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Sind Sie ein Künstler?

Sind Sie ein Künstler?

„Spielen Sie ein Instrument?“ oder „Malen Sie?“ wäre einfach zu beantworten. Wir wüssten, schon durch die Fragestellung, auf welche Praxis sich die Frage bezieht. Versuchen wir eine(n)  Künstler(in) an sich zu definieren, dann könnten wir uns auf „eine Person, die in irgendeiner Form Kunst erschafft oder mit ihr zu tun hat“ einigen. Künstler arbeiten auch oft Hand in Hand, denken wir an den Autor, dessen Kunst durch Theater oder Hollywood und durch Schauspielkunst einem breiten Publikum vorgestellt wird. Für mich taucht da sogleich die Frage auf, ob denn Kritiker auch Künstler sind?

„Natur und Kunst, sie scheinen sich zu fliehen
und haben sich, eh man es denkt, gefunden.“

Johann Wolfgang von Goethe

Wikipedia bietet uns: „Das Wort Kunst bezeichnet im weitesten Sinne jede entwickelte Tätigkeit, die auf Wissen, Übung, Wahrnehmung, Vorstellung und Intuition gegründet ist. Im engeren Sinne werden damit Ergebnisse gezielter menschlicher Tätigkeit benannt, die nicht eindeutig durch Funktionen festgelegt sind.“ Das Kunstportal (artfocus.com) versucht sich mit der Definition, die mir am besten gefällt:

„Kunst ist eine wesentliche Ausdrucksform für Gefühle und Gedanken, welche den Menschen bewegen. Kunst ist hierbei weniger das, was Kritiker und Spekulanten für wertvoll und handelbar halten, sondern vielmehr all das, worin der Künstler ein Stück von sich selbst gegeben hat. Sei es ein großes oder ein eher bescheidenes Werk. Es ist immer Ausdruck einer expressiven Schaffenskraft und des Bedürfnisses, sich mitzuteilen.“

Was könnte es bedeuten, unser Leben als Kunstwerk zu sehen? Leben als Ausdrucksform für Gefühle und Gedanken? Klar, wir geben doch jeden Tag ein Stück von uns und zeigen expressive Schaffenskraft – oder? Wie würden Sie auf eine der folgenden Fragen reagieren:

„Üben Sie sich in Lebenskunst?“ oder

„Sind Sie ein Lebenskünstler?“

Kunstwerke sind fast nie Zufälle. Sie entstehen aus einer Idee. Der Künstler braucht Handwerkszeug, sein Können – und dann will es umgesetzt werden. Der Maler sitzt vor der weissen Leinwand und dann fängt er an. Maler, die ich kenne, bestätigen häufig, es ist schwierig zu entscheiden, wann das Gemälde denn fertig ist – und manche sagen sogar, es ist nie vollendet, aber man möchte etwas Neues schaffen. Da sehe ich eine Parallele zur Lebensqualität. Mit unserem Lebens-Kunstwerk werden wir auch nie fertig und wie beim Maler, der seine Entwicklung von Gemälde zu Gemälde beobachtet, entwickeln auch wir uns jeden Tag. Weiterhin ist es im Leben ebenso: Idee, Ressourcen, Fähigkeiten und dann die Umsetzung.

Lebenskunst wird uns nicht in der Schule gelehrt, an der Uni studieren geht auch nicht. Sie ist nicht angeboren, mag aber abhängig sein von unserer Aufmerksamkeit mit uns selbst. Lebensqualität, so scheint mir, bringen wir uns selbst bei, wenn wir wollen.

Nicht, dass ich wirklich etwas von Lebenskunst verstehe, doch folgen Sie ein paar meiner Gedanken und ich würde mich freuen, wenn Sie Ihre Anmerkungen oder Erkenntnisse als Kommentar unten mit mir teilen. Nicht dass ich glaube, dass die folgenden fünf Wertschätzungen ausreichend oder gar vollständig sein könnten; es sind jedoch Lektionen, die bei mir hängen geblieben sind und ich nicht missen möchte.

1. Wer bin ich?

Sokrates‘ „Erkenne dich selbst“ scheint mir ein guter Start. Ist man selbst doch die wichtigste Person, die man kennt. Wenn man sich selbst schlecht oder nur ungenügend kennt, dann kann man auch nur ein schlechtes oder ungenügendes Leben erwarten. Ohne Selbstbild ist es schwierig zu wissen, was man warum tut. Wie kann man, ohne zu wissen warum man etwas tut, seine eigene Biographie mit sich selbst erörtern und Antwort auf die Frage finden, „wofür man lebt“. Ohne seine eigenen Grundwerte zu kennen, verliert man leicht die Kontrolle und Orientierung für sich selbst. Antwort auf Fragen, „Wer bin ich?“, „Was ist bisher in meinem Leben passiert?“, „Wer und was hat mich wie und warum beeinflusst?“, „Wo stehe ich heute?“ und „Wo will ich hin?“ assistieren um sich selbst besser kennenzulernen. Über sich selbst reflektieren und sich von Freunden (oder einem Coach – er oder sie sind trainiert) den Spiegel vorhalten lassen, lässt einen seine Lebensgeschichte besser erfassen.

2. Es gibt nichts Gutes, ausser man tut es

Egal, wie lange man vor der weissen Leinwand sitzt, über sich nachdenkt und sich stetig besser versteht, ohne Aktion bleibt die Leinwand weiss. Wenn wir nicht üben, und manches ist einfach nur als Übung (zumindest manchmal vom Ergebnis her) zu sehen, dann sind wir taten- und ergebnislos. Es gilt die eigene Handlungsfähigkeit für sich zu definieren und umzusetzen. Die wichtigen Tugenden wie Mut, Offenheit, Klugheit, Mässigkeit, Zuverlässigkeit, mit Empfehlungsschreiben vom Herzen, bitte in den eigenen Gewohnheiten manifestieren. Anstand und Können sind nun mal die Werkzeuge und die Basis für Lebensqualität.

3. Auf Basis der eigenen Grundwerte handeln

Jegliche Persönlichkeit besteht aus moralischen und ethischen Grundwerten. Wir alle haben ein moralisches Profil – zumindest so, wie wir uns selbst sehen. Manche Menschen wissen, dass sie immer im Recht sind. So im Recht, dass sie eventuell übersehen, wo sie an ihrer Lebensqualität arbeiten könnten. Authentizität und Empathie ist in aller Munde – aber kennen wir nicht alle jemanden, der nie pünktlich (und immer eine Erklärung parat hat) ist oder seine Zusagen nicht einhält? Messen wir unser Verhalten mit dem gleichen Massstab, wie wir, um uns wohlzufühlen, andere und ihr Verhalten beurteilen? Mit uns selbst sind wir gerne grosszügig – und vergeben uns leicht. Das waren halt gerade so unglückliche Umstände bei mir, während bei den anderen – na, Sie wissen schon.

4. Die Magie der Zeit erfassen

„Man kann nicht zweimal in denselben Fluss steigen“ sagte schon Heraklit (540 v.Chr. – um 480 v.Chr.) zu Recht. Aus zwei Gründen, weil andere Wasser nachströmen und weil wir uns in jeder Sekunde verändern. Das Timing ist wichtig. Für manche Dinge ist es zu früh, für andere zu spät  oder es ist höchste Zeit oder schlichtweg einfach verpasst. Ich frage die notorischen Spätkommer, wenn ich finde, dass sie meine Zeit verschwenden, scheinheilig (ja, das kann ich), wie oft sie ihren Urlaubsflieger verpasst haben. Ich fühle mich extrem gut, wenn ich rüberbringe, dass Zeit das höchste Gut ist, wenn man erkennt, dass andere Zeit mit einem verbringen – denn damit investieren sie – und deshalb gilt es, in meiner Welt, Wertschätzung zu fühlen und zu zeigen.

Sie werden diese Zeilen nie mehr so jung lesen, wie gerade. Deshalb, danke, dass Sie sich die Zeit nehmen. Was gilt es heute, jetzt als Nächstes zu tun, angesichts der Vergangenheit und im Hinblick auf die Zukunft? Zeit für Auszeit, Abschied oder Neubeginn? Nicht alles ist immer gleich wichtig, aber alles, was man tut, hat Folgen und ist wichtig. Da man fast nichts gleichzeitig tun kann bedeutet die Entscheidung für eine Sache, sich in diesem Moment gegen eine andere Sache zu entscheiden. Nicht versuchen mit „und“ zu leben, sondern „entweder/oder“ bejahen und Mut zum Nein-Sagen haben. Jede Erfahrung ist endlich, genauso wie unser Leben. Was ist wann wirklich wichtig für uns?

5. Wo endet meine Freiheit?

…dort wo die Freiheit eines anderen beginnt und wir leben in einem gesellschaftlichen Kontext. Wir werden in unserem Verständnis beeinflusst vom Markt, der Politik, der Wissenschaft und der Technologie. Ernährung, Gesundheit, Arbeit, Freizeit, Ausbildung, Genussmittel, Beziehungen, TV, Nachrichten und kulturelle Umgangsformen dirigieren unsere Verhaltensweisen (oft unbewusst) und unsere Einstellung(en). Seine Lebensqualität im Griff haben, bedeutet zu erkennen, welchen Freiraum man hat, wo Zugzwang herrscht und wo die Wahlfreiheit beginnt – und alles mit Genuss für sich zu akzeptieren.

Jeder wird geboren, wird erwachsen, wird alt und stirbt – und von dieser Regel ist mir bisher keine Ausnahme bekannt. Der rote Faden ist für mich, dass man jede Sekunde alt wird und man jede Sekunde geniessen kann. Wenn denn jede Minute (und davon haben wir 1.440 wir pro Tag) so kostbar ist, so sind wir, letztendlich, wenn wir uns für die Verbesserung unserer Lebensqualität, für die Kunst des Älterwerdens und die Lebenskunst an sich entscheiden und bewusst Verantwortung für uns übernehmen, sowieso alle Künstler.

„Entweder ein Kunstwerk sein, oder eines tragen.“

Oscar Wilde

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