Das Problem mit dem Kompass ist, dass er nicht die Richtung zum geografischen Pol, sondern diejenige zum magnetischen Nordpol anzeigt.

Zurzeit befindet sich True North (TN) etwa 1.000 Kilometer nördlich vom magnetischen Pol (MN). Diese Differenz nennt man „magnetische Deklination“ oder „Missweisung“. Die Größe der Ablenkung variiert mehr oder weniger von Land zu Land und von Ort zu Ort: In den USA und Kanada sind 20° und mehr Abweichung durchaus möglich, in Deutschland verläuft z. Zt. die 0°-Linie von Rostock, Harz, Nürnberg, Innsbruck.

Da ist es beim inneren Kompass einfacher. Wenn man einen für sich hat, gibt es nur einen. Und wofür braucht es den inneren Kompass?

Nun, aktuell könnte man sich ausgeliefert, macht- und hilflos fühlen. Um ins Handeln zu kommen und nachhaltige Lösungen generieren zu können, braucht es vor allem eines: Orientierung.

Orientierung

Wie findet man in einer Zeit, in der nichts sicher erscheint, seine Orientierung? Vielleicht könnte man von den Polynesiern lernen. Was haben die gemacht? Sie segelten einfach los, ohne überhaupt ein festes Ziel zu kennen; das klingt doch verrückt und widerspricht jeglicher Produktivitätslogik.

Oder auch nicht. Immerhin ist es den Polynesiern erfolgreich gelungen, die Tausende Kilometer vom Festland entfernten Inseln zu besiedeln.

Den inneren Kompass finden: Worauf vertrauen, wenn äußere Zielmarken nicht funktionieren? Zum Beispiel die eigenen Ressourcen abfragen. „Polynesisches Segeln“ bedeutet nämlich, sich Fragen zu stellen.

Ressourcen

Aufbrechen, ohne zu wissen, wo die nächste Insel ist oder ob überhaupt noch eine kommt. Das ist es, was die Polynesier vor Jahrhunderten getan haben, als sie viele Tausend Inseln des Südpazifiks besiedelten. Und dabei konnten sie sich nicht auf eine Karte, GPS oder andere Orientierungshilfen verlassen, sondern nur auf die Sterne, ihre Beobachtungen und ihr intuitives Erfahrungswissen. Das macht das Polynesische Segeln zum Sinnbild für die Fähigkeiten, mit Ungewissheit umzugehen und auch ohne äußere Ziele Handlungsmöglichkeiten zu generieren – und zwar aus sich selbst heraus. Dazu ist es allerdings notwendig, rational, emotional, körperlich und durch die Kraft der Imagination Kontakt mit den eigenen Ressourcen herzustellen.

Günther Höhfeld, managerSeminare 270, September 2020, Seite 64-70

Den Grund für diesen beeindruckenden Erfolg der Polynesier sehen Forscher in deren Geisteshaltung und darin, dass sie ein Ziel nicht verfolgten, um es zu erreichen, sondern, um nicht stillzustehen. Und obwohl enorme Kraftanstrengungen nötig waren, fühlten sich die Segler nie ohnmächtig, sondern entwickelten einen inneren Antrieb, einen inneren Kompass und konzentrierten sich darauf, möglichst erfolgreich einfach voranzukommen.

Ein definiertes Ziel brauchen die Polynesier nicht, sie müssen nicht an einem bestimmten Ort irgendwo ankommen. Denn die Funktion des Ziels ist für sie nicht, es zu erreichen. Die Funktion des Ziels ist, in Bewegung zu kommen.

ebd.

Es bietet sich an, eben diesen inneren Kompass für sich zu kreieren und zu entwickeln. Hierzu vier Anregungen:

Rationale und emotionale Ebenen der inneren Ressourcen

Frage dich zum Beispiel: Wer bist du? Was weißt du? Was kannst du? Was sind deine Netzwerke, denen du vertrauen kannst? und Was kannst du jetzt im Moment tun, um die Situation zu ändern? Etabliere damit einen inneren Beobachter. Das ist eine Meta-Ebene, die beobachten kann, wie du dich im Moment fühlst.

Für den inneren Kompass ist es daher wichtig, eine Position einzunehmen, aus der heraus man sich selbst mit Abstand, mit Über- und Weitblick beobachten kann.

ebd.

Vorhandene Kompetenzen

Du hast die wesentlichen Kompetenzen zur Krisenbearbeitung bereits in dir: Erfahrung, Intuition und Gespür. Um diese Kompetenzen zu aktivieren, braucht es erneut den inneren Beobachter, weil der hilft, Abstand zu seinen eigenen Gedanken und Gefühlen zu bekommen.

Frage dich, wo in deinem Körper es dir wie geht. Nicht, „ich habe Angst“, sondern, „aha, so fühlt sich Angst in mir an“. Die innere Distanz zu gewinnen, kann man mit allen Gefühlen machen.

Du könntest dich auch zum Beispiel zurücklehnen und an einen Moment erinnern, wo du dich ganz sicher gefühlt hast. Oder wo du Freude empfunden hast für Menschen oder Dinge oder weil du jemand anderem eine Freude bereitet hast.

Auf was wir im Moment unsere Aufmerksamkeit fokussieren ist immer, immer eine Entscheidung (wir haben die Wahl) in jeder Sekunde im Hier und Jetzt.

Probiere es einmal aus: Das Problem hast nicht du als ganze Person, sondern nur ein Teil oder eine Seite in dir. Es geht darum, diese Seite zu unterstützen, indem du dich beobachtest und damit das Problem relativierst. Im NLP nennen wir das „Dissoziieren“.

Erlebnisräume

Dauerstress ist gesundheitsschädlich für Körper, Geist und Seele. Aktuell Propaganda lesen führt zu Stress. In Kriegszeiten stirbt die Wahrheit zuerst.

Man kann den Stress in Urlaub schicken und sich zwischendurch mal erholen.

Mehrmals bewusst tief einzuatmen, hilft schon. Sich seiner Köperhaltung annehmen: Oberkörper aufrichten und sich seiner körperlichen Empfindungen bewusst werden. Oder wie es Gunther Schmidt so fantastisch formuliert:

„Wie man geht, so geht es einem und wie es einem geht, so geht man.“

Körperhaltungen steuern unsere eigene Wahrnehmung und unser Empfinden. Das Gefühl von eigener Stärke oder Schwäche ist direkt verbunden mit der Körperhaltung. Verändern wir diese, können wir, mit etwas Übung, sogar nachhaltig unsere Stimmung verändern. Das Erstaunliche dabei: Selbst, wenn wir eine starke Haltung vortäuschen, hat sie diesen Effekt. Wir können uns mithilfe unseres Körpers selbst hypnotisieren. Wie das geht und wie sich das sogar wissenschaftlich nachweisen lässt, zeigte die Sozialpsychologin Amy Cuddy schon vor 10 Jahren in ihrem Beitrag für TED.

Nimm eine Körperhaltung ein, in der du dich sicher und kraftvoll fühlst. Richte den Blick nach außen und empfinde den Raum und die Weite – wie damals auf dem Berggipfel oder am Strand am Meer, als die salzige Brise dir durchs Haar wehte.

Darum geht es letztendlich beim polynesischen Segeln: sich mit sich selbst zu versöhnen und in Kontakt mit den eigenen Ressourcen zu bringen, um in Krisensituationen neue Handlungsfähigkeit zu gewinnen.

ebd.

Imagination

Nutze deine inneren Bilder und dein Kopfkino für dich. Da gibt es Erinnerungsepisoden, die Kraft, Zuversicht und Ausdauer geben. Andere Episoden könnten dich in Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit bringen. Wähle mit Bedacht.

Du kannst auch auf die Reise gehen und könntest dir vorstellen, dass sich dein Zukunfts-Ich und dein Gegenwarts-Ich treffen. Deinem Zukunfts-Ich ist klar, dass du in der Gegenwart Entscheidungen triffst, ohne den Ausgang oder die Auswirkungen zu wissen.

Dein Zukunfts-Ich ist dankbar, dass du im Moment so mutig bist und Wagnisse eingehst und es weiß, dass du dein Bestmögliches tust.

Man kann sich auch ab und zu, wenn nötig, vorstellen, was mein Zukunfts-Ich jetzt an meiner Stelle in dieser Situation tun würde …

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