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Weniger reden und die Ampelmethode

Weniger reden

Kennen Sie jemanden, der einfach zu viel spricht? Kennen Sie das Gefühl, wenn der andere überhaupt nicht mehr aufhört? Als ob es Sie wirklich interessiert, warum Ihr Gegenüber die drei Gartenzwerge im Vorgarten so niedlich findet. Insgesamt ist es mit dem Sprechen so eine Sache.

Wir kommen zur Tür herein und teilen unserem Freund mit, dass es heute wirklich kalt ist. Es ist Winter und unser Freund hat keine Ahnung, dass es kalt ist? Warum teilen wir ihm das also mit? Wir sitzen beim Frühstückskaffee, unsere Lebensliebe kommt aus dem Bett, und nach dem „guten Morgen mein Liebling“, – mal abgesehen von dem besitzanzeigenden Fürwort „mein“ – als nächstes, „Oh, es hat geschneit.“ Das hatten wir überhaupt noch nicht realisiert, als wir vorhin aus dem Fenster blickten…?

Es ist einfach amüsant. Wir alle sprechen manchmal einfach zu viel. Wenn wir uns mit jemandem unterhalten, dann ist da die Konversation mit dem anderen – und dann ist da dieser Dialog mit uns selbst. Wenn wir dem anderen wirklich zuhören, dann geht es im Dialog mit uns selbst darum, zu analysieren was er/sie gesagt hat, warum ist es gesagt worden und warum gerade jetzt.

Als Menschen im sozialen Umfeld sind wir programmiert, zu kommunizieren. Ein lebenswichtiges Werkzeug, um zu überleben und um uns zu entwickeln. Im Prinzip sprechen wir, weil wir etwas wollen. Ein Grossteil unserer Laute aus dem Mund wird allerding nur deshalb in Schallwellen umgewandelt, damit wir uns besser fühlen, uns smart und akzeptiert fühlen, denn wir verbringen 60% unserer Unterhaltungen damit, über uns selbst zu sprechen (Studie) – wenn aktiv in sozialen Medien – dann zu 80%.

Warum ist das so? Erstens, wir haben einen unersättlichen Appetit, dass uns jemand zuhört und zweitens, wenn wir über uns selbst sprechen, dann schüttet unser Hirn Dopamin aus, das Belohnungshormon, fast genauso wie beim Orgasmus oder beim Schokoladeessen.

Idealerweise sollten in einer Konversation Sprechen und Zuhören je 50% der Zeit ausmachen. Um Experte im Zuhören zu werden, hilft es, weniger zu sprechen und mehr zuzuhören.

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Wir mögen über uns selbst sprechen, schlicht und einfach, weil es uns ein gutes Gefühl gibt. Researcher von „Harvard Univrsity Social Cognitive and Affective Meuroscience Lab” haben in der Tat mit fMRI festgestellt, dass die Weitergabe von persönlichen Informationen uns mit Motivations- und Belohnungsgefühlen erfüllt. Dies hilft uns, Beziehungen zu knüpfen, führt zu persönlichem Wachstum und gar zu subjektivem Glücklichsein.

Das hat also alles seine Ordnung, solange es nicht unnützes Geschnatter über Belanglosigkeiten ist. Im Prinzip gibt es nur sechs Gründe, etwas zu sagen – oder auch nicht zu sagen. Als nächstes die sechs (und wenn Sie Gründe finden, die nicht zugeordnet werden können, dann freue mich über Ihre Nachricht) und anschliessend, um bewusster zu kommunizieren, die Ampel-Methode:

1. Information geben

Dies beinhaltet Emotionen und Diskussionen mit Inhalt, ebenso so wie einfache Anfragen „ich möchte gerne Milch im Kaffee“. Wenn uns jemand Information gibt, ist es wichtig, zu reflektieren, warum wir diese Information erhalten und was wir damit machen sollen.

2. Information zu erhalten

Wenn wir Information erhalten wollen, dann ist es oft so, dass wir eine Meinung, eine Beurteilung oder Stimmung abfragen möchten. Es mag sein, dass wir die Meinung des anderen „testen“, bevor wir etwas von ihm wollen.

3. Jemanden dazu bringen, etwas zu tun

„Komm her“ sagt die Mutter zum Kind. Nicht immer sind die Anfragen offensichtlich, aber doch erwarten wir eine bestimmte Reaktion. „Gib mir bitte das Salz“, oder „kiss me, fool“ könnte man zu seinem Lover sagen.

4. Jemanden davon abhalten, etwas zu tun

Dies muss nicht immer eine direkte Aufforderung sein. Da sind wir gerne subtil und packen es gerne in eine Frage „musst du schon gehen?“ oder „hältst Du das für eine gute Idee?“.

5. Jemandem ein gutes Gefühl geben

Komplimente sind die einfachste Art. Jemand anderen sich speziell fühlen lassen ist etwas anderes. „Ja, ich bin ein bisschen betrunken, aber du bist einfach schön. Morgen bin ich wieder nüchtern, und du bist immer noch schön.“

6. Jemandem ein schlechtes Gefühl geben

Das ist gar nicht so offensichtlich, wie es scheint. Oft, wenn wir nicht genau wissen, was der andere meint, könnten wir uns fragen: „Versucht er/sie vielleicht, mir ein schlechtes Gefühl zu geben?“ Oder: „Wenn derjenige uns Information gibt, die irrelevant ist, warum tut er das denn dann?“

Die Ampelmethode:

Mark Goulston, der Autor von „Just listen“ hatte als Coach seinen Freund Marty Nemko, Host einer Radio Show von NPR’s San Francisco Affiliate. Marty sagte zu Mark:

„Mark, als Spezialist fürs Zuhören, solltest Du weniger sprechen und mehr zuhören.“

Marty Nemko erklärte Mark, nachdem dieser sich von der Peinlichkeit erholt hatte, die Ampel Strategie:

„Für die ersten 20 Sekunden, die Du sprichst, ist die Ampel auf Grün: Dein Zuhörer mag Dich, zumindest, solange Deine Aussage relevant zum Thema ist und Du hoffentlich Deinem Gegenüber einen Nutzen bringt. Ausser Du bist ein begnadeter Geschichtenerzähler, werden Menschen, die länger als eine halbe Minute am Stück sprechen, entweder als langweilig oder als schwatzhaft angesehen.

Die Ampel schaltet deshalb für die nächsten 20 Sekunden auf Gelb – das Risiko erhöht sich, dass Dein Zuhörer das Interesse verliert oder denkt, dass Du umständlich und kompliziert artikulierst.

Nach 40 Sekunden ist die Ampel auf Rot. Es mag die gelegentliche Situation bestehen, das Rotlicht zu durchfahren, aber meistens ist es besser, anzuhalten oder Du begibst Dich in Gefahr.“

Nemko sagte ausserdem, die Ampel Strategie ist nur der erste Schritt, um sich vom zu viel Babbeln abzuhalten. Es ist ebenso wichtig, die Motivation für das Sprechen zu hinterfragen: Ist es, weil man sich einfach gut fühlt dabei oder man seinem Ärger Luft machen will? Spricht man, um sich über sein Denken Klarheit zu verschaffen? Oder, weil man oft so viel zuhören muss, dass wenn man dann ein Mikrophon gereicht bekommt, man es nicht mehr aus der Hand gibt?

Ein Grund, dass manche lange, anhaltende Monologe führen, ist, dass sie versuchen, ihr Gegenüber zu beeindrucken, zu zeigen, wie clever sie sind, oftmals, weil sie sich weniger Wert fühlen. Falls das für Sie zutrifft, dann ist es an der Zeit zu realisieren, dass das Weitersprechen nur dazu führt, dass der Gegenüber weniger von Ihnen beeindruckt sein wird.

Meine 40 Sekunden sind schon lange vorbei, deshalb ist hier das Ende.

„Durch die rote Ampel fahren, kostet in der Schweiz 250 Franken.“

 

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