Bild: David  Zawila – unsplash

Du kennst die Frage: „Ist das Glas halb voll oder halb leer?“ Die Schlauen wissen gleich: sowohl als auch. Ob man an den jeweiligen Antworten den Optimisten oder den Pessimisten erkennen kann, sei dahingestellt. Ingenieure mögen die Frage mit: „Das Glas ist doppelt so gross wie es sein müsste“ beantworten und die Realisten und Physiker unter uns würden klarstellen: „Das Glas ist ganz voll. Zur Hälfte mit Luft und zur Hälfte mit Flüssigkeit.“

Im Song der Erdbeerfelder (Strawberry Fields Forever) hat John Lennon es bereits 1967 eindeutig mit drei Worten formuliert: „Nothing is real“ und Paul Watzlawick hat 1976 dem Thema ein ganzes Buch gewidmet: „Wie wirklich ist die Wirklichkeit? – Wahn, Täuschung, Verstehen

Ein grundlegendes Dilemma von uns ist, dass wir uns in der Wirklichkeit bewegen, verhalten und auf die Realität reagieren. Wissen wir denn genau, was die Realität ist – oder für die Älteren unter uns: Uri Geller. Seine Kräfte? Angeblich von Aliens – und trotzdem hielt er 1974 mit seinem Löffelbiegen eine ganze Nation am Fernseher in Atem.

Wir sind manchmal blind für das Offensichtliche. Nimm dir 1:21 Minuten Zeit, passe gut auf und zähle die Pässe der Bälle des weissen Teams im Video.

 Grundregel des Gehirns

Alles, was wir wahrnehmen, ist eine Folge der Interpretation durch das Gehirn – und diese Interpretation ist eine Folge unserer Erfahrungen, unserer Lebensgeschichte, unserer Glaubenssätze – und unserer Aufmerksamkeit.

Ohne das obige Video gesehen zu haben, verstehst du die nächste Frage kaum. Nimm dir die 81 Sekunden hier. Es lohnt sich.

„Was ist der Gorilla in deinem Leben?“ frage ich manchmal Klienten, wenn sie äussern, dass sie nicht so glücklich seien, wie sie sein wollen.

Es ist für mich immer wieder erstaunlich, wie viele intelligente, erfolgreiche und mitten im Leben stehende Menschen den einen oder anderen blinden Fleck zu haben scheinen; insbesondere den Glauben an Objektivität und Wirklichkeit im Leben. Alles was wir wahrnehmen, unsere Meinungen, Erkenntnisse, Schlussfolgerungen, Pläne, Ziele und Glaubenssätze sind gelernt, manchmal ohne dass uns das so richtig bewusst ist und alle sind subjektiv.

Schöner Mist. Zum Beispiel: Seit ich (dank Daniel) weiss, dass Wombats Würfel-Kacke produzieren, weiss ich, dass ich noch weniger weiss, als ich dachte.

Wenn wir also Dinge leicht übersehen können, hilft uns der eine oder andere kleine Trick das Wesentliche nicht dauerhaft zu übersehen.

Willst du in einer ruhigen Stunde tiefer in die Materie einsteigen kannst du dich hier mit dem radikalen Konstruktivismus auseinandersetzen. Sei jedoch gewarnt, selbst der radikale Konstruktivismus hat nach seiner eigenen Definition ein „Selbstanwendungsproblem“. Deshalb nachfolgend, wie ich denke, machbare Ableitungen in einer Zusammenfassung:

Den Gorilla finden

Wenn es gut läuft, dann läuft es halt gut. Und selbst in diesem Fällen schadet es nicht, zu reflektieren. Reflexion lebt vom Fragen stellen – frei nach dem Motto: „Wer fragt, der führt!“ – und man darf sich sogar selbst Löcher in den Bauch fragen und sich damit selber führen. Betrachte doch mal die eine oder andere Situation, das eine oder andere Problem unter dem Aspekt des Konstruktivismus.

 Slow down to speed up

Das eigene Tempo drosseln. Alles geht heute schnell. Die WhatsApp geschrieben, der Empfänger hat sie gelesen – und nach zehn Minuten immer noch keine Antwort. Ist was passiert? Wenn auf die E-Mail nach zwei Stunden keine Antwort da ist: „Hast du meine E-Mail nicht bekommen?“ Eile mit Weile – nimm dir Zeit. Reflektiere über die Dinge, die dir durch den Kopf gehen. Liege genüsslich auf der Couch oder sitze in einem Kaffee und tue nichts. Wenn es dann passt, kannst du dir ein paar Fragen stellen und dir Notizen machen:

Was ist (wie? wann? warum? wo? mit wem?) eigentlich das Problem?

Was genau will ich ändern?

Warum könnte ich X ändern wollen?

Was gibt mir diese Veränderung, was ich heute noch nicht habe?

Wie erkenne ich, ob ich die Veränderung erreicht habe?

Welchen Nutzen hätte es, wenn ich das Problem weiterhin bestehe lasse?

Zu was sage ich mit dieser Veränderung „nein“?

Wie erklärt sich die Entstehung des Problems?

Wann tritt es auf und seit wann belastet es mich – und wann belastet es mich nicht?

Wen beeinflusst mein Problem, wen weniger und wen überhaupt nicht?

Wie könnte ich mehr von dem tun, was ich in Nicht-Problem-Zeiten gemacht habe?

Wenn das Problem nicht wäre, was wäre anders?

Erfahrungsgemäss sind die Antworten auf diese Fragen gar nicht so einfach zu finden. Und doch, allein sich die Fragen zu stellen, führt einen in die Beobachterrolle und führt zu etwas Distanz zum Problem. Es ist nur ein Problem – und jedes Problem hat eine Lösung – wenn nicht, dann ist es ein Faktum und liegt ausserhalb deiner Beeinflussungsfähigkeit. Kein Problem existiert objektiv, sondern ist ein Konstrukt der Beteiligten mit ihren Annahmen, Erfahrungen, Glaubenssätzen und Wirklichkeitskonstruktionen.

Aufmerksamkeit beobachten

Im Tagesgeschäft liegt unsere Aufmerksamkeit meist in der Aussenwelt. Beim Aufwachen – was zieht als erstes die Aufmerksamkeit an? Die Brille oder das Smartphone? Übersehen wir uns dabei selbst? Vernachlässigen wir uns selbst, unsere Gedanken, Gefühle, Bedürfnisse, Wünsche und Träume? Nun, wie wäre es, zumindest ab und zu, die Aufmerksamkeit nach innen zu richten? Wer bin ich? Wie und wo spüre ich meinen Körper? Welche Stimmung habe ich gerade und warum? Man kann lernen, seine Gedanken und damit seine Gefühle zu beobachten – und somit kann man auch beobachten, worauf man seine Aufmerksamkeit richtet.

Aufmerksamkeit – was ist das eigentlich? Es ist eine Fähigkeit, einzelne Reize aus der Umwelt zu filtern, zu eliminieren und uns bestimmten Dingen oder Inhalten zuzuwenden. Wenn möglich dabei die Ablenkungen (heutzutage schwerer als angenommen) ausblenden. Vielleicht die Aufmerksamkeit auf sich selbst richten?

Über sich selbst nachdenken

So oft liegt in unseren Verhaltensroutinen die Ursache, dass wir immer wieder die gleichen Fehler begehen oder zulassen. Der Autopilot verschluckt den Zwischenraum zwischen Reiz und Reaktion. Innehalten, den Autopiloten erkennen und abschalten. Denn nur dann öffnen sich neue Wege und Möglichkeiten.

 Feedback ernst nehmen

Über das Feedback nachdenken, nicht gleich sich wehren oder rechtfertigen. Feedback beinhaltet wichtige Informationen über einen selbst. Obwohl das Feedback die Meinung einer anderen „Realität“ ist, ist es trotzdem recht häufig eine Erweiterung des eigenen Horizonts. Vielleicht auch nur, wenn man versucht zu verstehen, warum das Gegenüber das „glaubt“.

Einsicht ist der erste Schritt zur Besserung

Das stimmt in meiner Welt schon. Die Betonung liegt dabei jedoch auf allen drei Substantiven. Es braucht die Einsicht, um eine Lösung oder einen Lösungsweg zu erkennen. Das ist der erste Schritt – aber nur der erste! Die Einsicht ist nicht die Lösung als solche – denn diese braucht nach dem Einsichtsschritt noch konkrete Taten, die folgen müssen, um Besserung zu erreichen.

Einsicht ist die Fähigkeit, Zusammenhänge zu erkennen, sie zu begreifen (objektiv?) und geistig zu erfassen, zu verstehen. Achtung, Nachdenken darüber kann zu neuen Erkenntnisprozessen führen. Natürlich spielt dabei die eigene Wahrnehmung und die damit verbundenen Ergebnisse eine grosse Rolle.

Erkenntnisprozesse können häufig mit der ultimativen Frage

„Was wäre denn, wenn ich mit meiner Meinung falsch liege“

eingeläutet werden – und damit genug für heute und zum Schluss zurück zur ersten Frage in diesem Artikel in einer Variation:

Ein Glas Wasser[1]

Eine Psychologin schritt während eines Stress-Management-Seminars durch den Zuschauerraum. Als sie ein Wasserglas hoch hielt, erwarteten die Zuhörer die typische Frage: „Ist dieses Glas halb leer oder halb voll?“

Stattdessen fragte sie mit einem Lächeln auf dem Gesicht: „Wie schwer ist dieses Glas?“ Die Antworten pendelten sich zwischen 200g und 500g ein. Die Psychologin antwortete: „Das absolute Gewicht spielt keine Rolle. Es hängt davon ab, wie lange ich es halten muss!

Halte ich es für eine Minute, ist es kein Problem. Wenn ich es für eine Stunde halten muss, werde ich einen leichten Schmerz im Arm verspüren. Muss ich es für einen ganzen Tag halten, wäre mein Arm taub und paralysiert. Das Gewicht des Glases ändert sich nicht, aber umso länger ich es halte, desto schwerer wird es.“

Sie fuhr fort: „Stress und Sorgen im Leben sind wie dieses Glas Wasser. Denke über sie eine kurze Zeit nach und sie hinterlassen keine Spuren. Denke über sie etwas länger nach und sie werden anfangen dich zu verletzen. Wenn du über deine Sorgen die ganze Zeit nachdenkst, wirst du dich irgendwann wie paralysiert fühlen und nicht mehr in der Lage sein, irgendetwas zu tun.“

Es ist wirklich wichtig sich in Erinnerung zu rufen, den Stress und die Sorgen auch einmal beiseite zu schieben. Trag sie nicht in den Abend und in die Nacht hinein. Denkt daran, das Glas einfach mal abzusetzen!

[1] Quelle: sinnige-geschichten.de

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