damit wir doppelt so viel zuhören wie reden, heisst es denn auch in Goethes Zitat; ursprünglich aufgetaucht im Briefwechsel zwischen Goethe und Zeiter: „…und versteh‘ ich nicht alles, so hab‘ ich auf gut lutherisch zwei Ohren und nur ein Maul…“

Zeneon von Elea (der Ältere, Griechenland, 490 – 430 v. Chr.) hat es eventuell als erster erkannt:

Die Natur hat uns nur einen Mund, aber zwei Ohren gegeben, was darauf hindeutet,
dass wir weniger sprechen und mehr zuhören sollten.

Schulz von Thun erschwert es uns mit seinem Vier-Ohren-Modell noch ungemein mehr – und Loriot hat diese vier Ohren auf vielerlei Weise in „das Ei ist hart“ aufgegriffen. Genauere Erklärung der vier Ebenen beim Kommunizieren findest du bei: „Das Klopapier ist leer“.

Alles gut – und mit dem Zuhören ist es auf die eine oder andere Art so eine Sache. Man kann Menschen zum Schweigen bringen, sie jedoch niemals zum Zuhören zwingen. Echtes Zuhören ist ein Geschenk.

Zum einen Ohr rein, zum anderen raus – das kann es auch nicht sein. Zwei Ohren, das ist die Kernidee, die jetzt folgt. Ja, im Ernst, das ist alles – die ganze Botschaft in Kurzform. Und jetzt? Was denkst Du? Ich kenne dich nicht, aber ich vermute, dass du im Moment aus der Tiefe deines Bewusstseins und deiner Überzeugung die ersten Einwände hochsteigen lässt: „Natürlich“, so könntest du denken, “hat der Mensch zwei Ohren, das ist doch banal. Und überhaupt, was soll das? Das ist keine Idee zum Nachdenken, sondern lediglich eine Beschreibung der Realität“. Das kann man so sehen. Aber,

Die Qualität der Kommunikation bestimmt die Qualität unseres Lebens[1]

„Das ist gewiss nicht falsch, jedenfalls für unser hiesiges Leben in der westlichen Welt zu Friedenszeiten. Wir kommen als Beziehungswesen auf die Welt und von der Geburt bis zum Tod steht und fällt vieles – privat, beruflich und politisch – mit der Qualität des Miteinander. Und auch für den inneren Dialog gilt, dass seine Qualität für ein gelingendes Leben von grosser Bedeutung ist. Wie rede ich mit mir? Welche Stimmen lasse ich zu Wort kommen, wenn ich alleine bin? Bin ich auch da noch in guter Gesellschaft?“

Also, was denkst du über die zwei Ohren und zwar in Hinblick auf eine weiterführende Idee – wir haben ein Ich-Ohr und ein Du-Ohr?

„Gerade die erste Million gemacht, deinen ersten Deal abgeschlossen, die Einladung zu einer elitären Gruppe erhalten oder du hast schon so viel vollbracht, dass es für ein ganzes Leben reicht. Vielleicht bist du bestürzt über die Erkenntnis, wie einsam es da oben an der Spitze ist. Vielleicht ist es deine Aufgabe, andere durch eine Krise zu führen. Vielleicht wurdest du gerade gefeuert. Oder du bist am Boden zerstört. Wer immer du auch bist und was immer du tust, dein schlimmster Feind ist bereits in dir: Dein Ego.“

Das erste Prinzip lautet, dass man sich nicht selbst täuschen darf, denn man ist selbst die Person, die man am leichtesten täuscht.

Richard Feynman

„Nicht in meinem Fall“ denkst du jetzt. „Niemand käme je auf die Idee, mich einen Egomanen zu schimpfen.“ Möglicherweise hältst du dich für einen ausgeglichen Menschen?

Es geht nicht um das Ego im Freud’schen Sinne. Freud gefiel es, das Ego per Analogie zu erklären – das Ego als Reiter auf einem Pferd, wobei das Tier unsere unbewussten Triebe repräsentiert und das Ego versucht, diese zu steuern. Heutzutage dagegen verstehen die Psychologen unter dem Begriff „Egoist“ einen Menschen, der in gefährlichem Masse auf sich selbst konzentriert ist und allen anderen nur Missachtung entgegenbringt.

Das Ego, mit dem wir es (im heutigen Artikel) gemeinhin zu tun haben, folgt einer salopperen Definition: Es ist der ungesunde Glaube an die eigene Bedeutung, Arroganz und ichbezogener Ehrgeiz. Das renitente Kind, das entschlossen ist, seine Willen gegen jeden und alles durchzusetzen. Der Drang, besser zu sein als…, mehr zu sein als…, respektiert zu werden für…, weit über jedes angemessene Mass hinaus – das ist Egoismus. Es ist ein Gefühl der Überlegenheit und der Gewissheit, das alle Grenzen des Selbstvertrauens und der Begabung sprengt.

Selbstsicherheit schlägt in Arroganz um, Entschlossenheit in Halsstarrigkeit und Selbstbewusstsein in rücksichtslose Herrschsucht – dann spricht man von Egotismus. [2]

Ich-Ohr

Mit dem ersten, dem Ich-Ohr, hören wir nur entlang unseres Egos, unserer persönlichen Urteile, Vorurteile und Glaubenssätze. Hier liegt das Zentrum unserer Weltansicht, die Matrix unserer persönlichen Weltwahrnehmung. Hier widersprechen wir dem Kopernikanischen Weltbild. Nicht die Sonne steht im Zentrum, sondern ich. Hier fragen wir nach dem Grad der Übereinstimmung mit unseren eigenen Auffassungen, die als Filter funktionieren. Wir hören nur in unserer Welt zu und versetzen uns nicht in die Welt des Gegenübers. Damit tun wir uns keinen Gefallen, denn wir reduzieren unsere Auffassungsgabe und lehnen quasi jegliches Lernen ab. Unserem Horizont verweigern wir die Erweiterung.

Du-Ohr

Das Du-Ohr bringt die nicht-egozentrische Aufmerksamkeit. Hier versucht man, in die Welt des anderen einzutauchen. Man fragt: In welcher Welt ist das, was der andere sagt, plausibel, sinnvoll, wahr? Mit dem Du-Ohr hören wir den anderen wirklich – in seiner Fremdheit, seiner Schönheit, seinem Schrecken.

Zuhören wird so zum Auftakt echter Begegnung, letztlich zu einer Form des Liebens, wie der Psychologe Erich Fromm einmal schrieb. Und doch: Häufig regiert das glatte Gegenteil, das bewusste und halb bewusste Weghören: hm, hm, ja, hm, nein, nein, doch, ich hab dir zugehört! Oder die abwehrende Gleichgültigkeit und die Ignoranz im System, die den Skandal allmählich größer werden lassen. Sich mit Empathie selbst zu überwinden gelingt den wenigsten.

Wo würde Edward Snowden heute leben, hätte die NSA ihm ernsthaft zugehört?

Quintessenz

Nein, tut mir leid. Ein Grundrezept zum besseren Zuhören gibt es meiner Meinung nach nicht. Was man kann, ist, die eigene Einstellung hinterfragen und falls notwendig ändern. Sich um der Zuhörbarrieren bewusst werden.

Warum ist echtes Zuhören so schwer? Nun, zum einen gibt es den inneren Lärm. Das Geschnatter und Geplapper im inneren Dialog, mehr oder weniger unaufhaltsam, mal ängstlich, mal arrogant, mal übermüdet oder mal geltungsbedürftig. Beim Letzteren übernimmt das PR-Department die Oberhand.

Zum zweiten gibt es die konstante Über-Berieselung durch äusseren Lärm. All die vibrierenden und Töne von sich gebenden Smartphones, die WhatsApp Nachrichten und die hereinströmenden E-Mails.

Die Zeit scheint immer zu drängen, wie bei manchen Zuhörern, die den Redner nach 17 bis 25 Sekunden unterbrechen, weil sie glauben, schon zu wissen, was der andere ausdrücken will. Es braucht doch wirklich nicht mehr Information, um die Diagnose zu stellen. Kenn ich doch schon alles!

Vielleicht ist Zuhören eine eher niedrige Tätigkeit im Rahmen der Kommunikation? Der fesselnde Redner wird gefeiert, der Zuhörer sitzt unspektakulär als Empfänger im Saal – und liest seine neuesten E-Mails – nur keine E-Mail verpassen – wichtiger, als konzentriert zuzuhören?

Zuhörblockaden scheinen anthropologischer Pessimismus zu sein: Menschen sind widerspruchsfeindliche Wesen, warten deshalb ungern auf alle Information, weil eingehüllt in ihrer Welt der Sehnsucht nach Bestätigung, energisch eingeschlossen in ihrer kleinen Welt, die eigenen Gewissheiten auf Leben und Tod zu verteidigen – dann eben losplappern…

Was nicht zur eigenen Weltsicht passt, die so dominant sein kann, dass man nicht einmal hört, dass man nicht hört. Man will nicht wahrnehmen, oft ohne es zu wissen. Es ist eine Art Taubheit. Sie lässt Beziehungen erkalten und führt zu einem Nichterkennen von Bedürfnissen – sowohl bei den anderen als auch bei sich selbst. Wäre schon gut, wir würden das Du-Ohr als Standard verwenden.

Aktives Zuhören und empathische Zuwendung trainieren ist ein Anfang. Aber eben nur ein Anfang, vor allem in schematisch-starren Rollenspielen im Kunstlicht des Seminarraums. Gutes Zuhören ist eine Art von Freiheit, der eigenen und der des anderen, weil die Autonomie zweier Gesprächsteilnehmer gewahrt bleibt – und beide sich weiterentwickeln. Eine Erfahrung, die, wenn man sie erlebt hat, einem wie ein Geschenk vorkommt. Es ist Respekt für das Gegenüber und für die Menschlichkeit.

Wie macht man dies? Zuerst den inneren und äusseren Lärm abschalten. Innehalten und überlegen, was will der andere mir mitteilen – anstatt schon zu überlegen, wie denn die cleverste Antwort aussehen sollte. Dies, oh ja, bedingt im Hier und Jetzt zu sein und dem Gegenüber Respekt zu zollen. Das hat er oder sie verdient – genauso wie wir es von den anderen erwarten.

Man kann Menschen zum Schweigen bringen, sie jedoch niemals zum Zuhören zwingen. Und trotzdem, es färbt ab. Wenn du gut zuhörst, dann fängt das Gegenüber an, über kurz oder lang, auch besser zuzuhören. Ein Dialog ist ein Austausch von Information, von Anschauungen und Meinungen – und wenn die vollständig übereinstimmen würden, kann keiner was lernen. Am meisten lernt man, wenn man zuhört. Echtes Zuhören ist ein Geschenk, das wir wertschätzen, wenn wir es empfangen und das wir geben, wenn wir zuhören. Auch dein Gegenüber wird dies wertschätzen:

Gib‘ dem Du-Ohr eine Chance!

[1] Bernhard Pörksen, Friedman Schulz von Thun, Kommunikation als Lebenskunst

[2] Ryan Holiday, Dein Ego ist der Feind

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