Warum machen wir uns Sorgen?
Der Begriff Sorge beschreibt ein durch vorausschauende Anteilnahme gekennzeichnetes Verhältnis des menschlichen Subjektes zu seiner Umwelt und zu sich selbst. Eine subjektiv erwartete Not (Bedürfnis. Gefahr) wird gedanklich vorweggenommen und wirkt sich im Fühlen, Denken und Handeln des Besorgten oder Sorgenden aus. Das Spektrum reicht dabei von innerlichem Besorgt- oder Beängstigt-Sein bis zur tätigen Sorge für oder um etwas.
Ein Wirtschaftswissenschaftler würde sagen, dass die Sorge enorme Opportunitätskosten hat. Wenn wir darüber nachdenken, wie viel Zeit und Energie wir in die Sorgen investieren und wo diese Zeit und Energie stattdessen hätte investiert werden können, kommt das langfristige Problem der Sorgen deutlich zum Vorschein.
Die meisten von uns verstehen nur zu gut, dass Sorgen zu unnötig hohem Stress und Ängsten führen, ohne wirklich hilfreich zu sein. Und trotz des obigen Wirtschaftsjargons ist es nicht allzu schwer zu erkennen, dass das Sich-Sorgen-Machen eine potenziell tragische Verschwendung von Zeit und Energie ist.
Es ist schwer, wirklich produktiv und kreativ zu sein (und noch schwerer, glücklich und zufrieden zu sein), wenn wir uns ständig Sorgen machen.
Aber wenn wir wissen, dass Sorgen nicht gut für uns sind, warum tun wir es dann immer wieder? Warum ist es so schwer, sich keine Sorgen zu machen?
Angenommen, wir sind nicht dumm, masochistisch oder völlig irrational, dann müssen wir es aus irgendeinem Grund tun. Aber welcher Grund oder welche Vorteile könnten all die Nachteile rechtfertigen, die sich aus der Sorge ergeben?
Von Nick Wignall, einem Psychologen und Blogger habe ich die Antwort gelernt und der wesentliche Inhalt des heutigen Artikels sind Teile und freie Übersetzung eines seiner Artikel.
Wir sorgen uns aus dem gleichen Grund, aus dem wir Junk-Food zu uns nehmen:
Warum essen wir Junk-Food?
Weil es gut schmeckt!
All das verarbeitete Fett, der raffinierte Zucker und die salzigen Genüsse lassen das Lustzentrum unseres Gehirns wie einen Weihnachtsbaum aufleuchten, wenn wir in die Häagen-Dazs-Salted-Caramel oder die Tüte Doritos oder was auch immer unser Junk-Food der Wahl ist, beissen.
Und zu allem Überfluss ist Junk-Food sehr gut verfügbar, sehr billig, und wir spüren seine Auswirkungen sofort. Kombiniert man all das mit der Köstlichkeit, sind die vier Reiter der Willens-Apokalypse schon da.
Es stimmt zwar, dass wir in erster Linie deshalb Junk-Food essen, weil es uns ein gutes Gefühl gibt, dies aber nur für kurze Zeit. Und dann werden die Dinge hässlich. Und zwar schnell.
Wie wir alle erlebt haben, braucht es nicht viel Junk-Food, bevor wir schnell von herrlich lecker zu unbewusst nachdenklich werden – normalerweise eine Kombination aus Schuld, Scham und Frustration, vermischt mit diesem ekligen «Was-hab-ich-ich-jetzt-in-meinen-Körper-Gefühl». Manchem Lebensmittelchemiker dreht sich bei der einen oder anderen Lebensmittel-Analyse der Magen um.
Mit dieser gastronomischen Abschweifung möchte ich sagen, dass wir uns aus demselben Grund Sorgen machen, aus dem wir Junk-Food essen – weil es gut schmeckt!
Warum Sorgen gut «schmecken»?
Nun nimm alles, was wir gerade über Junk-Food gesagt haben und ersetze Junk-Food mit Sorge. Die Analogie passt überraschend gut.
Junk-Food essen und sich Sorgen zu machen, sind beides Verhaltensweisen, die auf lange Sicht nicht hilfreich sind – sondern schmerzhaft – aber uns dennoch ansprechen und schwer zu vermeiden sind, weil das kurzfristige Ergebnis für uns so erfreulich ist.
Trotz der ungesunden langfristigen Folgen machen wir uns Sorgen (und essen Junk-Food), weil es sich kurzfristig gut anfühlt.
Moment mal, denkst Du:
«Sorge fühlt sich nicht gut an. Ich fühle mich ängstlich und gestresst, wenn ich mir Sorgen mache!»
Ich weiss, so denken wir, aber vielleicht kann ich dich überzeugen:
Wir lieben Kontrolle
Insgesamt fühlt sich die Sorge nicht angenehm oder gut an; sie fühlt sich miserabel an. Wenn du möchtest, kannst du beim nächsten Mal, wenn du dich sorgst, in dich hineinhören. Vielleicht findest du heraus, dass sich «sorgen» auf ganz kurze Sicht gut anfühlt.
Warum? Sorge fühlt sich momentan gut an, vor allem im Vergleich zu der Alternative – nichts zu tun und nur Angst zu haben.
Mit anderen Worten:
Sich sorgen fühlt sich gut an, weil es uns etwas (und nicht nichts) zu tun gibt. Und das gibt uns das Gefühl, etwas weniger hilflos zu sein und wieder ein bisschen Kontrolle zu haben.
Ode an die Freude
Der zweite Schlüssel zum Verständnis, warum sich Sorgen kurzfristig gut anfühlen, ist die Erkenntnis, dass es zwei Möglichkeiten gibt, ein Gefühl der Freude zu spüren:
Du kannst etwas Gutes zu deinem Leben-Erleben zutun (Dessert essen) oder du kannst etwas Schlechtes entfernen (urinieren, wenn die Blase sich meldet). Beides sind Lustempfindungen, aber die zweite ist angenehm durch die Linderung von «Schmerz», während die erstere durch das Hinzufügen von etwas «Gutem» angenehm ist.
In der Terminologie der Verhaltenswissenschaften sind sowohl das Essen von Junk-Food, als auch das Besorgnis erregende Verhalten verstärkende Verhaltensweisen, die zu einem guten Gefühl führen.
Während Junk-Food typischerweise ein positiver Verstärker ist, weil es etwas Gutes hinzufügt (Vergnügen), ist das Besorgnis erregende Verhalten ein negativer Verstärker, weil es etwas Schlechtes entfernt (Hilflosigkeit/Angst). Es sind einfach zwei verschiedene Wege, um zum gleichen Ziel zu gelangen, nämlich sich besser zu fühlen.
Die Freude an der Sorge folgt dieser zweiten Formel und wirkt als negativer Verstärker. Die Sorge fühlt sich gut an, weil sie uns vorübergehend von den Beschwerden befreit, die mit dem Gefühl der Hilflosigkeit verbunden sind.
Wenn wir mit einer ängstlichen Situation konfrontiert werden, gegen die wir eigentlich nichts tun können, geben wir uns die Illusion von Kontrolle (und Befreiung von der Hilflosigkeit), indem wir uns Sorgen machen. Wir sind vielleicht nicht in der Lage, tatsächlich etwas gegen ein Problem zu tun, aber die Sorge darum gibt uns das Gefühl, dass wir etwas tun.
So wie der Körper sich nach Kalorien sehnt, so sehnt sich der Geist nach Kontrolle. So sehr, dass wir unseren Verstand dazu bringen können, zu glauben, dass wir ein Problem tatsächlich lösen, indem wir es immer und immer und immer und immer und immer und immer wieder in unserem Verstand ablaufen lassen. Und zu allem Überfluss ist die Sorge, wie Junk-Food, auch noch ständig verfügbar, billig und sofort wirkungsvoll.
Wie mit Sorge umgehen?
Ich hoffe, dass ich bis zu diesem Zeitpunkt überzeugend aufgezeigt habe, dass wir uns Sorgen machen (und weiterhin Sorgen machen), weil es uns sehr kurzzeitig ein gutes Gefühl gibt, indem es uns von dem sehr unangenehmen Gefühl der Hilflosigkeit ablenkt. Niemand mag es, sich ängstlich zu fühlen, aber die meisten von uns würden sich lieber ängstlich als hilflos fühlen.
Aus dieser Perspektive ist die Sorge unser Versuch, die Hilflosigkeit zu überwinden. Und obwohl es auf lange Sicht nie funktioniert, versuchen wir es immer wieder, weil es sehr kurzzeitig doch funktioniert, wenn auch mit dem unglücklichen Nebeneffekt, dass wir im Austausch gegen die Illusion von Kontrolle gestresst und ängstlich bleiben.
Aber wenn du wirklich aufhören willst, dir Sorgen zu machen, gibt es wirklich nur einen Ausweg: Die Akzeptanz.
Um nicht mehr vor dem Gefühl der Hilflosigkeit wegzulaufen, müssen wir uns insbesondere darauf trainieren, mit dem Gefühl der Hilflosigkeit und der Kontrolllosigkeit zurechtzukommen. Und wie bei jeder anderen Art von Training besteht der Trick darin, klein anzufangen.
Wie mit Hilflosigkeit umgehen?
Der erste und wichtigste Schritt ist, sich bewusst zu machen, wie Sorge in deinem Leben funktioniert.
Wenn du dir Sorgen machst, versuche, die Ursache oder den Auslöser für die Sorge zu identifizieren und beobachte, wie du dich dadurch emotional fühlst. Fühle die Emotion, ohne über sie nachzudenken.
Für die meisten von uns ist dies eine schwierige Aufgabe – unsere Emotionen einfach zu spüren, ohne darüber nachzudenken. Es ist ein unangenehmes und unnatürliches Gefühl und du hast jahrzehntelange Erfahrung damit, dir zu sagen, mehr darüber nachdenken (d.h. sich Sorgen machen), um es in Ordnung zu bringen.
Das ist die Aufgabe. Wenn wir in der Lage sein wollen, uns nicht auf Sorgen einzulassen und uns von all den Ängsten und dem Stress zu befreien, die damit einhergehen, müssen wir bereit sein, unsere unbehaglichen Emotionen, insbesondere die Hilflosigkeit, zu fühlen und sie zu akzeptieren.
Fange klein an und sei geduldig. Nimm kleine Fragmente der Sorge wahr. Bemerke, dass du dich, wegen jahrelanger Gewohnheit, zur Besorgnis hinreissen lässt. Dann kannst du wählen:
Entscheide dich dafür, bei der Emotion zu bleiben – für einen Moment. Dann hast du die Freiheit, deine Gedanken woandershin zu lenken. Entweder du hast Kontrolle oder du hast sie nicht.
Schlusswort:
Selbst sich Sorgen machen und grübeln gibt ein gutes Gefühl (kurzfristig), weil wir glauben, wir hätten Kontrolle. Wir wollen immer alles verstehen, und machen uns selbst dabei leicht etwas vor.
Wenn wir unsicher sind, wollen wir es erklären. Manchmal werden dabei Informationen als wahr angenommen, ohne diese wissenschaftlich geprüft zu haben. Ob Corona eine Krise wert ist oder nicht, weiss heute noch niemand.
Dieses Nicht-Wissen bringt uns Kontrollverlust und lässt uns hilflos fühlen. Aber, was du fühlst, kannst du beeinflussen – mit etwas Übung.
Bleib gesund – zum Teil hast du darüber Kontrolle.
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