Altern ist eine unvermeidliche Realität des Lebens. Wie wir uns jedoch dabei fühlen, wenn wir älter werden, und wie wir uns selbst im Alter wahrnehmen, wird durch eine Vielzahl von Faktoren beeinflusst: von unserer genetischen Veranlagung über unseren Lebensstil bis hin zu unserer psychischen Verfassung. In diesem Beitrag werde ich die Rolle unserer Selbstwahrnehmung bei der Gestaltung unseres Lebens und somit unserer Erfahrungen, auch mit dem Altern, andiskutieren. Es ist wichtig zu wissen, dass unser subjektives Altersbild oft von der Realität abweicht. Dieser Prozess, den wir die „Konstruktion des Alters“ nennen, kann sowohl positive als auch negative Auswirkungen auf uns haben.

Das Alter, wie wir es verstehen, ist im Grunde eine Illusion. Nicht die biologische Realität des Alterns ist eine Illusion, sondern die Wahrnehmung und das Selbstbild, das wir davon konstruieren. Diese Konstruktion erstreckt sich auf jede Lebensphase und ist nicht auf das Alter beschränkt. Denken wir zum Beispiel an den Urlaub. Viele Menschen glauben, dass sie im Urlaub glücklicher sind, aber in Wirklichkeit nehmen sie ihre Sorgen und Gewohnheiten mit.

Der zugrunde liegende psychologische Mechanismus dieser Wahrnehmung wird als „sich selbst erfüllende Prophezeiung“ bezeichnet. Wir prägen unsere Wahrnehmungen und Erwartungen auf bestimmte Ergebnisse hin und gestalten dann unsere Urteile nach diesen Prägungen. Wenn wir also bestimmte Vorstellungen davon haben, was Altern bedeutet, beeinflusst  dies unsere tatsächlichen Erfahrungen und unser Verhalten.

Die gute Nachricht ist jedoch, dass wir diese Konstruktionen durchbrechen können. Indem wir uns unserer selbst konstruierten Illusionen bewusstwerden, können wir unsere Ängste abbauen und realistischere Erwartungen an das Alter entwickeln und damit unsere gesamte Wahrnehmung des Lebens beeinflussen.

Fazit

Das Leben ist ein ständiger Prozess der Veränderung und des Wachstums. Während sich unsere Identität im Laufe des Lebens herausbildet und festigt, ist es hilfreich, wenn diese Identität im Laufe der Zeit hinterfragt, sprich durchlässiger wird.

Das bedeutet nicht, dass wir uns selbst verlieren, sondern dass wir offen für Veränderungen bleiben und uns erlauben, zu wachsen, zu lernen und uns weiterzuentwickeln.

Das Alter will nicht als Feind betrachtet werden, den es zu bekämpfen gilt, sondern als eine Lebensphase, die ihre eigene Schönheit, Weisheit und Erfüllung mit sich bringt. Das Verständnis und die Akzeptanz unserer eigenen Wahrnehmung des Alterns ist der Schlüssel, um dieses Potenzial voll auszuschöpfen.

„Man sollte sich nie mit sich selbst verwechseln, zumindest nicht dauerhaft. Und schon gar nicht, wenn man schon eine Zeit lang auf dieser Erde verbracht hat. Je sicherer wir uns unserer Identität sind, desto weniger können wir uns nämlich vorstellen, dass unserer Existenz etwas passieren kann, desto mehr sind wir imstande uns aufzugeben, ohne etwas zu verlieren. In dieser, man könnte vielleicht Durchlässigkeit unserer Identität sagen, sind wir ultimativ jung.“

Lehofer, Prof. Dr. Michael. Alter ist eine Illusion