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Sein oder Nichtsein

Bild: Christopher Furlong, Getty Images

Den wohl berühmtesten Monolog der Literaturgeschichte trägt Hamlet vor (dritter Aufzug, erste Szene) und verleiht darin seiner Sehnsucht nach dem Tod sowie seinem Weltschmerz gleichermaßen Ausdruck: „Sein oder Nichtsein; das ist hier die Frage: / Obs edler im Gemüt, die Pfeil und Schleudern / Des wütenden Geschicks erdulden oder, / Sich waffnend gegen eine See von Plagen, / Durch Widerstand sie enden? Sterben – schlafen –“

Der Anfang ist zum geflügelten Wort geworden. Doch noch sehr viel mehr Sätze aus Shakespeares Stücken sind zu Lebensweisheiten geworden. Er ist inzwischen zu einer Art literarischen Weltmarke geworden. Sein Bekanntheitsgrad ist kaum zu überbieten: 157 Millionen Google-Treffer finden sich zu seinem Namen. Viel wurde geforscht zu seinem Werk. Bis ins letzte Detail: „Shakespeares Werk enthält 138.198 Kommas, 26.794 Semikolons und 15.785 Fragezeichen“, weiß der Autor und Shakespeare-Experte Bill Bryson.

Gab es Shakespeare wirklich? Diese Frage ist schon oft untersucht worden – hauptsächlich von Historikern und Literaturkritikern. Doch Peter Sturrock, Physikprofessor in Stanford, hat 2013 „A Scientific Approach to the Authorship Question“ vorgelegt.

In seinem Buch „AKA Shakespeare“ verwendet Sturrock Wahrscheinlichkeitsrechnung, Logik, Bayes’sche Statistik und das gute alte kritische Denken, um die Frage neu zu beantworten. Sturrock argumentiert, dass der wahre Autor der Shakespeare-Stücke eine von drei verschiedenen Personen gewesen sein könnte. Er verwendet eine wissenschaftliche, rationalistische Methode und entwirft ein Gespräch zwischen mehreren Beobachtern, von denen jeder seine eigene Perspektive hat.

Sturrock sammelte und ordnete 11 Schlüsselerkenntnisse des kritischen Denkens, die er „Prospero’s Precepts“ nennt. Diese bilden die intellektuelle Grundlage für seine Untersuchung der Frage nach der Urheberschaft. Für mich ist die Liste an sich schon eine Augenweide. Diese elf Regeln, die von einigen der besten Köpfe auf dieser Erde zusammengetragen wurden, dienen als wahrer Leitfaden für kritisches Denken, insbesondere in Zweifelsfällen.

Bevor du dich also wieder auf ein Argument einlassen, eine Theorie propagieren oder gar eine Meinung vertrittst, könntest du zunächst prüfen, ob diese mit den Prospero-Regeln übereinstimmt. Ich hoffe, sie gefallen dir. Meine Übersetzung:

  • Alle Überzeugungen, egal in welchem Bereich, sind auf irgendeiner Ebene Theorien. (Stephen Schneider)
  • Verurteile nicht das Urteil eines anderen, nur weil es von deinem eigenen abweicht. Ihr könnt beide falschliegen. (Dandemis)
  • Lies nicht, um zu widersprechen und zu widerlegen; noch zu glauben und für selbstverständlich zu halten; nicht, um Gespräch und Diskurs zu finden; sondern um abzuwägen und zu überlegen. (Francis Bacon)
  • Verliebe dich nie in deine Hypothese. (Peter Medawar)
  • Es ist ein großer Fehler, zu theoretisieren, bevor man Daten hat. Man fängt unweigerlich an, die Fakten zu verdrehen, um sie den Theorien anzupassen, anstatt die Theorien den Fakten anzupassen. (Arthur Conan Doyle)
  • Eine Theorie sollte nicht versuchen, alle Fakten zu erklären, denn einige der Fakten sind falsch. (Francis Crick)
  • Das, was nicht passt, ist das, was am interessantesten ist. (Richard Feynman)
  • Einem Irrtum den Garaus zu machen, ist ein ebenso guter Dienst wie die Feststellung einer neuen Wahrheit oder Tatsache, und manchmal sogar besser als diese. (Charles Darwin)
  • Es ist nicht das, was man nicht weiß, was einen in Schwierigkeiten bringt. Es ist das, was man mit Sicherheit weiß, was nicht stimmt. (Mark Twain)
  • Unwissenheit ist dem Irrtum vorzuziehen; und derjenige, der nichts glaubt, ist weniger weit von der Wahrheit entfernt als derjenige, der zu wissen glaubt, was falsch ist. (Thomas Jefferson)
  • Jede Wahrheit durchläuft drei Stadien. Erstens wird sie lächerlich gemacht, zweitens wird sie heftig bekämpft, und drittens wird sie als selbstverständlich akzeptiert. (Arthur Schopenhauer)

Und wenn schon Shakespeare, egal welcher der drei Personen er war, und mit der Überlegung, dass er vor 405 Jahren verstorben ist, wirken so manche Sätze fort in die Gegenwart. Eine Auswahl der Bekanntesten:

  • „Ein jedes Ding hat seine Zeit.“ („Komödie der Irrungen“, zweiter Akt, vierte Szene)
  • „Es gibt mehr Ding’ im Himmel und auf Erden als Eure Schulweisheit sich träumt.“ („Hamlet“, erster Akt, fünfte Szene)
  • „Denn an sich ist nichts weder gut noch schlimm; das Denken macht es erst dazu.“ („Hamlet“, zweiter Akt, zweite Szene)
  • „Wir wissen wohl, was wir sind, aber nicht, was wir werden können.“ („Hamlet“, vierter Akt, fünfte Szene)
  • „Etwas ist faul im Staate Dänemarks.“ („Hamlet, erster Akt, vierte Szene)
  • „Hohle Töpfe haben den lautesten Klang.“ („Heinrich V.“, vierter Akt, vierte Szene)
  • „Leben ist nur ein wandelnd‘ Schattenbild.“ („Macbeth“, fünfter Akt, fünfte Szene)
  • „Arm und vergnügt ist reich und überreich.“ („Othello“, dritter Akt, dritte Szene)
  • „Wie arm sind die, die nicht Geduld besitzen!“ („Othello“, zweiter Akt, dritte Szene)
  • „Wo Worte selten, haben sie Gewicht.“ („Richard II.“, zweiter Akt, zweite Szene)
  • „Doch niemand heilt durch Jammern seinen Harm.“ („Richard III.“, zweiter Akt, zweite Szene)
  • „Gut gehängt ist besser, als schlecht verheiratet.“ („Was Ihr wollt“, erster Akt, fünfte Szene)
  • „Besser ein weiser Tor als ein törichter Weiser.“ („Was Ihr wollt“, erster Akt, fünfte Szene)
  • „Gut gebrüllt, Löwe!“ („Ein Sommernachtstraum“, fünfter Akt, erste Szene)
  • „Sein oder Nichtsein; das ist hier die Frage.“ („Hamlet“, dritter Akt, erste Szene)
  • ·         „Begegnen wir der Zeit, wie sie uns sucht.“ („Cymbeline“, vierter Akt, dritte Szene)

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