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Leitfaden zum Trübsal …

Die Geschichte mit dem Hammer

Ein Mann will ein Bild aufhängen. Den Nagel hat er, nicht aber den Hammer. Der Nachbar hat einen. Also beschließt unser Mann, hinüberzugehen und ihn auszuborgen.

Doch da kommen ihm Zweifel: Was, wenn der Nachbar mir den Hammer nicht leihen will? Gestern schon grüsste er mich nur so flüchtig. Vielleicht war er in Eile. Aber vielleicht war die Eile nur vorgeschützt und er hat etwas gegen mich.

Und was? Ich habe ihm nichts angetan; er bildet sich da etwas ein.

Wenn jemand von mir ein Werkzeug borgen wollte, ich gäbe es ihm sofort. Und warum er nicht?

Wie kann man einem Mitmenschen einen so einfachen Gefallen abschlagen? Leute wie dieser Kerl vergiften einem das Leben. Und dann bildet er sich noch ein, ich sei auf ihn angewiesen.

Bloß weil er einen Hammer hat. Jetzt reicht’s mir wirklich. – Und so stürmt er hinüber, läutet, der Nachbar öffnet, doch

noch bevor er „Guten Tag“ sagen kann, schreit ihn unser Mann an:

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„Behalten Sie Ihren Hammer, Sie Rüpel!“

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(Aus: Paul Watzlawick: Anleitung zum Unglücklichsein)

Wir wollen glücklich sein, ein erfülltes Leben leben, uns mögen und von anderen gemocht werden.

Manche Menschen jedoch, baden sich wollüstig in ihrem sich selbst zugeordneten Unglück. Geniessen es, sich miserabel zu fühlen. Beweisen sich immer wieder von Neuem, dass sie das Recht haben, trübselig zu sein.

Finden ihre Anerkennung in dem Mitleid. das andere ihnen entgegenbringen. Ziel erreicht:

Trübselige finden keine Liebhaber, Freunde, bessere Jobs, mehr Geld oder interessantere Urlaube…. und doch:

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„Ich bin nicht verantwortlich für das, was alles mit mir passiert, es ist die Welt, die mich hasst.“

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Ich bin der Meinung, Trübsal blasen und sich miserabel fühlen erfordert Aufwand und reflektiert eine Art von Kreativität, die wir in uns tragen.

In Zeiten, in denen unserer Leben sicher ist, stabil ist, friedvoll, kein Bürgerkrieg, keine Hungersnot und keine Epidemie herrscht, ist, sich selbst schlecht zu fühlen eine Kunst.

Bedingt es doch Vorstellungskraft, Vision und Geschicklichkeit. Das gibt dem Leben Sinn.

Leitfaden zum Trübsal blasen*

Offensichtliche Möglichkeiten wie Drogen, kriminell werden, Spielcasino, den Ehepartner schlagen oder den Nachbarn verprügeln mal weggelassen; was sind die subtilen Möglichkeiten, um ein erbärmliches Leben zu führen?

Zum wirkungsvollen Einsatz der zum Beispiel folgenden fünf Strategien zum Trübsal blasen ist es unumgänglich, sich darüber im Klaren zu sein, dass Sie immer vorgeben müssen, dass Sie eigentlich glücklich sein wollen, ansonsten nehmen die anderen Sie nicht ernst.

Die wahre Kunst liegt also darin, es so erscheinen zu lassen, dass Sie in der Misere sind, aber definitiv nichts dafür können, sondern ein unschuldiges Opfer der Umstände sind.

Wenn es Ihnen miserabel geht, haben die Menschen Mitleid mit Ihnen. Nicht nur Mitleid, eventuell auch, wenn Sie es geschickt einfädeln, fühlen sich die anderen auch noch schuldig. Das ist gut. Das ist Ausübung von Macht. Ihre Umgebung, ihre Liebsten und jene, die von ihnen abhängig sind, werden Sie nur noch mit Samthandschuhen anfassen, um sicherzustellen, dass sich Ihre Misere nicht verschlimmert.

Das Gute dabei ist, wenn Sie sich miserabel fühlen, dann haben Sie keine Hoffnung und erwarten nichts Positives;

Sie können also nicht enttäuscht oder desillusioniert werden.

Nachfolgend fünf Strategien, um trübsinnig zu werden. Die Beispiele sind nicht vollständig. Wenden Sie nicht alle gleichzeitig an, sondern wählen Sie jene aus, die ihnen leicht von der Hand gehen. Wiederholen Sie diese und werden Sie ein Meister in der Anwendung.

1. Angst haben

Grosse Angst haben, vor allem vor dem finanziellen Ruin. Die Kunst, sich das Leben zu versauen besteht darin, in diese Angst einzutauchen, auch dann, wenn das Risiko zu verarmen ziemlich gering ist. Vorteile sind erstens, es hält Sie in dem Job, den Sie hassen und zweitens, es geht Hand in Hand mit Geiz und Selbstsüchtigkeit. Zum dritten macht es nicht nur die Freunde widerspenstig, nein Sie selbst werden noch ängstlicher, depressiver und eventuell sogar krank. Gut gemacht.

Übung:

Setzen Sie sich in einen bequemen Stuhl und meditieren Sie mit geschlossenen Augen für 15 Minuten, was Sie alles verlieren könnten: Job, Haus, Ersparnisse etc. und stellen Sie sich vor, wie Sie frieren, wenn Sie um diese Jahreszeit unter der Brücke schlafen.

2. Kultivieren und trainieren Sie Langeweile.

Beschweren Sie sich oft, wie langweilig alles ist. Machen Sie dem Gegenüber klar, dass Sie gelangweilt sind, dass er/sie die Ursache für diese Langeweile ist.

Erfreulicher Nebeneffekt: Sie werden in der Tat langweilig und Freunde und Familie meiden Sie, kein Schwein ruft an und Sie fühlen sich noch mehr gelangweilt und vielleicht sogar einsam. Gut gemacht.

Um Langeweile zu umgehen. kreieren Sie eine Krise. Sie beginnen eine Affäre, funktioniert gut, wenn Sie bereits verheiratet sind oder besser, Sie beginnen eine Affäre mit einer verheirateten Person und planen ein weiteres Kind.

Einkaufstherapie kann auch helfen, bestmöglich mit mehreren Kreditkarten, falls mal eine gerade am Limit ist. Beim Einkaufen darauf achten, nur Dinge zu kaufen, die man in ähnlicher Form bereits hat und die keinen Nutzen bringen.

Übung:

Zwingen Sie sich täglich, stundenlang Soap Operas im TV zu glotzen, lesen Sie mindestens zwei Boulevardzeitungen (Morgen – und Abendausgabe), vermeiden Sie jegliche Literatur oder Kunst und bleiben Sie auf dem Laufenden mit Klatsch und Tratsch.

3. Angriff ist die beste Verteidigung

Funktioniert am besten mit dem Lebenspartner und hilft, Beziehungen zu ruinieren. Aus heiterem Himmel sich beim Partner über etwas beschweren, was Ihnen missfallen hat, am besten natürlich nur, wenn Zeugen mithören.

Eine Variante ist es, unerwartet dem anderen mitzuteilen,

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“Wir müssen reden!”

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und ihm zu erklären, wie unzufrieden Sie mit der Beziehung sind. Am besten kurz bevor der Partner aus dem Haus zum wöchentlichen Buchclub gehen will.

Oder wenn der Partner mit Freunden unterwegs ist, Textnachrichten über Probleme und Enttäuschungen senden – mehrere.

Übung:

Bereiten Sie zwanzig verletzende Textnachrichten vor und erweitern Sie die Liste regelmässig.

4. Dankbarkeit vermeiden

Die Wissenschaft hat nachgewiesen, dass Menschen die dankbar sind, glücklicher leben. Dankbar sein ist etwas für Schwächlinge. Dankbar sein wofür?

Das Leben ist schwer und dann sterben wir. Dankbarkeit muss vermieden werden, koste es was es wolle. Undankbarkeit wird von Freunden und Partnern gerne sabotiert. Zum Beispiel, Sie sind inmitten Ihres Jammerns über das aufgeschobene Projekt im Job und Ihr Partner, während eines ungesunden Abendessens – sie oder er – versucht, Sie zu überzeugen, dass es doch gut sei, überhaupt einen Job zu haben.

Solche Versuche, Dankbarkeit zu initiieren, sind zwar gutgemeint, aber einfach zu zerstören. Zeigen Sie einfach auf, dass das, wofür immer Sie auch dankbar sein sollen, nicht Ihren Ansprüchen genügt.

Übung:

Erstellen Sie eine Liste, für was Sie dankbar sein könnten. Neben jedem Begriff, den Sie gefunden haben, beschreiben Sie, warum das für Sie nicht gilt. Stellen Sie sich das Schlimmste vor: Terroristenangriff, Naturunglücke, terminale Krankheit, schrecklicher Unfall, Ernteeinbruch, Hochwasser, Klimawechsel oder dass Ihr Kind nicht in der ersten Mannschaft spielt.

5. Die Eltern sind schuld

Eine der besten Strategien. Alles was Sie heute erleiden, liegt in der Verantwortung der Eltern. Ohne die Eltern wären Sie nicht da, wo Sie heute sind. Sollte irgendetwas Positives entstanden sein, dafür sind Sie selbst verantwortlich, nicht aber Ihre Eltern. Vielleicht finden Sie auch einen Lehrer, der Schuld ist für Ihre Misere, oder die Grippe in der 3. Klasse. Jemand anderem die Schuld zuweisen, ist eine Kardinalfähigkeit und notwendige Kunst, die es gilt, zu meistern. Blame your parents.

Übung:

Rufen Sie jetzt einen Elternteil an (den anderen morgen) und erklären Sie, dass Ihnen gerade eingefallen ist, wie sehr sie Sie damals im Alter von 4 Jahren verletzt hatte und dass Sie heute noch darunter leiden.

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Die Empfehlung ist, sich pro Woche jeweils nur eine Übung vorzunehmen. Erst wenn die obigen fünf Lektionen zur Routine geworden sind, senden Sie mir eine E-Mail und ich kann Ihnen noch weitere Lektionen zukommen lassen

Als Zugabe biete ich Ihnen heute:

Machen Sie eine Liste der schlechtesten Erinnerungen und führen Sie sich diese regelmässig zu Gemüte. Erzählen Sie mindestens einmal pro Woche jemanden, wie fürchterlich Ihre Jugend war und was vor 20 Jahren alles so viel besser war….

…und lassen Sie uns schmunzeln.

*inspiriert durch Cloe Mandanes

 

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