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Unterschiede leben – oder ja?

„Unterschiede „machen“ keine Unterschiede, sondern Menschen machen das.“

Gunther Schmidt (2011)

Ob etwas als Unterschied erlebt wird, oder einen Unterschied macht, bestimmt immer der Empfänger, nicht der Sender.

In seinem Buch „Managing Transitions“ hat sich William Bridges schon 1970 mit dem Unterschied zwischen „Veränderung“ und „Transition“ (Übergang) auseinandergesetzt. Genau genommen handelt es sich bei einer Veränderung lediglich um eine Abweichung vom Status quo, während der Übergang einen psychologischen Prozess beschreibt. Dies verwechseln wir gerne.

Die Transition besteht aus drei Phasen: dem Loslassen von Gewohntem, der psychologischen Neuorientierung und der Entwicklung einer neuen Identität (Neuanfang).

Das Wesen und die Grenzen einer Transition sind nicht offensichtlich. Übergänge bedeuten in der Regel ein schmerzhaftes, blindes Herantasten an eine neue, unbekannte und sogar bedrohliche Lebenssituation. Sie erfordern, dass man alte, bequeme Wege des Handelns oder der Interpretation von Erfahrungen aufgibt und neue Wege findet.

Viele Menschen, wenn sie an Veränderung denken, fokussieren sich auf das Ergebnis und weniger auf den Weg. Man denkt an das Neue und übersieht dabei gerne, dass es auch bedeutet, sich mit einem Prozess des Loslassens auseinanderzusetzen.

Das Ende – loslassen lernen

William Bridges hat es so beschrieben: „Es sind nicht die Veränderungen selbst, gegen die die Menschen Widerstand leisten. Sie leisten Widerstand gegen die Verluste und Abschiede, die sie erfahren haben, und gegen den Übergang (Transition).“

Denke zum Beispiel an einen Umzug in eine andere Stadt, weil sich eine berufliche Alternative für dich ergeben hat. Die bisherige Heimat war über die Jahre ein Teil von dir geworden. In der neuen Sachlage fehlt dir jetzt das eine oder andere und da kann Melancholie auftauchen.

Die erste Phase ist das Ende der „guten alten Zeit“. Man will nicht, aber es ist notwendig, sich von bequemen Mustern und Gewohnheiten zu trennen. Das ist nicht leicht und kann beängstigend sein. Schließlich haben wir uns in unserer vertrauten Welt eingerichtet. In ihr leben wir. Da wissen wir, wie sich die Dinge erledigen können.

Der Wechsel von dem, was man kennt, zu etwas, das man nicht kennt, scheint ver-rückt. In der Tat ist es für viele unerträglich, sich mit einem Ende zu versöhnen. Sie halten krampfhaft an ihren alten Gewohnheiten fest. Dennoch ist die Akzeptanz von Übergängen der einzige Weg zu persönlichem Wachstum.

Umgang mit den Emotionen

Transition geht einher mit Verlust. Bei Verlust durchlaufen die Menschen eine Achterbahn der Emotionen, die man „Zeichen der Trauer“ nennt: Sie sind wütend, traurig, ängstlich, depressiv, verwirrt.

„Jede Lebensphase hat eine Aufgabe, und wenn man sie nicht zufriedenstellend erfüllt, bedeutet das, dass der Übergang in die nächste Phase von unerledigten Aufgaben begleitet wird.“

Der Umgang mit diesen Gefühlen ist a) nicht besorgniserregend, solange wir sie nicht unterdrücken und b) durch den Umgang mit diesen Gefühlen werden wir befähigt, zukünftige Situationen (Episoden) zu akzeptieren.

Neutrale Zone

Die neutrale Zone ist wie das Überqueren einer Straße; man kann sich nicht lange darin aufhalten, aber man bringt sie hinter sich, wenn man auf die andere Seite gelangen will. Um die Arbeit in der neutralen Zone zu tun, gilt es, sich ihr zunächst hinzugeben und eine Rückkehr zum ursprünglichen „Chaos“ zu akzeptieren. Es ist jedoch auch eine Zeit, in der man sich von einem Burnout (stark übertrieben) erholen und neue Energie speichern kann, ähnlich wie eine Pflanze während ihrer Winterruhe.

Letztendlich gewinnt man eine neue, umfassendere Perspektive und einen gewissen spirituellen Abstand von belanglosen Lebensbereichen.

Die neutrale Zone ist eine Zeit der Bedrängnis, der Verwirrung, der Leere und des Verlustes. Die modernen Gesellschaften haben wenig Verständnis oder Wertschätzung für sie. Sie betrachten die Leere als Abwesenheit von lohnender Aktivität. Deshalb haben viele Menschen große Schwierigkeiten in dieser Phase. Viele nehmen sich schließlich eine „Auszeit“, um sich neu zu orientieren – der moderne Ersatz für die Rituale alter Gesellschaften, die erkannten und intuitiv wichtige Meilensteine im Leben ehrten, wie zum Beispiel den wichtigen Übergang von der Kindheit zum Erwachsensein.

Neuanfang

Im Gegensatz zum Neustart, der normalerweise sorgfältig geplant wird, beschreibt der Neuanfang das Ende der Übergangszeit, der neutralen Zone.

Die neue Phase entsteht nicht wie das Licht einer Glühbirne, wenn man auf den Knopf drückt – so wünschenswert das auch wäre.

Ein Neuanfang ist (nicht immer) fast wie eine Wiedergeburt. Der Neuanfang kann in Form einer neuen Beziehung, eines Projekts, eines Ortes oder sogar einer neuen Denkweise erfolgen. Er ist in der Regel zufällig und nicht geplant. Tatsächlich wissen die meisten Menschen in einer Übergangsphase nicht, dass sie das Ende einer Lebensphase erreicht und eine neue begonnen haben.

Um einen Neuanfang zu erkennen, achte auf subtile innere Botschaften und Signale. Oft äußern sich diese in Form von plötzlichen, flüchtigen Dranggefühlen – sich selbständig zu machen oder wieder zu studieren. Manchmal kommen sie in Form von Träumen – denen die Alten weise, wie sie waren, mehr vertrauten als die modernen Menschen. Der Verstand benutzt (manchmal) Träume, um auf etwas Neues vorzubereiten. Diese Signale können dazu führen, dass man sich defensiv fühlt. Das ist der Versuch des Unbewussten, zu beschützen, indem „ES“ das Beenden und die Veränderungen vermeidet.

Fazit

Übergänge (Transitions) sind Prozesse, Episoden und Phänomene und brauchen ihre Eigenzeit. Man kann sie nicht einfach ein- und ausschalten. Es braucht immer Zeit, und Fortschritt kann langsam sein. Während der Übergänge ist es wie beim Marathonläufer, nicht wie beim 100-Meter Sprinter. Das Motto sollte lauten: „Ich bin noch nicht der neue Mensch, der ich einmal sein werde. Und langsam, aber sicher, komme ich dahin.“

Und dann passt Gunther Schmidt noch einmal:

Der Unterschied zwischen Theorie und Praxis ist in der Praxis grösser als in der Theorie.

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