Der Zen-Meister war mit einem Schüler in der Stadt unterwegs. Als sie an einem blinden Bettler vorbeikamen, sagte der Meister zu seinem Schüler: «Gib dem Mann ein Almosen!» Und der Schüler warf dem Mann eine Münze in den Hut. «Jetzt bedanke dich bei ihm», sagte der Meister. Der Schüler tat dies widerwillig und sagte wenig später: «Warum sollte ich mich verneigen, der Mann war doch blind?» Der Meister erwiderte: «Dies tut nichts zur Sache, die Verbeugung machst du für dich, und nicht für ihn. «Und», fügte er hinzu, «wer weiss, vielleicht ist der Mann ein Schwindler.»

Marco Aldinger, «Was ist die ewige Wahrheit?» «Geh weiter!»

Eines Tages sagte ein Mann aus dem Volk zu Zen-Meister Ikkyû:

«Meister, wollt Ihr mir bitte einige Grundregeln der höchsten Weisheit aufschreiben?»

Ikkyû griff sofort zum Pinsel und schrieb: «Aufmerksamkeit.»

«Ist das alles?» fragte der Mann. «Wollt ihr nicht noch etwas hinzufügen?»

Ikkyû schrieb daraufhin zweimal hintereinander: «Aufmerksamkeit, Aufmerksamkeit.»

«Nun», meinte der Mann ziemlich gereizt, «ich sehe wirklich nicht viel Tiefes und Geistreiches in dem, was Ihr gerade geschrieben habt.»

Daraufhin schrieb Ikkyû das gleiche Wort dreimal hintereinander: «Aufmerksamkeit, Aufmerksamkeit, Aufmerksamkeit.»

Halb verärgert begehrte der Mann zu wissen: «Was bedeutet dieses Wort «Aufmerksamkeit» überhaupt?»

Und Ikkyû antwortete sanft: «Aufmerksamkeit bedeutet Aufmerksamkeit.»

Philip Kapleau, «Die drei Pfeiler des Zen»

Aufmerksamkeit

Die Entstehung von Bewusstsein und Aufmerksamkeit im menschlichen Gehirn, besonders im Kortex, lässt sich am besten in der Metapher vom Parlament eines demokratischen Staates erläutern:

Wie das Gehirn aus 2 Hemisphären, bestehen fast alle Parlamente aus einer rechten (konservativen) und linken (liberalen) Gruppierung. Wie im Gehirn gibt es kleine Gruppen von Abgeordneten und einzelne Abgeordnete (Module), die als Spezialisten die täglichen Aufgaben des Parlaments ohne Beteiligung der übrigen Parlamentarier lösen.

Wenn ein Problem (Reiz) von aussen herangetragen wird, kann es rasch von diesen Spezialisten (Module) an die ausführenden Organe und Bürger gebracht werden (automatische, nicht-bewusste, implizite Informationsverarbeitung). Gut bekannte und geübte Aufgaben können auch gleichzeitig und parallel ohne Störung und Beanspruchung des Gesamtparlaments (d. h. unbewusst) von den Spezialisten erledigt werden.

Tritt allerdings eine neue Problemlage oder Gefährdung der Zielerwartungen des Parlaments oder einfach ein physisch intensiver Reiz auf, also komplexe Probleme, die von den einzelnen Spezialisten allein nicht mehr gelöst werden können, dann braucht es zwischen den einzelnen Abgeordneten und Gruppierungen einen Austausch und eine Diskussion findet statt. Dies verzögert zwar die Lösung des Problems, garantiert aber eine aus- und abgeglichene Problemlösung (kontrollierte Verarbeitung).

Die einsetzende Diskussion erzeugt einen höheren Lärmpegel (Bewusstsein), die Wachheit steigt, v. a. an jenen Orten des Parlaments, wo sich die Spezialisten und Entscheidungsträger für das Problem befinden. Allerdings kann bei derart komplexen Aufgaben nur mehr eine oder wenige Aufgaben zu einer Zeit gelöst werden, da ein Großteil der Abgeordneten mit der Bearbeitung und Diskussion des Problems befasst werden müssen (eingeschränkte Ressourcen), die anderen Aufgaben treten zurück (selektive Aufmerksamkeit).

Nach Diskussion des Problems auf der Grundlage von alten Erfahrungen mit ähnlichen Problemen (Gedächtnis) und der Abschätzung ihrer Bedeutung für den Staat (positive oder negative Motivation) wird durch eine mit exekutiven Funktionen befasste Gruppe (Präfrontalkortex) eine Entscheidung getroffen und von dort an ausführende Organe (Motorik) abgegeben.

Springer Lehrbuch

Mehr Achtsamkeit für die Aufmerksamkeit

Mehr Aufmerksamkeit ist der Beginn. Wie oft hast du dich hingesetzt, um eine längere E-Mail oder ein Buch zu lesen, dich dann in Gedanken über die Arbeit oder ein Familiendrama verloren und erkannt, dass du es bis zum Ende der Seite geschafft hast, ohne etwas davon wirklich aufzunehmen?

Anstatt dessen bist du vielleicht in Gedanken die Aufgaben durchgegangen, die noch zu erledigen sind. Das mag dir vielleicht sogar als produktiv erscheinen. Multitasking ist sehr verführerisch. Aber am Ende stellt sich heraus, dass all diese Gedanken, die um deine Aufmerksamkeit konkurrieren, deine tatsächliche Fähigkeit aufmerksam zu sein verletzen können.

Kinder – und jung gebliebene Erwachsene – kennen den Effekt, der entsteht, wenn sie einen flachen Stein über Wasser springen lassen. Der Stein berührt das Wasser an einer Stelle nur ganz kurz und springt sofort weiter zur nächsten Stelle, wo er wieder nur kurz verweilt. Das ist ein gutes Bild, wie wir mit unserer Aufmerksamkeit umgehen. Wir lassen diese nur ganz kurz bei einer Sache verweilen, bevor sie zur nächsten springt, bzw. zur nächsten weitergeleitet wird.

In einer Studie sollten Teilnehmer jedes Mal eine Taste drücken, wenn eine Zahl auf dem Bildschirm vor ihnen erschien. Die Taste sollte aber nicht gedrückt werden, wenn diese Zahl drei war. Trotz der Einfachheit dieser Aufgabe drückte die große Mehrheit der Menschen nach nur zwei Minuten den Knopf zur falschen Zeit. Das ist ein gutes Beispiel, wie schnell wir in einen umherwandernden Geist (wandering mind) verfallen.

Die Überlastung unserer Aufmerksamkeit schadet uns. Das Üben von Achtsamkeit kann uns den Raum für mehr Aufmerksamkeit geben. Den Raum, den wir brauchen um uns Auszurichten, Fokus zu halten, auf eine einzelne Aufgabe, auf ein Gespräch oder auf uns selbst.

Mehr Aufmerksamkeit, ein besserer Umgang damit steht dabei am Anfang einer Achtsamkeitspraxis oder am Anfang der Meditation. Wir beginnen mit der Ausrichtung der Aufmerksamkeit zum Beispiel auf den Atem. Und wollen sie dort halten, während wir schnell feststellen, dass wir in Gedanken abdriften, obwohl wir doch beim Atem bleiben wollten. Das bringt einerseits die Erkenntnis, dass unsere Fähigkeit, die Aufmerksamkeit zu halten, begrenzt ist und auf der anderen Seite ist das eine Übung, welche genau die Fähigkeit verbessert und zu einem Mehr an Aufmerksamkeit führt.

Zen Südpfalz

Praktische Übung

Es versteht sich von selbst, dass man nur etwas aufbauen kann, was einem auch bewusst ist. Und bewusst kann einem Menschen nur werden, was im Fokus seiner Aufmerksamkeit liegt. Die folgende Übung findet man in vielen Meditationsbüchern in unterschiedlichen Varianten.

Sie ist einfach und kann doch schwierig sein. Sie schult die Fähigkeit, mit seiner Aufmerksamkeit bei sich zu sein, etwas, das Menschen in turbulenten Zeiten leicht vernachlässigen.

Bitte nimm dir etwa 15 Minuten Zeit, das reicht und stelle sicher, dass du nicht gestört wirst. Es empfiehlt sich, eine Stoppuhr oder einen Wecker auf 15 Minuten einzustellen, sodass du dich ganz auf dich konzentrieren kannst, ohne an die Zeit zu denken.

Sitze bequem und habe Bleistift und ein Blatt Papier bereit. Beobachte dich jetzt bitte:

Welche Gedanken gehen mir durch den Kopf?

Was spüre ich in meinem Körper?

Welche Gefühle nehme ich wahr?

Schreibe alles in Stichworten auf. Zum Beispiel: «Gedanke: mir ist langweilig», Gefühl: «Kribbeln in den Beinen», «Gedanke: muss noch einkaufen gehen».

Manche Menschen verspüren bei dieser Übung eine unerträgliche Unruhe. Bleibe dennoch so lange wie möglich, also bis zum Klingeln des Weckers, dabei.

Falls du dich dabei ertappst, dass du, ohne es zu registrieren, die Übung beendet hast, beispielsweise einem kurzem Tagtraum gefolgt bist, dann setze die Übung bitte weiter fort.

Man kann diese Übung nicht perfekt machen, das Ziel ist schlichtweg, 15 Minuten Aufmerksamkeit zu üben. Nach mehrfachem Üben (am besten täglich), darf man die Zeit auch auf 30 Minuten oder mehr ausdehnen.

So einfach diese Übung ist, so schwer fällt sie vielen Menschen. In der allgemeinen Hektik sind wir kaum mehr in der Lage, aufmerksam »nur« bei uns zu sein. E-Mails, Fernsehen und Radio, das Internet – all dies fordert einen Teil der Aufmerksamkeit. Sie wird ständig aufgeteilt auf die unterschiedlichsten Dinge, die gleichzeitig unsere Aufmerksamkeit einfordern. Die Fähigkeit, unsere Aufmerksamkeit auf einen Menschen zu fokussieren, geht dabei verloren.

Fazit:

Unsere Gehirnnetzwerke, die für Funktionen wie Fokus und Konzentration verantwortlich sind, werden durch Meditation und auch durch die obige Übung trainiert und gestärkt.

Das Üben von Achtsamkeit gibt uns den Raum, den wir brauchen, um uns zu fokussieren und zu konzentrieren – auf eine Sache nach der anderen. Gilt auch beim Zuhören. Wann hat dir das letzte Mal jemand wirklich aufmerksam zugehört?

Eine einfache Anleitung zum Meditieren findest du hier.

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