Schließe die Augen. Stopp, warte, schließe sie noch nicht. Lese diesen Absatz zu Ende und schließe sie dann. OK, schließe die Augen und versuche, 30 Sekunden lang an nichts zu denken. Bist du bereit? Los geht’s. Jetzt für 30 Sekunden die Augen schließen und an nichts denken.

Und, war nicht einfach, oder? Wahrscheinlich sind dir immer wieder verschiedene Gedanken und Bilder in den Kopf geschossen. Jetzt möchte ich dich einladen, dass du dieselbe Übung noch einmal machst, aber diesmal mit der Bitte, dass du darauf achtest, welche spezifischen Gedanken und Bilder auftauchen. Versuche, sie im Auge zu behalten. Nimm sie wahr, notiere geistig, welche Bilder es sind, und lasse sie dann los. Tauchen ja neue Bilder und Gedanken auf. Versuche, das eine Minute lang zu tun. Bereit? Los geht’s. Eine Minute beobachten, welche Gedanken, Momente, Ideen, Situationen etc. in dir auftauchen.

Wo warst du überall? Du hast die Augen geschlossen und hast versucht, deinen Geist, und sei es nur für 30 Sekunden zu beruhigen, und trotz deiner Bemühungen strömte der Fluss der Gedanken weiter.

Die Sache ist die, dass dieses „Gedankengeschwätz“ nie aufhört. Es ist in unserem täglichen Leben ständig präsent. Meditieren zielt darauf ab, dieses Geplapper des Geistes, das wir haben, zu „beruhigen“. Nun, meditieren ist nicht jedermanns Sache, trotzdem sehr empfehlenswert und du könntest dir hier eine Kurzanleitung herunterladen. Heute geht es jedoch in der Folge nicht um Meditation.

Der Elefant

Wer denkt eigentlich? Bei obiger Übung, wenn der Geist denkt, wer beobachtet dann den Verstand oder Geist oder was immer beim Denken? Oder ein anders Beispiel:

Du siehst, dass es regnet und denkst, oh, es regnet. Ist das nicht seltsam? Du weißt doch, dass es regnet. Warum wiederholt der Verstand diese offensichtliche Tatsache und mit wem spricht er?

Im Zen erklärt man dieses seltsame Phänomen mit dem Verweis auf die zwei Geister – den denkenden und den beobachtenden Geist. Dieses Konzept ist im Buddhismus weit verbreitet, und zeitgenössische westliche Therapien wie die Akzeptanz- und Commitment-Therapie, kurz ACT, beginnen zu begreifen, wie hilfreich es bei der Lösung vieler unserer täglichen emotionalen Probleme sein kann.

Das Problem mit dem denkenden Verstand ist, dass wir ihn nicht vollständig kontrollieren können. Du glaubst mir nicht? Bitte, denke NICHT an einen weiß/blau gestreiften Elefanten, der mit seinem Rüssel aus einem Holzfass Bier trinkt.

Wenn du „normal“ bist, so wie die meisten Menschen, ist der Elefant da, sogar, während du diesen Satz liest – vor allem, wenn du dich bemühst, den Elefanten weg haben zu wollen.

Das Gleiche gilt für Emotionen. Und das ist der eigentliche Grund für den Großteil unseres Leidens – nicht die negativen Emotionen selbst, sondern die Tatsache, dass wir hilflos sind, wenn wir uns in die negativen Emotionen hineinziehen lassen.

Der meiste psychologische und emotionale Stress entsteht, weil unser denkender Verstand und unser beobachtender Verstand „verschmolzen“ sind und wir den Unterschied nicht erkennen. Wir sind assoziiert mit unseren Gefühlen und Emotionen.

Klienten fragen mich: „Wie kann ich aufhören, so eifersüchtig zu sein?“ oder „Wie kann ich aufhören, so wütend zu sein?“ oder „Wie kann ich in dieser Situation nicht mehr nervös werden?“

Die Kurzantwort ist: sich zu dissoziieren. Was ist das genau?

Im Sinne des denkenden Verstandes ist es so, dass er kaum zu kontrollieren ist. Diese Emotionen und Gefühle tauchen auf und werden auch weiterhin auftauchen.

Der Trick besteht darin, nicht mit diesen Emotionen zu verschmelzen, wenn sie auftauchen. Du bist nicht deine Gefühle oder Emotionen, sondern sie sind ein Teil von dir. Und Teile hast du viele in dir.

Dissoziieren meint, statt zu sagen: „Ich bin wütend“, zu sagen: „So fühlt ein Teil in mir Wut“. Anstatt zu sagen: „Ich bin nervös“, sage: „Ein Teil in mir fühlt Nervosität“. Anstatt „Ich bin eifersüchtig“ zu sagen, sage „Ein Teil in mir fühlt Verlustangst, fühlt sich gekränkt, fühlt Wut“. Und dann könntest du auf die Jagd gehen und versuchen herauszufinden, welcher Teil in dir gerade was genau fühlt – und warum oder wofür?

Es mag wie ein feiner Unterschied erscheinen, aber probiere es aus und achte darauf, ob es einen Unterschied macht. Fühlst du dich anders?

Wenn du aufhörst zu sagen: „ICH BIN wütend“, und du stattdessen erkennst, dass alles, was geschieht, ist, dass du in diesem Moment einfach nur Wut FÜHLST, kannst du beginnen, auf eine andere Art und Weise mit deinen Gefühlen umzugehen.

Wenn du dies regelmäßig praktizierst (am besten parallel mit Meditation), wirst du bald feststellen, dass sich deine Beziehung zu deinem „Geist“ zu verändern beginnt. Du wirst eine starke „Metakognition“ (die Fähigkeit, über dein Denken nachzudenken), eine „Steuerungsposition“ entwickeln, die dir hilft, mit deinen Gedanken und Emotionen bewusster und geschickter umzugehen.

Unter anderem einen Raum schaffen, zwischen Reiz und Reaktion, zwischen deinem Denker und deinem Beobachter. Für mich hat das Viktor Frankl schon 1946 vortrefflich formuliert:

Zwischen Reiz und Reaktion liegt ein Raum. In diesem Raum liegt unsere Macht zur Wahl unserer Reaktion. In unserer Reaktion liegen unsere Entwicklung und unsere Freiheit.

Aktiv werden

Hat Ihnen der Artikel gefallen?

Sind Sie pro-aktiv? Wenn ja, dann prüfen Sie meine 4-seitige Checkliste wie man Ziele setzt und erreicht.