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Die 4 Kardinalfehler

Die 4 Kardinalfehler

„Eines aber solltest du niemals vergessen“, fügte er mit ernstem Gesicht hinzu, und verbannte eine Haarsträhne aus ihrer Stirn, „es gibt einen Fehler, der das Monster unter allen Fehlern ist.“

„Oh“, schaute sie ihn mit grossen dunklen Augen fragend an. „Das ist ein ganz böser Fehler! Grossvater hat ihn „Kardinalfehler“ genannt.“

„Ein Kardinalfehler ist ein Fehler, der so schlimm ist, dass man ihn nie wieder gut machen kann. Wenn man nicht aufpasst, kommt er einfach angeschlichen und macht dir dein Leben kaputt.“

„Aber wie merke ich denn, ob er sich anschleicht?“ hauchte Helen atemlos.

„Leider merkst du es erst, wenn es zu spät ist und du ihn bereits begangen hast. Aber ich kann dir sagen, wie du ihn vermeiden kannst!“

Voller Erwartung hatte sie ihrem Vater gelauscht, der sich ganz dicht an ihr Ohr gebeugt und geflüstert hatte: „Sei stets achtsam mit dem, was du tust und überlege genau, bevor du etwas tust, ob du sicher bist, dass es das Richtige ist!“

(aus „Kardinalfehler“ von Edith Müller)

Eine negative Fehlerkultur bringt uns nicht wirklich weiter; Fehler lieben mit dem Tenor „Macht mehr Fehler, sonst lernt ihr nichts“  schon.

Fragte mich mein Sohn letzthin: „Was sind denn so die grossen Lebensfehler, die so gemacht werden?“ und forderte mich damit heraus und dann dachte ich: Das ist ein Thema, das die Hirnzellen anregt.

Ich denke, es sind deren vier Kardinalfehler:

Autopilot einschalten, anstatt Pilot zu sein
Dankbarkeit/Wertschätzung vernachlässigen
Mit dem Leben warten
Opfer zu sein

 

Autopilot anstatt Pilot

Wenn ich auf Autopilot laufe, dann marschiere ich wie eine Marionette am Leben vorbei, ich bin nicht wirklich präsent. Wenn ich nicht präsent bin, dann kann ich im Moment auch nicht bestimmen, was richtig für mich ist. Es ist, als ob man hofft, dass irgendwie, irgendwann, eines Tages im Leben, das Leben einem selbst erklärt, was wir warum wollen. Dies deutet darauf hin, dass ich meine eigenen Ideen, was ich denke, fühle oder im Prinzip wirklich möchte, verleugne, obwohl die Komfortzone doch dazu da ist, dass man sie verlässt.

Man schwimmt so dahin und delegiert unbewusst die Lebenslust-Verantwortung auf den Partner, den Job oder die Welt im Allgemeinen. Die Welt wird schon herausfinden, was gut für mich ist und es mir auf dem goldenen Teller servieren.

Gegen diese Erwartungshaltung bin auch ich nicht immun, aber wenn ich präsent bin, mir bewusst bin, das jeder Tag nur 1.440 Minuten hat, aufmerksam mit mir selbst bin, dann wird plötzlich jede Minute wichtig für mich. Ich bin aufgewacht und kann überlegen, was will ich und wie setze ich das um.

Dankbarkeit/Wertschätzung vernachlässigen

Wahrscheinlich hat es evolutionäre Gründe. Wir haben ein Ungleichgewicht in unserem Denken. Diese Imbalance verzerrt die Realität und macht es uns schwer, unser Leben zu geniessen.

Wir sind faszinierend gut in der Fähigkeit, Dinge zu definieren, die schlecht, verkehrt oder unangenehm sind. Der Kritiker in unserem Hirn hat fast immer die Oberhand, immer fehlt etwas, ist nicht so, wie wir es haben wollen, ist unbefriedigend und unsere Erwartungen werden nicht erfüllt. Kaum haben wir dann zur Abwechslung mal erreicht oder bekommen, was wir wollen, finden wir sogleich das nächste, was wir vermissen und uns unser Leben vermiest. Es ist nie perfekt. Wir sind konzentriert darauf, was wir vermissen, und –  Hand auf’s Herz – da gibt es immer etwas. Immer!

Wenn die Nase läuft, das Fieber einen schüttelt, man friert und sich miserabel fühlt, wünscht man sich nichts sehnlicher, als wieder gesund zu sein. Schön, dass wir heute gesund sind.

Dinge anzustreben, ist in der Tat nicht verkehrt, wird aber zur Trübsal-Falle, wenn wir nicht dankbar sind für das, was wir bereits besitzen. Es wird so ungleich schwieriger, Leistung oder Erfolg zu geniessen, wenn man es nicht in Zusammenhang mit dem bereits Erreichten bringen kann. Bewusste Dankbarkeitsminuten jeden Tag, brauchen weniger Zeit als der Toilettengang und erhöhen die Achtsamkeit. Der POET hilft dabei. P für Personen, O für Opportunitäten, E für Erfahrungen, T für Tinge (okay – Dinge), für die man dankbar sein darf. Gerade vorhin war ich dankbar für das Internet, konnte ich doch das Gegenteil von Balance (Imbalance) auf der Duden Webseite finden.

Mit dem Leben warten

Glücklich zu sein und Erfolg zu produzieren bedingt eine Menge Arbeit. Was alles noch erledigt werden muss! Irgendwas steht immer an. „Wenn ich dann pensioniert bin, dann mache ich endlich diese Weltreise mit meiner Frau.“ Vielleicht, wenn dann beide noch am Leben sind. Wir sind mehr fokussiert auf das, was wir tun sollten und werden wollen, als auf das, was wir tun möchten. Das Leben ist kein Spiel. Mit 45 ist es halb vorbei, ab 60 befindet man sich im letzten Drittel. Wir haben Pflichten und Obligationen zu erfüllen – manche sind wichtig und richtig. Das stimmt.

Es gilt zu überdenken, ob wir uns selbst Steine in den Weg werfen. Denken wir, wenn X dann Y, dann kann ich das tun, was ich wirklich will? X steht für Geld, Sicherheit, Geborgenheit, Beziehung, Liebe, Status etc., Y aber steht immer für Erfolg.

Manche scheinen in einer traurigen Art von Rube-Goldberg-Maschine zu leben. Anstatt auf das, was wir wirklich wollen, täglich hinzuarbeiten, haben wir unbewusst eine komplexe und schwierige Umleitung für uns gewählt. Unser Leben ist nicht ein Ding – der Berggipfel, die Ziellinie oder der Pokal. Es sind die Erfahrungen, die wir sammeln, besonders jene, wenn wir wirklich mit uns zufrieden sind.

Warum warten? Dieses Warten ist der Grund, warum wir im falschen Job sind, in unglücklichen Beziehungen oder Ehen leben. Warten ist eine der Möglichkeiten, ein Leben zu leben, das gegen uns arbeitet, anstatt mit dem Wind von hinten zu segeln. Sich klar werden, was man will und sein Leben organisieren wie den Wochenend-Einkauf: Frieden, Passion, Verbindung und Liebe sowie Freiheit einpacken.

Opfer, Verfolger oder Retter?

Der Parteisprecher findet kein gutes Haar an der anderen Partei. Sein Fokus ist die andere Partei. Der Freund beschwert sich über seine Frau (zum 26ten Mal in diesem Monat), dass sie kein Interesse an Sex hat. Sein Fokus ist seine Frau. Es schneit, und der Flug ist verspätet. Der Mitflieger lässt seine Wut an der Flugbegleiterin aus. Sein Fokus ist die Blonde und das Wetter.

Alle drei Beispiele haben etwas Kräfteverzehrendes gemeinsam: Sich auf die Probleme konzentrieren bedeutet, sich als machtlos zu outen und sich die Möglichkeit zu nehmen, etwas anzupacken.

Stephan Karpman hat in der Transaktionsanalyse (ein psychologisches und soziales Modell) das Dramadreieck entwickelt. Allzu häufig lassen wir uns darin gefangen nehmen. Wie im Märchen und in den Heldensagen gibt es immer ein Beziehungsmuster zwischen mindesten zwei Personen. Drei Rollen werden gefunden: Opfer, Verfolger und Held.

Das Ganze läuft nach Regeln, die jeder Beteiligte unbewusst genau kennt und gekonnt einsetzt.

Das Opfer (ich arme Sau), der Verfolger (das Problem) und der Held (rettet uns das Leben) sind die Rollen, von denen wir jeweils eine in einer bestimmten Situation übernehmen. Ist der Boss ein Problem, dann bin ich unzufrieden (Opfer) und zwar so lange, bis er sich ändert. Oder bis der Held in Form eines Lottogewinns mit ins Spiel kommt.

Im Dramadreieck wird viel Energie mit dem Fingerzeig (Verfolger), „Du bist schuld“ , verschwendet. Besser wäre es, zu überlegen: Was ist das Problem und welche Lösung benötigen wir? Nur wenn wir uns auf die Lösung konzentrieren, können wir das Problem lösen. Und jedes Problem hat eine Lösung.

Opfer konzentrieren sich auf die Probleme, reduzieren damit ihre Handlungsfähigkeit und auch ihre Kreativität und sind ohne Schaffenskraft. Sie geben die Eigenverantwortung aus der Hand.

Die Fragen, die es zu stellen gilt, anstatt sich zu beklagen und abzuwarten, bis sich etwas ändert, heissen „Wie reagiere ich darauf? Was möchte ich? Welche Möglichkeiten gibt es und für welche entscheide ich mich?“

In jedem Film, in dem wir den Hauptdarsteller(in) bewundern, ist der Protagonist derjenige, der wenig spricht. Und wenn er handelt, dann hat es Hand und Fuss. Opferlämmer mögen wir nicht.

Wir haben die Wahl: Opfer, Verfolger oder Held….

So glaube ich denn, diese vier Kapitalfehler schleichen sich gerne von hinten an und schliesse mit leicht abgeändertem Zitat von Winston Churchill:

„Es ist ein grosser Vorteil im Leben, die Fehler, aus denen man lernen kann, möglichst frühzeitig zu erkennen.“

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