Illustration: Kieran Blakey

Wie alle anderen Affen sind wir Menschen auch soziale Tiere. Wir haben uns entwickelt, um in abhängigen Gemeinschaften zu leben, und es geht uns schlecht, wenn wir keinen oder zu wenig zwischenmenschlichen Kontakt haben.

Jeder hat seine eigene Schwelle für soziale Interaktion. Aber fast alle von uns neigen dazu, in Bedrängnis zu geraten, wenn wir von anderen abgeschnitten sind, und unser Immunsystem reagiert auf diese Bedrängnis, indem es seine Abwehrkräfte runterfährt. Eine neue Studie in der Fachzeitschrift «Neuroscience & Biobehavioral Reviews» zeigt, dass soziale Isolation mit einem Anstieg entzündungsfördernder Moleküle verbunden ist, darunter einige, die bei schweren Covid-19-Erkrankungen eine Rolle spielen.

«Menschen, die an Covid-19 erkranken, sterben nicht wegen einer hohen Viruslast, sie sterben wegen einer hohen Zytokinlast», sagt Dr. Stephen Porges, ein angesehener Universitätswissenschaftler an der Indiana University. Zytokine sind Immunzellen, die Entzündungen hoch- oder runterfahren können. In vielen Fällen von schwerem Covid-19 steigen die pro-inflammatorischen Zytokine an, und die daraus resultierende Entzündung verursacht Organschäden und Tod.

Unser Nervensystem benötigt soziale Interaktion. Ohne diese Informationen
kann sich unser Körper nicht beruhigen.

Porges sagt, dass sich dieser inzwischen berüchtigte «Zytokinsturm» aus einer Reihe von Gründen aufbauen kann. Medizinische Bedingungen wie Fettleibigkeit und Diabetes – beides sind etablierte Risikofaktoren für schwere Covid-19 – neigen dazu, die Zytokinbelastung einer Person zu erhöhen, sagt er. Das gilt auch für soziale Isolation.

Tausendsassa Nervus vagus

Lege doch mal deine Finger links an den Hals. Knapp unter der Haut verläuft der Nervus vagus. Eine Art Supernerv. Er reicht vom Gehirn bis in den Magen und ist an vielen lebenswichtigen Körperfunktionen beteiligt. An Atmung und Herzschlag, am Schlucken oder auch an der Bildung unserer Magensäure. Zirka achtzig Prozent seiner Fasern sind sensorisch. Das heisst, sie leiten Informationen von unseren Organen direkt ans Gehirn.

Der Nervus vagus ist von aussen leicht zugänglich – vielleicht mit ein Grund dafür, dass ihn die Medizin längst für sich entdeckt hat. Und zwar zur Behandlung neurologischer Erkrankungen wie Epilepsie oder Tinnitus. Schlagen bei den Patienten keine herkömmlichen Medikamente an, konzentrieren sich die Ärzte auf den Nervus vagus. Mit elektrischen Impulsen stimulieren sie den Nerv und können so die Folgen einer Erkrankung deutlich verringern.

Wenn Menschen Angst oder Kummer empfinden, einschliesslich der Art, die aus sozialer Isolation resultiert, ist das, was sie tatsächlich erleben, ein Anschwellen der Aktivität des sympathischen Nervensystems. Dieses System beschleunigt das Herz, verlangsamt die Verdauung und verursacht eine Reihe anderer physiologischer Veränderungen, die zusammen als Stressreaktion des Körpers bekannt sind.

Stress und die Aktivität des sympathischen Nervensystems sind normal und in Massen sogar gesund. Wenn jedoch das autonome Nervensystem immer im Kampf- oder-Flucht-Modus ist – wenn es nie in die Gelassenheit geht – dann fehlt der Ausgleich. Dieser Verlust des Gleichgewichts liegt der Dysregulierung des Immunsystems und den ausufernden Entzündungen zugrunde, die mit chronischem Stress einhergehen und die auch in Fällen von schwerem Covid-19 eine Rolle zu spielen scheinen.

Das parasympathische Nervensystem (PNS) ist das Gegengewicht, der Ausgleich zum Stress. Manchmal wird es auch als «Ruhe- und Verdauungssystem» bezeichnet.

Nervus vagus aktivieren

Das geht im Normalfall auch ohne elektrische Impulse. Es gibt viele Möglichkeiten, den Vagusnerv und seine stressreduzierenden Kräfte zu aktivieren: tiefe Atmung, Yoga, Meditation und andere Entspannungstechniken, die ein «Herunterfahren» von den Stressoren des Lebens beinhalten.

(mehr über wingwave)

Die Welt bewusst mit allen Sinnen wahrnehmen – und in sich ruhen. Im Trubel des Alltags kommt dies oft zu kurz. Wir fühlen uns schnell gestresst und können nur schwer abschalten, denken beim Frühstück schon an die To-do-Liste der nächsten Tage und grübeln abends über Vergangenes oder machen uns Sorgen über morgen.

Umso wichtiger, regelmässig in sich hineinzuhorchen und wieder innere Harmonie und Balance zu gewinnen. Dabei hilft der Vagusnerv, wenn er mehrmals am Tag (z.B. wie oben angegeben) aktiviert wird.

Wir können Stress nicht vermeiden. Und das sollten wir auch nicht. Stress kommt auf, wenn etwas auf dem Spiel steht, das uns viel bedeutet.

Anders formuliert: Nur was uns am Herzen liegt, kann uns auch nerven. Und ein Leben ganz ohne Stress würde ein Leben ohne Antrieb bedeuten. Doch es kommt auf die richtige Dosis an. Und wenn wir merken, dass Stress und Anspannung überwiegen, wird es höchste Zeit, einen Gang runterzuschalten und unseren Rhythmus und die Balance wiederzufinden – indem wir Verbindung zu unserem Vagusnerv aufnehmen und ihn stimulieren.

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