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Aufschieberitis II

 

Dies ist Teil II zum Thema Aufschieberitis und falls Sie Teil I verpasst haben, dann finden Sie ihn hier.

Prokrastination ist ein Problem (besser: eine Herausforderung), das viele Bereiche in unserem Leben beeinflussen kann. Ein paar Beispiele:

Privat

⇒  Ich hasse es, den Kühlschrank zu reinigen.

⇒  Die Garage sollte aufgeräumt werden.

⇒  Ich hasse Rechnungen, deshalb bleiben die Briefe ungeöffnet.

⇒  Der Konflikt mit Schwester, Bruder, Elternteil, Freund, Partner oder Nachbarn ist nicht gelöst.

⇒  Der Garten sollte bearbeitet werden.

⇒  Das eine Zimmer sollte gestrichen werden.

⇒  Der Service fürs Auto ist längst fällig.

⇒  Den Geburtstag der Partnerin/des Partners oder des Freundes vergessen.

Gesundheit

⇒  Ich will abnehmen.

⇒  Ich sollte mehr Sport treiben.

⇒  Das Knie schmerzt, auch noch nach drei Monaten.

⇒  Ich wollte mich weiterbilden.

⇒  Ich wollte eine Meditations- oder Yogaausbildung beginnen.

⇒  Stress in der Arbeit wird immer schlimmer.

⇒  Ich trinke zu viel Alkohol.

Karriere

⇒  Mein Büro ist nicht gut organisiert.

⇒  Da sind ein paar unangenehme Telefonate, die auf Erledigung warten.

⇒  Ich sollte eine Dank-Notiz schreiben.

⇒  Die Website sollte überarbeitet werden.

⇒  Meine persönliche Strategiesitzung schiebe ich vor mir her.

⇒  Die Kontakte von der Messe müssen bearbeitet werden, bevor sie kalt sind.

⇒  Die Steuererklärung ist fällig.

Aufschieben oder anders: Zaudern, kann viele Bereiche in unserem Leben beeinflussen. Natürlich gibt es ab und zu Dinge, die mit „ich hatte einfach keine Zeit“ erklärt werden können. Aber nicht vergessen, Zeit hat man nicht, Zeit nimmt man sich. Wenn Ihnen mehr als zwei Gedanken von oben sehr bekannt vorkommen, dann kann es gut sein, dass Sie ab und zu zaudern. Zaudern gefällt mir als Wort sehr gut, weil es nur eine kleine Buchstaben-Arbeit braucht, um Lösungsoptionen zu erkennen. Es genügt nämlich, das „b“ zu spiegeln und schon geht es statt um zaudern um zaubern.

Nur wenn wir wissen, dass wir einer Herausforderung gegenüberstehen und sie schieben, können wir anfangen zu zaubern.

Selbsteinschätzung

Um die Kosten, die mit dem Zaudern einhergehen, zu bewerten, bedarf es einer Bestandsaufnahme jener Bereiche im Leben, in denen geschoben wird, um dann zu entscheiden, was uns das eigentlich kostet, inklusive des temporären Verlustes der Lebensqualität. Das ist schwierig, aber notwendig für die Veränderung. Ignoranz des Problems führt zu mehr Zaudern bis der Druck so gross ist, dass richtig Stress entsteht.

Ein Beispiel im Büro: Papiere, Ordner und Notizen überall aufgestapelt. Wo ist nur die Aktennotiz? Und überhaupt, da ist kaum Platz, um zu arbeiten, die ungelesenen Fachartikel und Magazine liegen neben der In-box. Jeden Tag, das erste was wir sehen, wenn wir ins Büro kommen, ist die Unordnung und das führt zu einer schon gewohnheitsmässigen Stressreaktion. Ein Anruf gut abgewickelt und das Wichtigste auf der Rückseite eines Umschlages notiert. Wo sind nur die ergänzenden Unterlagen, im Stapel der unerledigten Aufgaben? Das frustriert.

Vielleicht helfen die folgenden Fragen:

⇒⇒ 1. Was würde eine wirklich erfolgreiche Person tun?

⇒⇒ 2. Was tue ich eigentlich (nicht was sollte ich)?

⇒⇒ Was ist der Unterschied zwischen 1 und 2? Was kostet mich das?

Wie Cal Newport beschreibt, im Gegensatz zu „Deep Work“ engagieren wir uns zu viel mit trivialer Arbeit und glauben, dass wir wertvolle Arbeit leisten. Nicht-existentielle Aktivitäten sind häufig:

⇒  Mehrmals E-Mail zu checken, eventuell sogar, wann immer der Computer sich meldet, um uns mitzuteilen „You Got Mail“.

⇒  Im Internet surfen.

⇒  Busy sein.

⇒  Überlegen, was alles noch nicht getan ist.

⇒  Dinge und Information suchen, die, wenn sie systematisch geordnet wären, auf Knopfdruck zur Verfügung stehen würden.*)

Die Analyse des Problems ist der kritische Punkt und sie soll objektiv, d.h. ohne Beurteilung erfolgen. Die Situation analysieren, wie eine Wissenschaftler, weil

⇒⇒ nur die Fakten zählen, um das Problem wirklich zu definieren und

⇒⇒ nur die neutrale Standortbestimmung hilft, um die Fortschritte beobachten zu können.

Sprechen Sie mit sich, wie Sie mit einem guten Freund sprechen würden.

Wenn man seine Mängel erkennt, dann fühlt man sich meist nicht so gut.

„Nein, du bist hier nicht am Scheitern. Jeder kann sehen, wie du versuchst alles unter einen Hut zu bringen. Du hast versucht, dich besser zu organisieren, um effizienter zu arbeiten, aber die Zeit lief davon. Mit dem was du bisher wusstest, hast du dein Bestes gegeben – aber jetzt geht es darum, etwas Neues auszuprobieren. Mal sehen, wo es mich hinbringt.“

*) Ich benutze hier seit mehreren Jahren Evernote. 

Kleine Schritte

Aufschieben kann oft als Gewohnheit definiert werden. Regelmässige Leser wissen, Gewohnheiten nachhaltig zu ändern, ist immer einfacher gesagt, als getan. Was immer Sie als Problem (Herausforderung) in Ihrer Selbsteinschätzung erkannt und definiert haben – gehen Sie mit kleinen Schritten an die Veränderung heran und zelebrieren Sie jeden kleinen Erfolg.

Ein Aufschieber hat entschieden, den Keller am Samstag in Ordnung zu bringen. Nach dem Frühstück geht er in den Keller, öffnet die Tür und ist überwältigt. „Vergiss es, niemand kann diesen Keller in einem Tag aufräumen“ und schon, beinahe automatisch, schliesst er die Tür energisch und kehrt zurück ins Wohnzimmer, um die Wochenendausgabe der Zeitung zu lesen.

Ein sich als Aufschieber akzeptierter Mann hat entschieden, den Keller am Samstag in Ordnung zu bringen. Nach dem Frühstück geht er in den Keller, öffnet die Tür und ist überwältigt.

„Vergiss es, niemand kann diesen Keller in einem Tag aufräumen“ denkt er zuerst. Er geht nicht zurück ins Wohnzimmer:

„Okay, also, ich kann den Keller nicht in einem Tag aufräumen“ sagt er zu sich selbst. „Was könnte ich sonst tun, um das Problem (die Herausforderung) zu lösen?“ denkt er weiter.

Nach ein paar Minuten kommt er auf die Idee, den Keller in vier Segmente einzuteilen. „Ein Segment räume ich heute auf“ denkt er, „und selbst wenn ich nur eine Sektion jeden Samstag erledige, habe ich meinen Keller in Ordnung, bevor der Monat zu Ende ist.“

Nach einem Monat hat der Prokrastinierer immer noch ein Problem, während der Kollege, mit der gesunden Selbsteinschätzung und Analyse seiner Aufschieberitis, nach vier Wochen mit Freude in den Keller geht, um die Flasche guten Rotwein zu holen, die er auf Anhieb findet.

Um mit Aufschieberitis erfolgreich umzugehen muss als erstes das Problem (Herausforderung) definiert und als solches erkannt werden, um dann in kleinen Schritten Grosses zu erreichen. Ziele dabei so niedrig ansetzen, dass der Erfolg gewährleistet ist, denn:

Wir vermeiden Schmerzen, aber Erfolg bringt Freude.

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