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Haben oder nehmen?

Als das Oracle in Delphi Sokrates zur weisesten Person in Griechenland erklärte, sagte er:

„ich weiss, dass ich nicht weiss“

Sokrates wusste nicht nur, dass er wenig wusste, er wusste auch, wie viel weniger andere wussten. So machte er es zu seiner Mission, seinen Mitbürgern die Kunst des Hinterfragens näher zu bringen.

Um dies (ohne Twitter) zu erreichen, schlenderte er durch die Strassen Athens und führte Dialoge mit Fremden. Er hinterfragte deren Ideen und Glauben und zeigte Ihnen auf, dass sich in deren Gedanken Milchsäurebakterien (Löcher) wie im Schweizer Käse befanden.

Unglücklicherweise gibt es heute keine solchen Strassenphilosophen mehr, die unsere Gedanken hinterfragen und uns auf den richtigen Weg führen.

Unser Hirn spielt kognitive Streiche mit uns und oft ist es allein schon die Sprache, die wir nutzen, die uns auf Irrwege führt:

„Ich habe zu wenig Zeit.“

 

Kommentar:

Bill Gates und Sie und ich haben eines gemeinsam:

Wir haben dieselben 24 Stunden jeden Tag.

Trotz  seines Vermögens kann Bill nicht einmal eine Sekunde kaufen.

Zeit kann man nicht haben, Zeit kann man sich nur nehmen.

Unser Problem ist, zumindest für diejenigen unter uns, die glauben, zu wenig Zeit zu haben, dass wir zu viele Dinge in diesen wertvollen 24-Stunden-Container packen, anstatt manches lieber dem Mülleimer zukommen zu lassen.

Wie bauen wir den Zeit-Stress ab und packen nur die für uns wirklich wichtigen Dinge in unseren limitierten 24-Stunden-Container?

Genau wie beim Koffer packen, wenn wir nur einen mit auf den Flieger nehmen dürfen:

1. mit entscheiden und

2. mit loslassen

Wir leben in einer Welt mit Überfluss an Information und immer weniger Verständnis für die Mitmenschen, die Umwelt, das eigene Selbst. Wir beschweren uns permanent, dass wir zu wenig Zeit haben und gleichzeitig suchen wir Kurzweil und Ablenkung.

Wenn uns die Arbeit nicht ablenkt, dann lenken wir uns selbst ab. Wir streben nach wiederholter Stimulation und Aktivität (Aktion oder Aktivität). Wir sind so beschäftigt, dass unsere freie Zeit nur ab und zu in 30-Sekunden-Intervallen auftaucht, obwohl wir die Freiheit hätten, es anders zu machen.

Sowohl am Mac als am PC werden wir sofort informiert, wenn eine neue E-Mail angekommen ist. Allein der Sound (früher bei AOL: „You got mail“) lässt uns unsere Arbeit unterbrechen und sofort checken, wer denn was von uns will. Angst etwas zu verpassen?

Jegliche Unterbrechung in unserem Gedankenfluss (Flow) kostet uns Zeit. Tests zeigen auf, dass wir circa 20 Minuten brauchen, um den Faden wieder aufzunehmen und konzentriert weiter zu arbeiten.

Nicht nur zum Frühstück hören wir die schlechten und meist irrelevanten Nachrichten; nein, wir addieren weiteren Schrott hinzu, wenn wir die Zeitung auf dem Weg zur oder während der Arbeit lesen.

Einer meiner Kunden, ein Vermögensverwalter, hat vor zwei Jahren entschieden, nur noch die Headlines zu lesen. Seine Investment-Performance ist gleich geblieben und seitdem hat er jeden Tag fast zwei Stunden mehr Zeit zur Verfügung.

Durch das Smartphone können wir während den Sitzungen die E-Mails, die am jetzt einsamen PC ankommen, doch noch zeitgerecht lesen.

Forscher haben festgestellt, dass Multi-Tasking zu Mittelmässigkeit führt.

Doch das Handy liegt vorsichtshalber auf dem Tisch, beim Gespräch, beim Abendessen und vielleicht sogar auf dem Nachttisch.

Nur wenn wir schlafen, läuft der moderne Informationsfluss an uns vorbei, zumindest bis zum Morgen. Wie starten wir unseren Tag?

Wir haben die Kunst der Stille verlernt.

Wir leben in einer Welt mit mehr Information als je zuvor und doch verstehen wir weniger und weniger. Wir glauben, dass das Konsumieren von überwiegen nutzloser Information zu mehr Verstehen führt.

Wir wollen nicht oder können uns nicht die Zeit nehmen, um unsere eigene Meinung zu bilden und innezuhalten, um herauszufinden, was wir eigentlich wirklich wollen. Es scheint einfacher, die Meinungen der anderen zu konsumieren und andere für uns denken zu lassen.

Das macht uns, meist ohne dass wir es erkennen, konfus und ausserdem abhängig von äusseren Einflüssen.

Denken braucht Zeit. Es ist ein Prozess. Wie oft denken wir über uns nach und freuen uns, dass wir die Freiheit haben, um zu entscheiden und loszulassen?

1. Entscheidungsfreiheit:

Wenn wir erkannt haben, dass wir unseren 24-Std-Container nicht vergrössern können, dann bleibt uns nur:

zu fokussieren und zu eliminieren.

Das bedingt, dass wir bewusst entscheiden, was wir zu tun haben und was wir tun wollen.

Achtsamkeit hilft hier. Wenn wir genau darauf achten, was wir denn den lieben „langen?“ Tag so alles machen und uns überlegen, was wir in den Container füllen, so mögen wir entdecken, dass sich Müll eingeschlichen hat.

Welche Webseiten am Morgen?
Welche Spiele auf dem Telefon?
Was lesen wir?
Wie oft E-Mail, Nachrichten, Facebook, Twitter, Instagramm…?
On-line-shopping Seiten?
Youtube?
TV?

Was wir vielleicht feststellen, ist, dass wir ganz schön Mist in den limitierten Container packen und dass wir versuchen, zu viele sogenannte Verpflichtungen zu erfüllen um allen Mitmenschen, uns selbst mit-eingeschlossen, gerecht zu werden.

Wenn heute der letzte Tag unseres Leben wäre, was würden wir eliminieren?

Was ist für unser Leben tatsächlich, im Moment, für morgen, für die Woche, für den Monat und für das Jahr wirklich wichtig? … und was ist (Zeit-)Verschwendung?

2. Die Kunst des Loslassens:

Was passiert mit all dem anderen Dingen, die wir tun wollen oder tun müssen? Wie kriegen wir die in den Container?

Hier kommt die Kunst des freudigen Loslassens ins Spiel.

Zuviel sollte in den Container und wir haben entschieden, nur die wirklich wichtigen Dinge für heute anzupacken. Das bedeutet, die meisten

„müsste, sollte, wollte ich machen“

bleiben aussen vor.

Diese werden entweder später oder nie angepackt. Auf jeden Fall entscheiden wir, dass sie heute nicht in den Container passen.

Das an sich ist kein Problem, ausser wir fühlen uns frustriert, dass wir nicht alles in den Tag hineinbringen. Das ist jedoch Einstellungssache.

Weniger ist meistens mehr.

Wir wollen reisen, in die Gym gehen, meditieren, etwas Neues lernen, mehr lesen, der perfekte Partner sein, perfekte Eltern/Freund/Geschwister sein, malen oder musizieren usw.

Die Frustration kommt meist von einem Ideal, dass wir doch in der Lage sein sollten…

Doch unser Ideal entspricht oft nicht der Realität. Realität ist, dass wir nicht alles erledigen können, vielleicht weder heute, vielleicht nicht mal diese Woche. Es gilt, Entscheidungen zu treffen, manche Dinge werden erledigt, andere müssen warten und wieder andere werden nie erledigt.

Der Container kann nicht vergrössert werden, wir müssen an unserer Einstellung arbeiten.

Der Moment ist, wie er ist. Das alte Ideal „ich sollte doch…“ lassen wir los, weil es uns reduziert und frustriert.

Mit heiterer Gelassenheit, mit Freude und Erleichterung Loslassen. Agieren und kreieren anstatt zu reagieren.

Die Überraschungen und Notfälle, die ausserhalb unserer Kontrolle liegen, kommen von alleine.

Trotzdem liegt es nur an uns zu entscheiden, was richtig und was wichtig ist.

Für was nehmen Sie sich heute Zeit?

 

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