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Wir sind kreativ…

Pfannenstiel, 30 August 2015, 06.45 Uhr

Im Leben reagieren wir oder wir kreieren.

Kreation und Reaktion sind Anagramme. Beide Worte bestehen aus den gleichen Buchstaben. Vielleicht ist das der Grund, weshalb wir so einfach von dem einem in das andere wechseln? Die langen blonden Haare zu einem Pferdeschwanz gebunden, sass die 7jährige Anna in sich gekehrt in der Malstunde.  Das hatte ihre Lehrerin Frau S. noch nie gesehen. Neugierig und gleichzeitig vorsichtig schlenderte sie zu Anna und fragte: „Anna, du bist so konzentriert…?“ „Ja“ „Hmh, was malst du denn Schönes? „Ich male den lieben Gott!“ „Aber Anna, es weiss doch niemand wie der liebe Gott aussieht.“ „Stimmt“, sagte Anna und ergänzte: „in 10 Minuten weiss die ganze Klasse, wie Gott aussieht!“

Kommentar

Kinder im Kindergarten gefragt, ob sie denn kreativ seien, lässt alle die Hände heben und „ich“, „ich“ rufen. Kürzlich in einem Workshop mit 27 erwachsenen Teilnehmern, hoben gerade drei mit Zögern ihre Hand auf die gleiche Frage.

„ES“ ist so.

ES steht für Eltern und Schule. Es wird uns eingeprägt, dass Kreativität etwas ganz Spezielles, Künstlerisches sei wie Malen, Schreiben, Basteln…. also schöpferisch Sein (creare Lat. = schöpfen). Damit wachsen wir auf und verlieren den Glauben an unsere Kreativitätsfähigkeit. Doch:

„Jeder Mensch kann kreativ sein.“

Der Chicagoer Psychologe Csikszentmihaly (ausgesprochen: chicks sent me high; und Autor von „Flow-Erleben“) beschreibt Kreativität „als den Zustand, vollständig in der Aktion um der Aktion willen aufzugehen. Das Ego verschwindet. Die Zeit fliegt. Jede Aktion, jede Bewegung und jeder Gedanke folgen unausweichlich dem vorherigen, ähnlich wie beim Jazz. Man ist gesamtheitlich involviert und alle Fähigkeiten werden bestmöglich genutzt.“ Diesen Zustand kennen wir alle. Natürlich sind wir nicht 24 Stunden am Tag im „Flow“ – und doch, wenn wir wollen, können wir zumindest entscheiden, dass jegliches Agieren Teil unserer Kreativität ist.

Was kreieren Sie heute?

Da bemängelt der Geschäftspartner ein Verhalten und wir rechtfertigen uns. Wir fertigen uns ein Recht. Das ist Reagieren. Sich für das Feedback bedanken und der Sache auf den Grund gehen wäre kreativ. Ein Wagen fährt rückwärts aus dem Parkplatz und hat Ihr Auto übersehen. Blechschaden. So ein Depp, hat der denn keine Augen im Kopf, der Blödmann! Das ist Reagieren. Akzeptieren, dass dies auch uns hätte passieren können, dass es nun mal passiert ist und dass Gott sei Dank niemand verletzt  wurde, ist kreativ mit der Realität umgehen. Nicht alle Reaktionen sind negativ. Wir müssen reagieren wenn die rote Ampel auf Grün schaltet. In vielen Fällen jedoch, wenn Menschen reagieren, wirkt es defensiv, also verteidigend gegen äussere Einflüsse. Mit einer Reaktion sind wir oft im Nachteil, denn beim Reagieren haben die Emotionen die Oberhand, die Logik ist ausgeschaltet und wir sehen nur unsere Realität und nicht das grössere Bild davon.

Wir erkennen Reaktionen sofort, wenn wir sie bei anderen sehen. Unüberlegt sprudeln die Antworten und die Autonomie des Gegenübers wird verletzt.

„Davor habe ich doch schon vor Wochen gewarnt, warum hört denn keiner auf mich?“

Das ist leidenschaftlich. Leidenschaft baut jedoch besser auf Sinn, Zweck und Achtsamkeit, als auf unerwarteten und unproduktiven Stimuli.

Kreativität mag zwar ebenso durch externe Einflüsse motiviert sein, ist jedoch überlegt, kontrolliert und beinhaltet Fragen wie:

Was passiert eigentlich?

Was will ich?

Wie kann ich in dieser Situation kreativ agieren?

Kreatives Verhalten ist weniger emotional beladen und folgt mehr der Logik und damit der Wirklichkeit. Sie beinhaltet automatisch mehr Achtsamkeit, erstens mit sich selbst und zweitens mit den anderen.

Der Vorteil der Kreativität ist nicht nur, dass die Aktionen meistens positiv sind, sondern auch, dass sie zivilisierter sind und wir uns mehr entwickeln. Wir lernen etwas Neues.

Kreieren heisst zu experimentieren. Kreativität verändert das nächste Experiment, wenn das gewünschte Ergebnis nicht erzielt wurde.

Kreativität ist Innovation. Und diese beinhaltet das Risiko, Fehler zu machen. Aus Fehlern lernen und wachsen wir. (siehe: Fehler lieben).

Kreieren führt zum Innehalten und wir denken lösungsorientiert, vorwärts und in Optionen.

Kreieren kommt von Innen und erhöht unsere Lebensqualität, weil wir bewusst unserem Kern vertrauen.

Kreieren ist Aktion (siehe: Aktivität oder Aktion) während reaktives Verhalten zu Frust und Monotonie führen kann. Reagieren reduziert unsere Freiheit zu agieren und verringert unsere Wahlmöglichkeiten.

Reaktionen sind oft spontan und damit Basis für Missverständnisse.

Wenn Sie mir zustimmen (ich freue mich auf Ihren Kommentar), Sie wollen und bereit sind, können Sie jeden Tag mit der Frage beginnen:

Was kreiere ich heute?

 

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