Bild: Kristoffer Roller – unsplash

Ich habe keine Zeit

Es kann sein, dass der heutige Artikel den einen oder anderen Leser veranlasst, sich aus dem Newsletter Verzeichnis auszutragen. Warum? Weil das Thema «Zeit haben» für mich nur direkt ansprechbar ist und das wird nicht jedem gefallen.

Viele Menschen schlafwandeln durch ihre Biografie. Sie bewegen sich durch ihr Leben wie ein Zug auf Geleisen. Es gibt Zwischenstopps und am Ende des Jahres, Monats, Tages beginnt alles wieder am Startbahnhof und wiederholt sich. Die Reise dreht sich im Kreis. Woher weiss ich das? Weil ich selbst da war.

Der Autopilot, der uns bis zur Volljährigkeit eingebläut wurde. Die Tage werden abgespult. Aufstehen, arbeiten, Zeit mit Familie und Freunden verbringen, Filme oder Serien gucken, essen, trinken und schlafen gehen. Das Wochenende hat ein eigenes Programm – manchmal spannender, aber auch hier im Wiederholrhythmus.

Im Alltag gehen wir die gleichen gedanklichen Wege, sodass sich in unserem Hirn ein Trampelpfad gebildet hat, der sich im Laufe der Zeit zur vierspurigen Autobahn entwickelt hat. Die verlassen wir kaum. Unser Denken und unser Alltag bewegen sich in geregelten Bahnen. Schlechte Gewohnheiten ergeben Sinn, nur weil wir sie oft genug wiederholt haben. Ich habe keine Zeit, über mich nachzudenken.

Ich habe keine Zeit

Der Satz macht keinen Sinn. Zeit hat man nicht. Jeder weiss, dass der Tag 24 Stunden hat. Jeder hat gleich viel Zeit. Jeder hat 1.440 Minuten am Tag. Ich habe keine Zeit, ist eine Lüge, die wir uns selbst erzählen. Was dieser Satz in Wirklichkeit meint: «Ich habe keine selbstbestimmte Zeit. Mein Tagesablauf ist nicht meiner. Ich bin Gefangener meines Alltags. Ich bin Sklave, kein Meister!»

Der Satz «Ich habe keine Zeit» ist ein Manifest der eigenen Verzweiflung: Ein Ruf nach mehr Freiheit, Selbstbestimmung und Kontrolle über unsere Zeit. Wir fühlen uns, als ob wir keine Zeit hätten. Nicht überraschend, denn ständig werden wir bombardiert mit neuen Aufgaben – zuhause und im Job. Und zu guter Letzt kommt die Schwiegermutter auch noch vorbei …

Sklaven haben 24 Stunden am Tag und doch keine Zeit. Ziel ist es, sich weniger Sklavenzeit und mehr Meisterzeit zu nehmen. Sklaven werden nicht einfach freigelassen. Für Freiheit muss man kämpfen. Und, Glück kommt von Freiheit und Freiheit braucht Mut.

Man kann auf die richtige Zeit warten – aber, niemand wird dir Zeit zum Leben geben, du musst sie dir nehmen:

Ich bin der Meister meines Schicksals:
Ich bin der Kapitän meiner Seele.

Invictus

Zeit hat man nicht, die nimmt man sich. Dazu braucht es Mut. Mut zum NEIN-Sagen. Einmal zu sich selbst und zu anderen. Das «Nicht-NEIN-Sagen-Können» zählt mit zu den häufigsten Stressauslösern. Will man etwas bei sich verändern, braucht es Antwort auf die Frage, warum man es tut:

Warum ist NEINsagen so schwer?

Wir befürchten (haben Angst), uns unbeliebt zu machen – dass andere von uns enttäuscht sind und sich von uns abwenden. Einige der Gründe, die dahinterstehen:

Wir wollen Anerkennung

Wir wollen nicht verletzten

Wir wollen nicht enttäuschen

Wir wollen Pluspunkte sammeln

Wir möchten es allen recht machen

Wir wollen nicht als Egoist dastehen

Wir haben Angst vor den Konsequenzen

Wir wollen Konflikten aus dem Weg gehen

Wir wollen den anderen nicht vor dem Kopf stossen etc.

Menschen, die sich schwertun, «NEIN» zu sagen, haben einen Vorteil. Sie sind beliebt. Sie werden häufig gebraucht. In der Arbeitswelt findet man viele Beispiele. In jedem Betrieb gibt es die eine oder andere gute Seele, die für alles einsteht, immer einspringt, wenn Not am Mann ist – obwohl diese «Mutter der Kompanie» häufiger weiblich ist.

JA-Sagen ist einfach

Das ist das Problem – wir sagen zu etwas JA, weil es nicht nach viel klingt. Klar, ich kann mit dir Kaffee trinken! Aber dieser Kaffee beinhaltet auch das Hin- und Rückfahren und es braucht ein paar weitere E-Mails zur Koordination von Tag und Zeit und natürlich könnte es beim Kaffee einen Vorschlag geben, der zu mehr Kaffee und vielleicht sogar zu einem Projekt führt.

JA zu sagen ist einfach, denn das gegenwärtige Selbst denkt, dass das zukünftige Selbst damit umgehen kann. Und dann wird das zukünftige Selbst zum aktuellen Selbst und muss plötzlich alle Verpflichtungen erfüllen, die ihm von dem optimistischen vergangenen Selbst auferlegt wurden. Wir haben eine große Verpflichtung gegenüber all den Menschen, zu denen wir in der Vergangenheit JA gesagt haben. Und jetzt rufen sie alle an und bitten uns, diese Verpflichtungen zu erfüllen.

Sich mit JA anzupassen ist notwendig, weil wir soziale Wesen sind und voneinander abhängen. Aber, Anpassung ist nicht Unterwerfung.

JA zu allem zu sagen bedeutet, dass man nicht wirklich JA sagt – es bedeutet, dass man keine Prioritäten setzt. Du gehst keine ernsthafte Verpflichtung mit dir ein. Du bist dir deines Lebens – deiner Zeit – nicht bewusst.

Schaffe Raum in deinem Leben. Wir brauchen die Atempausen. Warum? Damit wir die Zeit nehmen können, uns klar zu werden, was das Wichtigste für uns ist. Zeit nehmen für die Dinge, die du liebst und für die Menschen, die du liebst. Stelle dir häufiger vier Fragen:

  1. Was genau mache ich gerade?
  2. Warum mache ich das?
  3. Wer profitiert davon?
  4. Bringt mich das, was ich tue, meinen Zielen näher?

Diese vier Fragen führen zu mehr Achtsamkeit im Alltag. Effektives Zeitmanagement gibt es nicht. Zeit kann nicht gemanagt werden. Zeit kann nur zugeordnet werden. Den Dingen zuordnen, die dir wirklich wichtig sind.

Mit zu vielen JA verlierst du im Laufe der Zeit den Respekt vor dir. Mit zu vielen JA ermunterst du die anderen, dich mehr auszunutzen – und sie verlieren den Respekt vor dir.

Wenn du deine Grenzen nicht setzt, werden es vermutlich die anderen tun. Warum? Weil sie davon profitieren (siehe Frage 3). Für deine Grenzen bist jedoch nur du verantwortlich. Für deine Freiheit bist nur du verantwortlich. Zum Ausnutzen gehören immer zwei. Jene Person, die ausnutzt, und jene, die sich ausnutzen lässt. Nicolas Chamfort brachte es schon im 18.ten Jahrhundert auf den Punkt:

Die Fähigkeit, das Wort NEIN auszusprechen,
ist der erste Schritt zur persönlichen Freiheit.

Der Feind des NEINS

Der Feind des NEINS ist die Bequemlichkeit. Wir sagen zu vielem JA und Amen aus Bequemlichkeit. Anstatt für das Grossartige JA zu sagen, geben wir uns mit dem Durchschnittlichen zufrieden, weil man es so leicht bekommt. Wir pflücken einfach die niedrig hängende Frucht und sind stolz auf uns. Dass dies nicht die besten Früchte sind, finden wir nicht so schlimm, weil alle anderen die gleichen Früchte pflücken. Aus Bequemlichkeit bleibt man bei dem, was man schon immer gemacht hat. „Schuster bleib bei deinen Leisten“, sagte man uns. Und da es anstrengend wäre, die Leisten zu verlassen, gehorchen wir dieser „Weisheit“.

Wie zeigt sich das?

Wir sitzen abends auf der Couch, schauen Serien und hoffen, dass das Leben besser wird. Vielleicht kommt morgen die Gehaltserhöhung. Vielleicht auch nicht. Ich warte dann einfach auf übermorgen. Wie der Vater, der jeden Tag bis spät abends arbeitet und hofft, dass er morgen mehr Zeit für seine Kinder oder sein Hobby haben wird.

Einige versuchen sich mit „Geduld“ herauszureden. Doch die Mehrheit wartet nicht aus Geduld, sondern aus Bequemlichkeit. Aus Bequemlichkeit geht man immer wieder die gleichen Wege, lebt nach einem festen Muster und fährt immer an den gleichen Ort in den Urlaub. Aus Bequemlichkeit werden neue Gesprächsthemen vermieden, die Kinder nicht erzogen und das eigene Unternehmen nie gegründet. Die Bequemlichkeit, immer wieder das gleiche zu tun, ist bei uns Erwachsenen fest verankert.

NEIN zur Bequemlichkeit

Sage NEIN zur Bequemlichkeit. Zeit wird dir niemand geben, du musst sie dir nehmen. Du musst aufstehen gegen die Gleichförmigkeit, die Bequemlichkeit und deine eventuelle Lustlosigkeit.

In unserer Gesellschaft gibt es für manche einen Irrglauben: Härter arbeiten, länger im Büro bleiben, weniger Zeit mit Familie oder weniger Zeit mit dem was wichtig ist. Dafür könne man den Ruhestand geniessen. Das Leben wartet nicht und die Zeit wartet auf niemanden. Nicht mal mit Geld kannst du nachholen, was du davor verpasst hast – und keiner garantiert dir, dass du den Ruhestand oder den morgigen Tag erleben wirst.

Und nicht vergessen:

JA sagen, sagt NEIN zu tausend Dingen. NEIN sagen sagt NEIN zu einer Sache – sagt JA zum Öffnen von tausend Türen. Du kannst dich immer fragen, wenn ich zu etwas JA sage, zu was sage ich NEIN? – oder – wenn ich NEIN sage, zu was sage ich JA?

Sage NEIN zu: «Ich habe keine Zeit.»

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