Veränderung: Einfach oder schwer oder einfach schwer? (II)

Dies ist der zweite Teil zum Thema Veränderung. Im ersten Teil hatten wir überlegt, dass Veränderungen in uns und um uns herum allgegenwärtig sind. Veränderungen begegnen uns immer wieder, auch wenn wir zielgerichtet und mit Plan unterwegs sind. Vielleicht fällt es gerade dann schwer, die von außen kommenden Veränderungen anzunehmen, wenn wir selbst sehr zielorientiert sind. Hier ist unsere Flexibilität gefragt. Um es mit Darwin zu sagen: „Es sind die anpassungsfähigsten, die am erfolgreichsten sein werden.“

Zudem kannst du nur verändern, was in deinem Einflussbereich liegt. Der chinesische Stratege Sunzi sagte schon vor rund 2500 Jahren: „Kämpfe nur eine Schlacht, die Du auch gewinnen kannst.“ Übertragen auf das Leben heißt das: Setze deine Kräfte nur dann ein, wenn du damit auch ein Ergebnis erreichen kannst. Wähle klug aus, wofür du deine Energie einsetzen willst.

Das soll nicht heißen, dass alle äußeren Faktoren einfach als gegeben angesehen werden sollen. Sonst würden wir keine Reformen, Revolutionen und Entwicklungen mehr sehen. Frage dich: Was kann ich ändern? Worauf kann ich Einfluss nehmen? Und welchen Kampf fechte ich jetzt nicht aus?

Und dann gibt es Situationen, „ich“ will ja, aber „es“ geht nicht.

„Ich“ will ja, aber „ES“ geht nicht!

Nun ja, wir könnten uns darauf einigen, anzunehmen, dass das „Ich“ all jenes in unserer Erlebniswelt ist, was wir bewusst wahrnehmen. Erlebt jemand etwas als Teil seiner üblichen Alltagswahrnehmungsprozesse (bewusst), dann erlebt er dies als von ihm selbst willkürlich gemacht, beeinflusst, als selbst verantwortete Wahrnehmung und zu ihm in seinem üblichen Selbstverständnis gehörend.

Für diese üblichen Alltagswahrnehmungsprozesse hat B. Schmid (persönliche Mitteilung, 1988) den Ausdruck „Gewohnheitswirklichkeit“ vorgeschlagen. In dieser „Gewohnheitswirklichkeit“ ist das Denken auch gekennzeichnet durch mehr strukturiertes, analytisches, schärfer ordnendes Denken, ebenso durch das, was Sigmund Freud als „Sekundärprozess“ bezeichnet hat, in dem vor allem gedacht wird in „Entweder-oder-Logik“.

Also könnten wir vielleicht das „ES“ im Gegensatz zum „Ich“ als das „Unbewusste“ und „Unwillkürliche“ betrachten. Wobei nicht jeder unwillkürliche Prozess auch unbewusst sein muss. Du kannst zum Beispiel bewusst wahrnehmen, wie du vielleicht heftig zu schwitzen beginnst oder dein Herz so stark klopft, dass du meinst, andere würden es hören, oder du errötest, obwohl du das gar nicht willst und bist dir der Reaktionen von deinem Körper völlig bewusst, obschon all dies unwillkürlich abläuft.

Wenn „ES“ bei Veränderung, die ich ja will, nicht mitspielt, dann hat es seine Gründe. Oftmals legt „ES“ jedoch seine Beweggründe nicht offen dar.

Dann stellt sich die Aufgabe, eine wertschätzende Kooperationsbeziehung zwischen den willkürlichen („Ich“-) und unwillkürlichen („ES“-) Seiten menschlicher Kompetenz aktiv herzustellen und zu nutzen. Dies erfordert den Aufbau und die systematische Beachtung einer Art innerer Moderatorenfunktion im Menschen für diese unterschiedlichen Kulturprozesse in uns, die immer gleichzeitig ablaufen. „Ich“ und „ES“ (also dieser unwillkürliche, intuitive Bereich) sollten, metaphorisch gesagt, gestaltet werden wie ein kooperatives Team. (Konzept der „somatischen Marker“, Damasio 1997).

Gunther Schmid schlägt deshalb den Begriff des Seitenmodells vor (Schmid 1993): Jeder Mensch hat eine Unzahl an verschiedenen Seiten (=Persönlichkeitsanteilen) und ist nicht bloß einer, sondern viele. Das ist so zu verstehen, dass wir viele innere Anteile mit unterschiedlichen Bedürfnissen haben.

Das kann sich z.B. auf unterschiedliche Lebensalter (aber auch Rollen, die wir spielen und andere innere Anteile) beziehen: Jeder frühere Anteil von mir ist immer noch Teil meiner heutigen Persönlichkeit. Was ich mit 1, 3 oder 20 Jahren erlebt habe, ist in meinem Gehirn und Körper abgespeichert.

Diese inneren Anteile können bewusst oder unbewusst genutzt werden. Wenn ich mit meinem 6jährigen Patenkind spiele, ist es ein großer Vorteil, dass ich das 6jährige Kind noch in mir trage, während ich gleichzeitig mit einem erwachsenen Alltags-Ich das gemeinsame Spiel beobachten kann.

In anderen Situationen können aber auch frühere Anteile aktiviert werden, die es mir dann schwieriger machen, adäquat zu reagieren, z.B. wenn ich plötzlich sehr wütend werde, ohne dass mein Alltags-Ich verstünde, was da gerade in mich gefahren ist.

In solchen Situationen sprechen wir oft in der Art von: „“ES“ ist einfach passiert, über mich gekommen etc.! Dieses „ES“ heißt, etwas Unwillkürliches ist geschehen oder anders ausgedrückt: Ein innerer Anteil in mir hat blitzschnell das Kommando übernommen.

Dies alles lässt sich heute aufgrund der Hirnforschung nachweisen. Die alten gut eingeübten und im Hirn gebahnten (priming) Muster und Konzepte (4-spurige Autobahnen) sind immer wesentlich schneller als neuere, noch wenige gut verknüpfte „Trampelpfade“.

Fazit

Die unbewussten inneren Anteile sind wesentlich für mein Verhalten, besonders auch dann, wenn es um Veränderungsprozesse geht.

Man kann ohne die Miteinbeziehung dieser inneren Anteile keine wirksamen Veränderungen im Verhalten erreichen, weil die alten Bahnungen im Gehirn so stark sind, dass ich unwillkürlich immer wieder in alte Muster gerate.

Wenn ich mir jedoch diese inneren Anteile ins Boot hole, sie mir bewusst mache, dann habe ich die Möglichkeit, mit ihnen eine wertschätzende und kooperative Beziehung aufzubauen.

Die inneren Anteile verhalten sich wie in Teams oder auch in Familien. Wenn sich jemand permanent ausgeschlossen, übergangen oder bekämpft fühlt, wird er oder sie beginnen, sich dagegen aufzulehnen und zu wehren.

So ist es auch mit den inneren Anteilen. Ich kann nur MIT ihnen und nicht GEGEN sie eine Lösung finden. Das bedeutet, ich will überparteilich mit ihnen arbeiten, sie in Lösungen integrieren und sie und ihre Bedürfnisse berücksichtigen.

Wenn also das nächste Mal „„ES“ nicht geht“, kannst du Sherlock Holmes spielen und herausfinden, welche Bedürfnisse für welche Teile in dir gerade nicht befriedigt werden, und welche „Parteien“ sich gerade dafür einsetzen, alles beim Alten zu belassen.

Und dann gilt es, ein sinnstimmiges Ziel zu finden, das alle Beteiligten mittragen. Oftmals kann es sein, dass es in der Hitze des Gefechts und bei wichtigen Themen in Zusammenarbeit mit einem Coach[1] einfacher wird.

[1] PS: Harry Groenert, Fortbildung Milton Erickson-Institut, Heidelberg, Anerkennende Ärztekammer: Landesärztekammer Baden-Württemberg:
Selbsthypnose und hypnosystemisches Selbstmanagement

 

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