch gegen sich selbst, intensive Selbstabwertungen dann, wenn «das Problem» nicht ganz ausgerottet werden konnte und b) eine gravierende Verschlechterung des Selbstwertgefühls und des Selbstbildes. Solche Lösungsversuche an sich bewirken fast immer eine Stabilisierung oder Verschlechterung des erlebten Problems. «Die Lösung bewirkt das Problem» (Watzlawick).

Wenn Coaching oder Beratung hilfreich sein soll, kann sie das nur, wenn die Klienten erleben: Ich kann selbst Hilfreiches, Lösendes gestalten, ich kann das als Problem Erlebte selbst erfolgreich auflösen.»

(Dies bisher ist ein Auszug aus Gunther Schmidts Buch, Liebesaffären zwischen Problem und Lösung)

In Problemen gefangen

Wenn es also keine Probleme gibt, sondern nur Phänomene, was machen wir dann daraus? Nun, wir könnten zuerst wertschätzen, dass, wenn wir ein «Problem» erkennen (so können wir es ruhig im internen Dialog nennen), nichts anderes bedeutet, als dass wir einen kompetenten Hinweis erhalten, dass eines unserer Bedürfnisse nicht erfüllt ist oder gerade nicht erfüllt wird.

Manchmal erkennt man im eigenen Dschungel der «Probleme» nicht, was denn das Delta zwischen dem aktuellen Zustand (IST) und dem zukünftigen SOLL ist. Hier kann ein Coach unterstützende Hilfe leisten, in dem Sinne, dass er den Klienten unterstützt, eigene Ressourcen oder Beobachtungsstände einzunehmen, die das Problem in einem anderen Licht erscheinen lassen.

In der NZZ erschien letzthin ein Artikel «Warum Topmanager auf Coaches setzen» (Dank an Thomas für den Hinweis):

Beim Coaching gehe es um eine Aussenperspektive auf ein Thema für Kunden, die eine Selbstbefähigung wünschen, von lösungsorientierten Gesprächen auf Augenhöhe bis hin zu messbaren Resultaten.

Unter Druck bleibt man häufig in den Problemen gefangen. Coaches schaffen im Gespräch einen Raum, in dem wieder andere Perspektiven auf ein Thema möglich werden und die Klienten selbst eine Lösung oder eine neue Einsicht finden. Es sind vor allem UnternehmerInnen, Board-Mitglieder und Investoren, die sich Coaching leisten.

Auf den Chefetagen sind ehrliche Feedbacks rar und Managerinnen und Manager oft auf sich selbst gestimmt.

Die meisten Top-Manager haben einen Coach, doch die wenigsten sprechen offen darüber. Anders als in den USA und in UK werde es in der Schweiz (Anmerkung: und Deutschland) immer noch oft als Schwäche ausgelegt, wenn sich jemand coachen lasse.»

Jedes Problem hat eine Lösung(en), sonst ist es kein Problem

Coaching lohnt sich immer und für jeden? Nicht ganz. Der Klient braucht eine Bereitschaft zum Coaching und er bringt wichtige «mentale» Voraussetzungen mit:

Der Klient will sich verändern, also ein Delta von IST zu Soll besteht und/oder der Klient hadert mit dem SOLL. «Ich bleibe so, wie ich bin» macht Coaching überflüssig.

Ein guter Coach hilft, Horizonte zu erweitern, neue Ziele zu entdecken und zu verfolgen. Nicht alles was im Coaching entsteht ist positiv, da kann es schon den einen oder anderen Schmerz geben, den es zu würdigen gilt, da es ein Hinweis auf ein unbefriedigtes Bedürfnis ist. Mit anderen Worten, der Klient ist offen und neugierig.

Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit sind notwendig. Ein guter Coach hält den KlientenInnen den Spiegel vor – ohne Wenn und Aber und ohne Angst vor Konflikten, die nichts anderes sind als Teile des Zielfindungsprozesses.

Es braucht die Fähigkeit, sich selbst zu hinterfragen. Obwohl artverwandt mit Punkt 1, geht es hier einen Schritt weiter: Sich selbst auf sein Selbstbild einzulassen, sich für sich zu engagieren und auch ein komplettes und ehrliches Bild der eigenen aktuellen Situation zu akzeptieren.

Es geht beim Coaching schon ums Eingemachte, oftmals auf der Meta-Ebene um die Fragen: «Wer bin ich? Was ist mein Sinn und Zweck? und wann fange ich an, etwas «wofür» zu ändern?»

Die unteren Ebenen dieser Meta-Ebene zeigen sich im Tagesgeschäft gerne so:

Ich wünsche mir mehr

Stress Resilienz oder ich muss meine Stressbewältigungsstrategien verbessern …

persönliche Weiterentwicklung, etwas fehlt mir …

Klarheit, was denn das Richtige für mich wäre …

Träume

Erfüllung in meinen Beziehungen (Partnerschaft, Beruf, soziales Umfeld etc.) …

Freiheit …

Glücklich sein …

Aber, haben wir jetzt eine Antwort auf die Überschrifts-Frage gefunden? Gibt es sie oder gibt es sie nicht, die Probleme?

Zäumen wir das Pferd von hinten auf und lassen Gunther Schmidt (den ich sehr schätze und viel verdanke) noch einmal zu Wort kommen:

«Damit man nun weiss, wie man ein Problem konstruieren kann, etwa für den Fall, dass man einmal keines mehr «hätte» und in Kunderas «unerträgliche Leichtigkeit des Seins» einzumünden droht, hier eine Bastelanleitung:

Ein Problem entsteht durch die Konstruktion einer Ist-Soll-Diskrepanz. Dabei stösst man bei Versuchen, das unerwünschte «Ist» in das gewünschte «Soll» zu verwandeln, auf Blockaden zwischen Ist und Soll. Und dies wird verbunden mit Lösungsversuchen (Massnahmen, Schritten, mit denen man das Problem lösen will), die nicht zum gewünschten Ziel führen.

Eine Lösung entsteht, wenn sich im Erleben und Verhalten der Problemwahrnehmer diese Diskrepanz auflöst, Ist und Soll fallen eher zusammen, und zwar so, dass Unterschiede in die Negativbewertung (-) des Ist-Zustands und/oder in die relativ positivere (+) des Soll-Zustands und/oder Unterschiede bzw. Änderungen in die Art der bisherigen hauptsächlich praktizierten Lösungsversuche eingeführt werden (Unterschiede herstellen = Entwicklung von Neuinformationen); besonders relevant sind Neuinformationen bzw. Unterschiede, welche mehr Wahrnehmung ermöglichen in Richtung «Erleben von zieldienlichen Fähigkeiten und von Situationen, in denen diese gelebt werden konnten.»

Wenn wir nicht zusammenarbeiten, werden wir
für unsere Probleme keine Lösung finden

Dalai Lama

Zurzeit habe ich einen Coaching-Slot frei. Interessiert? Hier kannst du dich informieren.

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