Als ich noch nach Instrumentenflugregeln meine Kunden in Europa besuchte, habe ich beim Fliegen das eine oder andere fürs Leben gelernt.

Das Flugzeug außen nach Checkliste gecheckt und beim Taxiing, kurz vor der Abflugkontrolle, meldet der Tower: N 770 S (meine Kennung), deine Slotzeit wurde um 10 Minuten vorverlegt. Also Stress!

Mein gelerntes Mantra damals: „Wenn Stress, dann eile mit Weile“. Warum? Nun, wenn man in der Luft ist, fällt es einem schwer, anzuhalten, abzuwarten und Luft zu holen. Oben gibt es keine Parkplätze. Man will vorher sicher sein, dass alles so funktioniert, wie man es erwartet. Also geht man die Pre-Flight-Checkliste langsam und ruhig durch.

Wie im richtigen Leben, wenn es stressig wird.

Im digitalen Zeitalter, in dem wir leben, haben wir uns an den täglichen Strass gewöhnt. Wir glauben, dass Schnelligkeit und Effizienz die Königsdisziplinen unserer täglichen Arbeit sind. Doch inmitten dieser hektischen Welt, die von ständiger Konnektivität und einer Flut von Anforderungen geprägt ist, erhebt sich eine Stimme, die uns auffordert, innezuhalten und eine neue Perspektive einzunehmen: die der langsamen Produktivität.

Cal Newport („Slow Productivity“), einer der Vordenker unserer Zeit, hat es sich zur Aufgabe gemacht, uns durch das Dickicht der modernen Arbeitswelt zu führen und uns aufzuzeigen, dass es einen alternativen Weg gibt – einen Weg, der nicht nur nachhaltiger ist, sondern auch zu größerer Zufriedenheit und sinnvollerer Arbeit führt.

Newports Philosophie basiert auf der Erkenntnis, dass unsere traditionellen Vorstellungen von Produktivität, die von ständiger Aktivität und dem Abarbeiten endloser To-Do-Listen geprägt sind, in der Wissensgemeinschaft nicht nur fehl am Platz, sondern geradezu schädlich sind.

Er entlarvt, was er „Pseudoproduktivität“ nennt – eine Kultur, die sichtbare Aktivität als Maßstab für sinnvolle Arbeit nimmt, ohne den Wert oder das Ergebnis dieser Arbeit wirklich zu hinterfragen.

Wir sind gefangen in einem Teufelskreis aus Überlastung, Erschöpfung und dem ständigen Streben nach mehr, ohne jemals das Gefühl zu haben, wirklich voranzukommen und etwas auf die Reihe zu bringen.

Newport plädiert stattdessen für eine Rückbesinnung auf das, was er „langsame Produktivität“ nennt. Inspiriert von der Slow-Food-Bewegung fordert er uns auf, uns von den Fesseln der Pseudoproduktivität zu befreien und uns stattdessen auf drei Grundprinzipien zu besinnen:

Weniger tun, in einem natürlichen Rhythmus arbeiten und obsessiv nach Qualität streben. Diese Prinzipien bilden die Grundlage für eine Arbeitsweise, die nicht nur effektiver und nachhaltiger ist, sondern auch unseren Bedürfnissen als kreative Wesen besser entspricht.

Das erste Prinzip, weniger zu tun, fordert uns auf, die Menge der Aufgaben, die wir uns vornehmen, radikal zu reduzieren.

Newport zeigt in seinem Buch auf, dass jede Verpflichtung, die wir eingehen, sogenannte „Overhead-Kosten“ mit sich bringt – eine Kombination aus administrativem Aufwand und kognitiver Belastung, die uns daran hindert, uns wirklich auf das Wesentliche zu konzentrieren.

Wenn wir erkennen, dass nicht jede Aufgabe unsere Aufmerksamkeit verdient, können wir den ersten Schritt hin zu einer tieferen und bedeutungsvolleren Arbeit machen und entsprechend Prioritäten setzen.

Das zweite Prinzip, in einem natürlichen Rhythmus zu arbeiten, lädt uns dazu ein, die unnatürlichen und künstlichen Arbeitsweisen, die uns die moderne Büroumgebung aufzwingt, in Frage zu stellen. Newport argumentiert, dass Menschen nicht dafür geschaffen sind, jeden Tag, jede Woche und jedes Jahr mit gleichbleibender Intensität zu arbeiten.

Stattdessen sollten wir ein Arbeitsleben anstreben, das durch Saisonalität gekennzeichnet ist – Perioden intensiver Arbeit, gefolgt von Perioden der Erholung, der Pausen und des Auftankens.

Der dritte und letzte Grundsatz, der besessene Fokus auf Qualität, ist vielleicht das transformative Element von Newports Philosophie. Es betont, dass echte Zufriedenheit und nachhaltiger Erfolg aus der Konzentration darauf resultieren, unsere Arbeit nicht nur gut, sondern außergewöhnlich gut zu machen.

Dies erfordert ein tiefes Verständnis unseres Handwerks, eine ständige Hinterfragung und Verbesserung unserer Fähigkeiten und vor allem eine unerschütterliche Hingabe an das Streben nach Exzellenz.

Fazit

Die Botschaft von Cal Newport ist ein Leuchtturm in der stürmischen See unserer Zeit. Er fordert uns auf, die Fesseln der Pseudoproduktivität zu sprengen und einen Weg einzuschlagen, der nicht nur zu herausragender Arbeit, sondern auch zu einem erfüllteren und bewussteren Leben führt.

Es ist eine Einladung, die tiefsten Werte, die in uns schlummern, zu entdecken und zu wecken – eine Reise, die herausfordernd, aber auch sehr lohnend ist.

Bist du bereit, dich auf diesen Weg zu begeben? Bist du bereit, die Kunst der langsamen Produktivität zu umarmen und zu entdecken, was es wirklich bedeutet, in einer Welt zu arbeiten, die sich allzu oft mit dem Oberflächlichen zufriedengibt?

Cal Newport bietet uns die Werkzeuge, das Wissen und die Inspiration, um diesen Schritt zu wagen. Es liegt an uns, sie zu ergreifen und das Potenzial unserer eigenen Kreativität und unseres inneren Feuers voll auszuschöpfen.