Bild: qz.com

Bevor Du urteilen kannst über mich oder mein Leben,
ziehe meine Schuhe an und laufe meinen Weg,
durchlaufe die Straßen, Berge und Täler,
fühle die Trauer, erlebe den Schmerz und die Freude.

Durchlaufe die Jahre, die ich ging,
stolpere über jeden Stein, über den ich gestolpert bin,
stehe immer wieder auf
und gehe genau dieselbe Strecke weiter,
genau wie ich es tat.

Erst dann kannst Du über mich urteilen.

(Quelle nicht gefunden)

Ein Spruch voller Poesie. Was ist mit „ziehe doch erstmal meine Schuhe an“ gemeint? Wohl doch, dass Du eine andere Person besser verstehst, wenn Du ihren Blickwinkel, inklusive der Lebenserfahrung einnimmst. Ist das überhaupt möglich? Psychologische Forschung schlägt vor, dass diese Richtlinie einen Haken hat: Wenn wir uns das Innenleben einer anderen Person vorstellen, erfahren wir nicht notwendigerweise, was im Kopf des anderen vorgeht.

Laut einer Studie (PDF), veröffentlicht im Journal Personality and Social Psychology, genügt es nicht, sich vorzustellen, die Schuhe des anderen anzuziehen, um ihn besser zu verstehen. Stattdessen gilt es, die Perspektive des anderen zu erforschen – und das funktioniert nur durch Nachfragen.

Wissenschaftler der University of Chicago, der Northeastern University (US) und der Ben Gurion University in Israel führten 25 verschiedene Experimente mit Fremden, Freunden, Paaren und Eheleuten durch. Sie wollten herausfinden, inwieweit die Annahmen in Bezug auf die Gedanken, Gefühle, Emotionen, Ansichten, Einstellungen und Befindlichkeiten des Gegenübers akkurat waren.

Das Ergebnis der Studien fasste die Psychologin Tal Eyal für Quartz zusammen: Wir gehen davon aus, dass eine andere Person mehr oder weniger so denkt und fühlt wie wir. Das ist meistens nicht der Fall. Wir nehmen unsere Perspektive heran, um andere zu verstehen. Unsere Perspektive unterscheidet sich jedoch von der Perspektive der anderen. Diese „egozentrische Verzerrung“ führt zu fehlerhaften Interpretationen über die Gefühle und Präferenzen der anderen. Wenn wir uns vorstellen, wie sich ein Freund fühlt, nachdem er entlassen wurde oder wie er auf einen anrüchigen Witz oder eine politische Entscheidung reagiert, denken wir tatsächlich nur, wie wir in dieser Situation, so die Studie, reagieren oder und fühlen würden.

In 15 Experimenten mit jeweils mindestens 30 Teilnehmern wurden die Probanden gefragt, die Emotion, basierend auf ein Foto aufgrund der Haltung und des Gesichtsausdrucks zu benennen. Eine Gruppe wurde instruiert, die eigenen Gefühle miteinzubeziehen, eine andere Gruppe erhielt keinerlei Anweisung und eine weitere wurde gebeten, wirklich konzentriert zu analysieren. Jene Gruppe, die ihre eigenen Emotionen zur Hilfe nahmen, gaben die meisten fehlerhaften Antworten. Sie waren kaum in der Lage, die wahren Emotionen in den Bildern zu erkennen.

In einem anderen Set von Experimenten wurden die Teilnehmer gebeten, Vorhersagen über die Gefühle von Fremden, Freunden und Lebenspartnern zu machen. (Die Fremden wurden den Probanden kurz vorgestellt.) Die Forscher wollten sehen, ob Menschen, die einige sinnvolle Informationen über einander haben – wie Ehepaare – genaue Urteile über die Reaktionen auf Witze, Meinungen, Videos und anderes erstellen können. Es stellte sich heraus, dass weder Ehegatten, noch Fremde oder Freunde auch nur annähernd präzise Schlüsse ziehen konnten. Die schon etwas Älteren mögen sich an die Fernsehshow „Wünsch Dir was“ (1969-1972 ZDF) mit Dietmar Schönherr und Vivi Bach zum gleichen Thema erinnern.

„Our experiments found no evidence that the cognitive effort of imagining oneself in another person’s shoe, studied so widely in the psychological literature, increases a person’s ability to accurately understand another’s mind,” schreiben die Forscher. Im Prinzip mögen wir glauben, dass wir den anderen besser verstehen, wenn wir uns seine Schuhe anziehen, aber, so die Studie, dies ist eben nicht der Fall.

Es gab keine geschlechtsspezifischen Unterschiede in den Ergebnissen. Sowohl Männer als auch Frauen waren nicht in der Lage, die Perspektive anderer zu erraten, wenn sie sich in deren Schuhe versetzten.

Es gibt in alledem jedoch eine gute Nachricht! Die Forscher fanden einen einfachen, konkreten Weg mit dem wir – ziemlich sicher – einen viel besseren Einblick in die Gefühlswelt des Gegenübers erhalten. Spricht man mit dem Gegenüber, fragt ihn, hört ihm genau zu und erfasst seine Meinung, bevor man ihn einordnet – Eyal nennt dies „Perspektive holen“ im Gegensatz zu „Perspektive haben“ – dann wird die Stimmungs- oder Gefühlseinschätzung deutlich akkurater als beim „meine/deine“ Schuhe anziehen. Müssten ja auch gleich gross sein…

Im letzten Test baten die Forscher die eine Gruppe, sich in die Schuhe hineinzuversetzen und die andere, sich direkt mit den Test-Partnern auseinanderzusetzen, um sich deren Perspektive  holen. Das Experiment bestätigte, dass durch Konversation die Einschätzung der Stimmungslage deutlich akkurater war. Das ergab sich sowohl für Fremde, Freunde als auch Ehepartner.

Die Psychologen glauben, dass das Ergebnis der Studie beim juristischen Verhandeln, im Diplomatenumfeld, in der Psychologie und im Tagesgeschäft hilft. Ob wir am Verhandlungstisch sitzen, mit dem Partner streiten oder die Motivation von Wählern interpretieren, selten können wir uns auf unsere Annahmen verlassen, sagt Eyal. Nur wirkliches Zuhören hilft – und wir alle wissen, wirklich gute Zuhörer sind selten zu finden. (Besser Zuhören – Besser Kommunizieren: Kurs im Sales bis 10. September 2018)

„Perspektive „holen“ führt zu neuer Information und erweitert den Horizont. Dies ist auf jeden Fall besser als angenommene Information, die häufig ‚ego-verzerrt‘ ist“, erklärte Eyal. „Um zu verstehen, was Dein Partner will und bevorzugt – versuche nicht, es zu erraten, frage lieber.“

Inspiriert und vieles übersetzt aus dem Englischen Artikel, im Original hier bei Quartz.

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