Kapital 1

  • Ich gehe die Straße entlang.
    Da ist ein tiefes Loch im Gehsteig.
    Ich falle hinein.
    Ich bin verzweifelt.
    Es ist nicht meine Schuld.
    Es dauert endlos wieder herauszukommen.

Kapitel 2

  • Ich gehe dieselbe Straße entlang.
    Da ist ein tiefes Loch im Gehsteig, ich tue so, als sähe ich es nicht.
    Ich falle wieder hinein.
    Ich kann nicht glauben, schon wieder am gleichen Ort zu sein.
    Aber es ist nicht meine Schuld.
    Immer noch dauert es sehr lange wieder herauszukommen.

Kapitel 3

  • Ich gehe dieselbe Straße entlang.
    Da ist ein tiefes Loch im Gehsteig. Ich sehe es.
    Ich falle noch einmal hinein… aus Gewohnheit.
    Meine Augen sind offen. Ich weiß, wo ich bin.
    Es ist meine eigene Schuld.
    Ich komme sofort heraus.

 Kapitel 4

  • Ich gehe dieselbe Straße entlang.
    Da ist ein tiefes Loch im Gehsteig.
    Ich gehe darum herum.

Kapitel 5

  • Ich gehe eine andere Straße.

Fazit

Unser Verstand sieht längst klar und weiß, was wir vermeiden sollen. Die Falle oder das Loch auf unserem Weg zu erkennen, gelingt uns oft wie von selbst. Doch das Erkennen allein, genügt nicht.

Es fühlt sich nicht gut an, hineinzutreten. Und es hindert uns daran, geradeaus weiterzugehen. Doch das Wissen um das Loch nützt uns wenig, denn die Gewohnheit hält uns gerne in den vertrauten Bahnen. Das Loch verschwindet nicht – wir können es nicht wegdenken. Im Routinemodus gelingt es uns nicht, mit dem Loch umzugehen und den Blick auf einen neuen Weg zu richten. Handlung ist gefragt. Umdenken.

Wirkliche Veränderung ist für uns Menschen ein Prozess, dem eine aktive Unterbrechung des Gewohnten vorausgeht. Manchmal braucht es einen Anstoß mehr, um der eigenen Betriebsblindheit zu entkommen. Aber mit neuen Erfahrungen beginnen wir, neue Wege zu gehen …

Quelle: There´s a Hole in My Sidewalk: The Romance of Self-Discovery

„Ein Loch ist da, wo etwas nicht ist. Das Loch ist Kompagnon des Nicht-Lochs: Ein Loch allein kommt nicht vor…. Wäre überall etwas, dann gäbe es kein Loch… Die Maus könnte nicht leben ohne es, der Mensch auch nicht: es ist beider letzte Rettung, wenn sie von der Materie bedrängt werden.“

Kurt Tucholsky, 1931, Nota bene